Die Zeitarbeit in der Pflege entwickelt sich für Kliniken und Pflegeeinrichtungen zu einem immer größeren Risiko, das viele an die finanziellen Grenze treibt. Denn die immens hohen Kosten – Leihpflegekräfte können bis zu 80 Euro pro Stunde kosten – werden von den Kassen nicht vollständig refinanziert. Das ist Folge des MDK-Reformgesetzes von 2020, das die Abrechnung der durch Zeitarbeit entstandenen zusätzlichen Kosten auf die Höhe der tarifvertraglich vereinbarten Arbeitsentgelte begrenzt. Den Rest müssen die Einrichtungen aus der eigenen Tasche bezahlen.
Gerald Gaß: Leiharbeit wird von der Ausnahme zum Regelfall
Was das in Zahlen heißt, zeigt das Beispiel Hamburg: Hier beliefen sich die Mehrkosten durch Zeitarbeit, die nicht von den Kassen erstattet wurden, für die Kliniken auf 9 Millionen Euro, für die stationären Pflegeeinrichtungen auf 6 Millionen Euro. Leiharbeit entwickle sich „von der Ausnahme zum Regelfall“ beklagte daher zuletzt auch der Vorsitzende der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG) Gerald Gaß.
Nicht so beim DRK-Kreisverband Sangerhausen in Sachsen-Anhalt. Dort werden seit drei Jahren keine Pflegekräfte mehr über Zeitarbeitsfirmen gebucht. Es ist das Ergebnis langjähriger Prozessoptimierungen, die der Vorstandsvorsitzender des DRK-Kreisverbands umgesetzt hat. Vier Dinge sind es, die Andreas Claus in Angriff genommen hat:
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1. Strukturen reformieren
„Wir haben schon vor sechs Jahren angefangen, die gesamten Organisations- und Ablaufstrukturen in Frage zu stellen und haben Strukturen geschaffen, die weg von kleinteiligen Systemen hin zu übergeordneten Strukturen geführt haben. Strukturen, die transparent und einfach sind. Wo wir nicht mehr Objektbezogen sondern Qualifikationsbezogen die Abläufe und Arbeit organisieren. Das war eine ganz entscheidende Änderung.“ Wie die Strukturreformen konkret aussehen können, möchte Andreas Claus vorerst nicht verraten.
2. Flexibilisierung der Arbeitszeiten in der Pflege
„Wir haben die Arbeitszeiten und Schichtsysteme flexibilisiert und neue Vertretungsregelungen geschaffen. Und das in allen Bereichen und Standorten überlappend organisiert. Dazu dann die arbeitsvertragsrechtlichen Regularien angepasst, um Kapazitätsausweitungen möglich zu machen. Abrufarbeit nennen wir das. Von Vorteil ist natürlich, dass wir mit rund 400 Beschäftigten, derart flexible und dadurch auch individuelle Arbeitszeitmodelle anbieten können.“
3. Finanzielle Anreize für flexible Pflegekräfte
„Natürlich werden unsere Mitarbeitenden nicht auf bestimmte Modelle zwangsverpflichtet. Ein Teil will das nicht, aber anderer Teil findet das spannend und hat Lust auf flexible Arbeitsmodelle. Natürlich haben wir auch ein zeitliches und finanzielles Anreizsystem geschaffen. Nur: Das ist um den Faktor sechs oder sieben günstiger als jede Leiharbeit.“
4. Der Geschäftsführer als Trainer, der Teamgeist kreiert
„Ich nehme immer gerne das Beispiel aus dem Sport: Wenn man als Mannschaft zusammen auftritt, dann hilft man sich auch gegenseitig. Da steht man zueinander, da feiert man zusammen Siege und manchmal verliert man auch gemeinsam. Wenn jemand ausfällt, dann steht jemand aus unserer Mannschaft da. Als Geschäftsführer ist man ja so eine Art Trainer, der dafür sorgen muss, dass das Team zusammensteht. Dieses Zusammengehörigkeitsgefühl muss man wecken. Und da spielt Respekt voreinander und Wertschätzung die entscheidende Rolle.“
Unabhängig von den finanziellen Risiken und Belastungen, die die Zeitarbeit gerade in der Pflege mit sich bringt, ärgern Andreas Claus die Argumentationsketten der Zeitarbeitsfirmen: „Zeitarbeit hat in vielen privaten Branchen seine Berechtigung. Aber nicht in der Gesundheitsbranche. Hier ist aus guten Gründen die private Marktwirtschaft begrenzt. Da kann es nicht sein, dass unsere Fachkräfte mit Lockangeboten abgeworben werden, um sie uns dann teurer wieder zur Verfügung zu stellen. Die Zeitarbeitsfirmen argumentieren sie würden mit ihren Angeboten uns was Gutes tun, weil es an Personal mangelt. Das Gegenteil trifft zu: Der Mangel wird ja erst durch die Zeitarbeitsfirmen mit geschaffen.“
Autor: Hans-Georg Sausse