Ruhe bewahren, überlegen, Schlüsse ziehen – wer das beherrscht, hat gute Voraussetzungen für die Prüfungen. 
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Ruhe bewahren, überlegen, Schlüsse ziehen – wer das beherrscht, hat gute Voraussetzungen für die Prüfungen. 

Worauf es beim Pflege-Examen ankommt

Fakten, Fakten, Fakten büffeln? Nein, heute sind in der Prüfung ganz andere Dinge gefragt. Schlütersche-Autorin und Pflegewissenschaftlerin Jacqueline Stiehl gibt im Interview Tipps für die Vorbereitung  

Jacqueline Stiehl ist Autorin des Schlütersche-Bestsellers „Prüfungsvorbereitung in der Pflege“. In ihrem Buch präsentiert die examinierte Krankenschwester und Diplom Pflege- und Gesundheitswissenschaftlerin typische Prüfungsfragen und Fallbeispiele.

pflegen-online: Frau Stiehl, wie ist Ihr Examen abgelaufen?

Jacqueline Stiehl: Ich habe 1995 mein Examen in der Berufsfachschule für Krankenpflege am Stätischen Klinikum St. Georg in Leipzig abgelegt. Wir hatten damals drei schriftliche und zwei praktische Prüfungstage. Die schriftlichen Prüfungen erstreckten sich über jeweils 120 Minuten. In den schriftlichen Prüfungen ging es um Anatomie, Krankheitslehre, Krankenpflege, aber auch um Themen wie Gesetzeskunde, berufliche Selbstverständnis und Umwelthygiene.

Die praktische Prüfung fand an zwei Tagen statt. Ich bekam vier Patientinnen zugeteilt, bei denen ich beispielsweise Grundpflege, Medikation, Injektion, Redondrainagen ziehen, Blutentnahme und Dokumentation durchgeführt habe.

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Und die mündlichen Prüfungen?

Die waren schon herausfordernd: Die drei mündlichen Prüfungen zu Chirurgie, Innere Medizin, Pädiatrie, Gynäkologie, Krankenpflege, Hygiene und Geschichte der Pflege fanden alle an einem Tag statt. Manches war übrigens schon recht bizarr: Wir haben in der mündlichen Prüfung zu viert, vor den Prüferinnen und Prüfern gestanden und hofften auf gute Fragen. Dann ging es los: Der erste Prüfling erhielt seine Frage, wusste er keine Antwort, musste der Nächste in der Reihe einspringen.

Es waren damals auch noch viele Ärzte unter den Prüfern, ein Dr. Fleisch zum Beispiel hat uns in Chirurgie geprüft. Fächer gibt es ja schon lange nicht mehr.

Ich war erleichtert und froh, als ich meine Prüfungsergebnisse erhielt, da ich bereits einen Arbeitsvertrag auf der Intensivstation hatte.

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Aber war der Prüfungsstoff damals nicht kalkulierbarer? Jetzt in der Generalistik lernen die Auszubildenden exemplarisch und fallbezogen, sagen Pflegepädagoginnen und Pflegepädagogen. Muss eine Auszubildende dann nicht befürchten, in der Prüfung zur Niereninsuffizienz befragt zu werden, auch wenn sie sich im Unterricht vor allem mit Herzinsuffizienz beschäftigt hat?

Die Ausbildung ist insgesamt gar nicht mehr so sehr auf Krankheitslehre fixiert. Es geht wirklich viel mehr darum, sich von den Pflegeempfängerinnen und Pflegeempfängern ein Bild zu machen, genau zu schauen und herzuleiten. Ich sage den Auszubildenden immer, wenn sie in der Prüfung Fragen zu einem bestimmen Fall beantworten sollen: Überlegt euch, ob ihr Pflegeempfängerinnen und Pflegeempfänger gepflegt habt, die diesem Fall ähneln: Die Pflegeempfängerin, der Pflegeempfänger ist ganz rot im Gesicht. Wie war das denn bei den Pflegeempfängerinnen mit denen ihr bisher zu tun hattet? Was kann die Röte bedeuten? Wie war die Atmung? Wie äußerte sich die Patientin oder der Bewohner? Um welches Setting geht es in dem Prüfungsfall? Ist die Pflegeempfängerin -empfänger hochbetagt? Ist es ein Kind? Ein Erwachsener um die 50?

Da geht es darum, Transferleitungen zu bringen. Und dabei ist es enorm hilfreich zu visualisieren: Sich den Fall wirklich auszumalen und abzugleichen, mit dem was man gelernt und gesehen hat. In Bildern lernen und denken – so könnte man es vielleicht gut zusammenfassen.

Trotzdem muss ich als Auszubildende konkret lernen, mich vorbereiten – was kann ich tun, damit ich zumindest eine gute Ausgangsbasis für Transferleistungen habe?

Ja, klar, die Basics müssen sitzen, die habe ich ziemlich umfassend auch im ersten Teil meines Buchs dargestellt. Ich würde auch immer empfehlen, ganz genau hinzuhören, was die Lehrerinnen und Lehrer in den Konsultationen erzählen. Was sagen sie über die Prüfung, vor allem aber: Gibt es bestimmte Dinge, die die Lehrerinnen mehrfach wiederholen? Das kann dafür sprechen, dass sie auch in den Prüfungen Thema sein können. Da heißt es dann, diese Fakten und Zusammenhänge richtig gut zu lernen.

Wichtig ist in diesem Zusammenhang natürlich auch, keine der Unterrichtseinheiten zu den Prüfungsvorbereitungen zu verpassen. Die sind ohnehin Pflicht und es wäre auch schade, kurz vor dem Examen die zulässigen Fehlzeiten zu überschreiten.

Und was können Sie für die mündlichen Prüfungen empfehlen?

In Brandenburg geht es um eine Fallsituation. Auf die kann man sich wirklich gut vorbereiten. In der Prüfung kommt es darauf an zu zeigen, dass man reflektieren kann – das ist wichtiger, als automatenhaft alles runter zu rattern.

Und was können Sie für die praktische Prüfung empfehlen?

Ich empfehle im Vorfeld nicht nur die praktischen Tätigkeiten zu üben, sondern auch die Fallvorstellung und das Reflexionsgespräch.

Im Reflexionsgespräch soll die geplante und tatsächlich durchgeführte Pflege erläutert und begründet werden. Es geht gar nicht so sehr darum, alles nach Lehrbuch zu erledigen, es geht darum zu wissen, was im Lehrbuch steht und das auf die individuellen Pflegeempfängerinnen zu übertragen. Man kann auch Dinge anders machen, als der Standard es vorsieht – man muss es nur begründen können. Beispielsweise, warum man zum Beispiel bei der pflegerischen Versorgung auf diese und jene Prophylaxe verzichtet hat.

Auf das Reflexionsgespräch können sich die Auzubildenden vorbereiten, indem sie sich über verschiedene Aspekte Gedanken machen: zum Beispiel über den Pflegeplan, einzelne pflegerische Handlungen und auch über ihre Gefühle und Haltung während der Prüfung.

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Das Examen klingt insgesamt anspruchsvoll. Was kann man tun, um nicht zu aufgeregt zu sein oder gar Prüfungsangst zu entwickeln?

Ich muss gestehen, dass ich damals vor meinem Examen in der Hinsicht einiges falsch gemacht habe. Mir war noch nicht bewusst, wie wichtig Ausgleich und Entspannung sind. Ich habe sehr viel gelernt, ohne regelmäßige Pausen einzulegen. Sportliche Aktivitäten kamen in der Prüfungsphase viel zu kurz. Bewegung, Entspannung und gesunde Ernährung sind enorm wichtig.

Ich möchte betonen, wie enorm wichtig es ist, sich einen schriftlichen Lernplan zu machen. So ist gewährleistet, dass man alle wichtigen Themen lernt. Das wiederum beruhigt, verleiht Sicherheit – zumal es angenehm ist, wenn man sich morgens an den Schreibtisch setzt und sofort weiß, wo man weitermachen kann.

Schließlich ist auch eine gewisse Lässigkeit  gefragt: Mut zur Lücke – das ist immer noch mein Credo – die Lücke darf nur nicht so groß sein.

Interview: Kirsten Gaede

Über Jacqueline Stiehl

Die Autorin des Bestsellers „Prüfungsvorbereitung in der Pflege“ ist examinierte Krankenschwester und Diplom Pflege- und Gesundheitswissenschaftlerin. Die 52-Jährige arbeitet seit 20 Jahre in der Aus-, Fort- und Weiterbildung. Ab April ist sie im Ausbildungszentrum Gesundheit und Pflege Havelland GmbH (AGP) beschäftigt.

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