Der Artikel erschien zuerst am 2. September 2019 und wurde am 13. Juli 2022 aktualisiert.
„Den Morgenmantel können Sie zu Hause lassen. Bringen Sie bitte einen Jogginganzug mit.“ Das bekommen die Klienten von Domino-World vor dem Einzug beschieden. Der private Träger betreibt mit 850 Mitarbeitern (jährlicher Umsatz: 45 Millionen Euro) Pflegeheime und ambulante Dienste im Großraum Berlin. Sein Konzept: die Bewohner und Klienten wieder so fit wie möglich zu machen. „Wir bieten eine Rehabilitation light mit dem Geld einer Pflegeeinrichtung“, sagt Vorstand Lutz Karnauchow. Um bundesweit Kooperationen zu fördern, hat sich jetzt die gemeinnützige Domino-Coaching Stiftung gegründet. „Wir kämpfen damit für ein neues Bild vom Alter: Auch hochbetagte und pflegebedürftige Menschen können wieder auf die Beine kommen“, so Karnauchow, der auch Vorstandsvorsitzender der Stiftung ist.
Täglich eine Stunde Sport für alle Bewohner
Jeder Bewohner erhält pro Tag mindestens eine Stunde Reha, als Einzel- und Gruppentraining, sei es Quigong, Kraft- oder Zirkeltraining an Geräten. Sprossenwand, Crosstrainer, Beinpresse oder Laufband: Alle drei Heime von Domino-World sind jeweils mit einem oder mehreren Fitnessstudios ausgestattet. Außerdem können Bewohnerinnen und Bewohner nötiges Sportgerät wie Hanteln und Bohnensäckchen mit auf das Zimmer nehmen. Eine Mobilisation bei der morgendlichen Toilette sei selbstverständlich, sagt Karnauchow. Physiotherapeutische Methoden werden auch in der Ausbildung zum sogenannten Domino-Coach (siehe auch Absatz ganz unten) unterrichtet. Festangestellte Physiotherapeuten und Fitnesstrainerinnen arbeiten ergänzend mit den Klienten.
Sportpsychologie spielt eine große Rolle
Bei Einzug oder Aufnahme sprechen die Klienten mit einem Mitarbeiter - ihrem persönlichen Domino-Coach - darüber, was sie erreichen möchten: wieder gehen, wieder Treppensteigen können, mit Freundinnen ein Café besuchen - oder, oder … Zudem visualisieren die Klienten ihren Wunsch. Sie malen Bilder, machen eine Collage. Das Ergebnis wird im Zimmer platziert, zur steten Erinnerung. „In unserem Konzept bedienen wir uns durchaus sportpsychologischer Erkenntnisse“, sagt Karnauchow. Frei nach Boris Becker: Das Spiel wird im Kopf entschieden. „Wir gehen auch nur joggen, weil wir uns etwas davon versprechen.“ Oder anders ausgedrückt: Ohne Motivation kein Reha-Erfolg. Deshalb gibt es Aktivpunkte für Trainingsfortschritte, und deshalb publiziert Domino World einmal im Jahr kleine Erfolgsgeschichten. Auch findet jeden Sommer ein Sportfest im Garten statt, mit Stationen wie „Bälle-Fischen“, Kegeln, Dart oder Dosenwerfen, samt offizieller Preisverleihung.
Warum Domino World der Personalmangel weniger stark trifft
Wie kann Domino-World sich den Aufwand leisten? „Wir haben nicht mehr Personal als andere Einrichtungen“, sagt Karnauchow. „Wir haben aber einen niedrigen Krankenstand und eine geringe Fluktuation.“ Auch arbeiteten sie seit Jahren nicht mehr mit Leihkräften, hätten selten freie Stellen. Laut Vorstand versucht die Einrichtung „wirklich alle Wünsche bei der Gestaltung des Arbeitsvertrags und Arbeitsmodells zu erfüllen. Aber natürlich arbeiten auch wir ganz normal im 3-Schicht-System“. Was Karnauchow an dieser Stelle nicht erwähnt: Domino-World hat jahrelang bei Great-Place-to-Work mitgemacht und Preise in unterschiedlichen Kategorien gewonnen.
Als Domino-World das Coaching vor 22 Jahren einführte, fragten die damaligen Mitarbeiter den Vorstand: „Seid Ihr verrückt? Wie soll das denn gehen?“ Doch es geht: Bewohner kommen aus dem Bett, Pflegegrade sinken. Im Jahr 2021 konnten sogar 17 Bewohner aus den Heimen von Domino-World ausziehen, 2022 werden es voraussichtlich 30 sein .Und ja: „Natürlich müssen wir alle Zeitressourcen, die wir haben, nutzen“, sagt Karnauchow, „aber verrückterweise bekommen wir das hin.“
So funktioniert die Ausbildung zum Domino-Coach
Alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter – Pflegefach-, Pflegehilfs- und auch Betreuungskräfte – werden als Domono-Coach ausgebildet. In einer halbjährigen intensiven Schulung erwerben sie
- psychologische Kenntnisse und Fähigkeiten (wichtig für den therapeutischen Kommunikations- und Beziehungsprozess),
- Kenntnisse, um geriatrische Reha-Prozesse planen und umsetzen zu können.
Die Ausbildung schließt mit einer Prüfung ab. Ein Coach ist für circa sieben Klienten zuständig – und zwar im Sinne eines Personal Trainers. Für die Coaches gibt es mehrmals im Monat auch Supervision, um sie bei der Betreuung von nur schwer zu motivierenden Bewohnerinnen und Bewohnern zu unterstützen.
Autorin: Sabine Josten