Elke Stellmann konnte von ihrem Vater nicht mehr richtig Abschied nehmen.  
Foto: privat/Canva
Elke Stellmann konnte von ihrem Vater in der Corona-Pandemie nicht mehr richtig Abschied nehmen.  

Sterbebegleitung

Wie Pflegekräfte einer Tochter Trost spendeten 

Elke Stellmanns Vater kam im Frühjahr 2020 während des Besuchsverbots auf Intensivstation. Hier erzählt sie, was ihr geholfen hat, die Situation zu ertragen

Mein Vater war mit seinen 82 Jahren ein lebenslustiger, recht fitter Herr. Er wohnte bei uns in Bremen um die Ecke und fuhr noch oft mit seinem Fahrrad in Bremen umher. Dann bekam er Herzprobleme und musste im Herbst 2019 ins Krankenhaus. Es begann eine Abwärtsspirale – mit Sturz, Infektion mit einem Krankenhausheim und einer Sepsis wegen eines Blasenkatheters, den man im Krankenhaus gelegt hatte.

Nach einem Monat in der Kurzzeitpflege fanden wir Anfang Februar 2020 ein Zimmer in einem Altenheim für ihn. Einen Monat später gab es den ersten Corona-Fall in Bremen, am 26. März 2020 den ersten Todesfall in einem Pflegeheim. Ab dem 16. März ließ das Heim meines Vaters keine Besucher mehr ins Haus. Danach habe ich ihn nicht mehr lebend gesehen.

Es gab viel Mitgefühl auf der Intensivstation

Ich erinnere mich an die unübersichtliche Lage in diesen Tagen. Alle waren überfordert und tasteten sich hilflos an die neue Situation heran. Wir durften nur noch Sachen für meinen Vater abgeben und mit ihm telefonieren. Als er wegen einer Verschlechterung seiner Situation ins Krankenhaus sollte, kam wegen Corona zunächst kein Krankenwagen. Erst als es ihm weiterhin schlecht ging, hat man ihn dann am 2. April ins Krankenhaus gebracht. Dort wurde er (negativ) auf Corona getestet und ins künstliche Koma versetzt.

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Vom Heim waren wir informiert worden, dass mein Vater im Krankenhaus ist. Es dauerte einen ganzen Tag, bis wir dort jemanden sprechen konnten. Doch an den nun folgenden 16 Tagen habe ich jeden Tag mit der Intensivstation telefoniert. Und so schwer und hoffnungslos ich mich vor diesen Gesprächen oft gefühlt habe, weil eigentlich klar war, dass ich wieder nur eine negative Nachricht erhalten würde, dass es ihm schon wieder schlechter geht – ich habe diese Gespräche in sehr guter Erinnerung.

Als wir meinen Vater endlich sahen, konnten wir es nicht ertragen

An allen 16 Tagen habe ich mit Menschen gesprochen, die sich Zeit für mich genommen haben. Es war spürbar, wie belastend die Situation auch für das Klinikpersonal war. Genau zu der Zeit starben in dem Krankenhaus die ersten Patienten an Covid. Und obwohl sie mir immer wieder sagen mussten, dass wir nicht zu meinem Vater dürfen, hatte ich das Gefühl großer Nähe. Es gab sehr viel Mitgefühl, geteiltes Leid und Freundlichkeit in diesen Gesprächen.

Erst am Sterbetag meines Vaters durften meine Schwester und ich ins Krankenhaus, wir mussten zunächst in einen Isolationsraum und uns dann in Schutzmontur einkleiden. Dann sind wir in diesem Raum. Und das war sehr schwierig. 16 Tage unter künstlicher Beatmung hatten ihn komplett verändert. Darauf waren wir nicht vorbereitet. Meine Schwester und ich kommen nicht aus irgendwelchen medizinischen Berufen. Hätten wir ihn jeden Tag gesehen, wären wir vielleicht reingewachsen in diesen Prozess, die Veränderung. Doch diese gemeinsame Zeit hatten wir leider nicht. Wir konnten es kaum ertragen, ihn so zu sehen und sind nach wenigen Sekunden wieder aus dem Raum gerannt.

16 Telefonate an 16 Tagen haben mir geholfen, Abschied zu nehmen   

Zum Glück hat sich das letzte Bild nicht in die Erinnerung eingebrannt. Ich habe meinen Vater anders vor Augen, wenn ich heute an ihn denke. Es ist auch in Ordnung, dass wir noch einmal im Krankenhaus bei ihm waren, aber zum Abschiednehmen war dieser Moment für uns nicht geeignet. Wichtiger waren die 16 Tage, die 16 Telefonate mit den Mitarbeitenden von der Intensivstation und die Gespräche, die wir im Familienkreis anschließend führten. Durch sie war es möglich, Schritt für Schritt anzunehmen, dass mein Vater sterben wird – in dieser schrecklichen Zeit. Es hat mir geholfen, Abschied zu nehmen, weil die Menschen so freundlich und mitfühlend waren und so gut mit mir kommuniziert haben. Dafür fühle ich bis heute eine große Dankbarkeit.

Protokoll: Kirsten Wenzel

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