Der Artikel „Kühlwesten im Ausland sehr beliebt – und hier?“ erschien zuerst am 12. Juli 2022 und wurde am 7. Juli 2023 aktualisiert.
Wer weiß: Vielleicht machen Pflegekräfte die Wahl ihres Arbeitgebers bald auch vom Hitzeschutz abhängig. Auszuschließen ist das nicht: Schon in der legendären Next-Studie, die in zehn europäischen Ländern nach den Gründen des vorzeitigen Ausstiegs aus dem Pflegeberuf fragte, war Hitze ein prominentes Thema. Bis zu 50 Prozent der befragten Pflegekräfte gab damals in den frühen 2000er Jahren an, unter den erschwerten Arbeitsbedingungen während der Hitzeperioden zu leiden. Heute, da Tagestemperaturen im Sommer immer häufiger weit über 30 Grad liegen, dürfte das Umfrageergebnis noch extremer ausfallen.
In Holland gibt es in 70 Kliniken und Heimen Kühlwesten
Trotzdem passiert in deutschen Pflegeheimen – und auch in vielen Krankenhäusern – wenig. Die Schweiz und die Niederlande sind dagegen einen Schritt voraus. In der Schweiz haben die ersten Krankenhäuser und Pflegeheime schon 2019 Kühlwesten eingesetzt, damit waren sie gut vorbereitet auf die verschärften Bedingungen in der Corona-Pandemie. Damals noch unter der PSA, nun unter OP-Kleidung, aber auch über dem Kasack, sorgt eine Kühlweste für eine angenehmere Körpertemperatur und vermindert Konzentrations- und Energieverlust, wie eine Studie der Universität Graz von 2021 zeigt.
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Das deutsche Unternehmen E.Cooline bestätigt das Ergebnis mit Verweis auf Tests in Zusammenarbeit mit Kliniken in Österreich, in der Schweiz und auch in Deutschland: Die Ergebnisse für Kühl-Produkte unter Arbeitsbedingungen seien eindeutig, sagt Gabriele Renner von E.Cooline: Mit Kühlwesten verbesserten sind in der Hitze Konzentration und Leistungsfähigkeit.
Kühlweste nur eine Randnotiz in der Hitzeschutz-Broschüre
Auch in Holland liegen, neben den üblichen Hitzeschutzmaßnahmen, Kühlwesten und speziell "Coolover-Westen" im Trend. In den Niederlanden sind sie in 70 Krankenhäusern und Pflegeheimen im Einsatz, sagt Eric Pellis vom niederländischen Kühlwesten-Unternehmens Inuteq. Tendenz steigend.
In Deutschland sind Kühlwesten auch nicht ganz unbekannt: Pflegekräfte setzen sie gelegentlich bei Patienten mit Parkinson oder Multipler Sklerose ein, weil deren Symptome sich bei Hitze verschlimmern. Dass Pflegekräfte sie auch selbst tragen können, scheint sich aber noch nicht sehr rumgesprochen zu haben. Das zeigt sich auch daran, dass Hitzeschutz-Broschüren wie die der Ludwig-Maximilians-Universität München (LMU) sie nur am Rande erwähnen.
Konzentrierter durch Kühlwesten
Allerdings: Auch in Deutschland haben einige Krankenhäuser inzwischen Kühlwesten für ihre Pflegekräfte eingekauft – in München und Nürnberg etwa. Insgesamt sei die Nachfrage aus den Kliniken aber gering verglichen mit der Industrie: Hier steige die Nachfrage seit 2022 deutlich, berichtet Gabriele Renner. In den Krankenhäuser wartete das Management offenbar auf den Einbau von Klimaanlagen – das sei aber wenig klimafreundlich und obendrein teurer.
Woher die Zurückhaltung in Deutschland sonst noch rühren könnte? Aus einer Klinik ist zu hören, dass die Pflegekräfte nicht vollständig überzeugt waren von der Kühlung über Verdunstungskälte.
So funktionieren Kühlwesten und Kühlshirts
Tatsächlich basieren Kühlwesten auf Verdunstungstechnologie. Zur Aktivierung einer Weste wird nur eine geringe Menge an Wasser benötigt (circa 500 ml), um eine Kühlung von 8 Stunden bis zu 3 Tagen sicherzustellen (abhängig von der tatsächlichen Temperatur und der Luftfeuchtigkeit). Dabei aktiviert sich die Weste einfach durch das Befüllen mit Wasser. Das muss dann gleichmäßig verteilt und überschüssiges Wasser und Luft herausgedrückt werden. Der Kühlprozess beginnt unmittelbar danach. Ein Herunterkühlen von 5 bis zu 15 Grad Celsius unter die Umgebungstemperatur ist möglich. In jedem Fall gilt: Je niedriger die Luftfeuchtigkeit und je größer der Luftstrom, desto höher ist der Kühleffekt. Die Kühlwesten können über und unter dem Kasack getragen werden.
Auch Kühlshirts werden mit Wasser vorbereitet: Den oberen Bereich des Shirts (meist etwas wattiert) an Vorder- und Rückseite nass machen, überschüssiges Wasser leicht ausdrücken, die Weste auf ein Handtuch legen und kurz einrollen. Danach die Weste einige Sekunden trocknen lassen (das Obermaterial trocknet sofort) und die Weste ist einsatzbereit. Die Kühlungsintensität liegt bei bis zu 660 Watt über mehrere Stunden. Der Aktivierungsvorgang lässt sich jederzeit wiederholen.
Die meisten Kühlwesten müssen vorher nicht gekühlt werden
Das Unternehmen Inouteq bietet außerdem spezielle Coolover-Westen an. Sie wurden ursprünglich für Eliteathleten entwickelt, die bei hohen Temperaturen Höchstleistungen erbringen müssen. Die medizinische Kühlweste kann auf 21 Grad herunter kühlen und hält für circa 3,5 Stunden. Anders als die anderen Kühlwesten muss diese vorher ins Eiswasser, ins Gefrierfach oder den Kühlschrank gelegt werden, bis sie fest ist. Die Kühlshirts kosten ca. 60 Euro, es gibt aber auch Kühlwesten für 130 Euro aufwärts.
Neben Kühlwesten können Pflegekräfte auch auf weitere Kühl-Funktionskleidung und Zubehör zurückgreifen: Kühlende Kopfbedeckungen und Halstücher und auch Pulskühler (in der Pause) bringen Erleichterung in einen heißen Arbeitstag.
Autorinnen: Nina Sickinger/kig
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