Lange bevor die NSA-Enthüllungen veröffentlicht wurden und der Begriff "Whistleblowing" in aller Munde war, gab es eine Berliner Altenpflegerin, die 2005 bundesweit für Aufsehen sorgte: Brigitte Heinisch berichtete unter anderem von Überforderung und Abrechnungsbetrug in ihrer Einrichtung. Vor deutschen Gerichten blitzte sie ab, erst der Weg vor das Europäische Gericht für Menschenrechte brachte den späten Erfolg für die Whistleblowerin.
"Beteiligte schweigen häufig aus Angst oder auch Unwissenheit. Durch mangelnde gesetzliche Regelung werden Whistleblowerfälle nämlich von Arbeitsgerichten entschieden – und zwar höchst unterschiedlich. Es besteht also ein hohes Risiko für Arbeitnehmer, die ihrem Arbeitgeber durch Bekanntmachen von Interna schaden", schreibt der Journalist und Blogger Martin Pieck im neuen Magazin PFLEGEKAMMER, der Pflegekammer Rheinland-Pfalz.
Einfach sei es für Pflegekräfte nicht, den Arbeitgeber anzuzeigen. Manchmal aber unumgänglich. Beispielsweise, wenn ungelernte Helfer mit Pflegeaufgaben beauftragt werden, um sie dann durch falsche Dokumentationen zu verschleiern. Oder wenn Dienstpläne gefälscht werden, um die Personalbemessung im Kontrollfall zu beschönigen.
Treffen vor dem Arbeitsgericht
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"Völlig hilflos sind Pflegefachpersonen aber nicht", schreibt Martine Pieck. Aber es gelte, gewisse Eskalationsstufen einzuhalten. Der erste Weg muss laut Deutschen Berufsverband für Pflegeberufe (DBfK) immer über den direkten Vorgesetzten gehen. Erst wenn dieser nachweislich nicht handelt und Probleme zeitnah angeht, sei der nächste Schritt ratsam. "Unabhängig davon ist der Betriebsrat gleichwohl immer ein sinnvoller Ansprechpartner", rät Martin Pieck im Magazin PFLEGEKAMMER. Erst in letzter Konsequenz ist es sinnvoll, Unregelmäßigkeiten anzuzeigen.
Hilfe im Unternehmen
Mittlerweile hätten aber auch einige Kommunen und Unternehmen Stellen eingerichtet, die Hinweisgebern als Anlaufpunkt dienen sollen. So hat etwa das Deutsche Rote Kreuz schon 2008 einen Ombudsmann abgestellt, der als unabhängige Instanz auf Verdachtsfälle von „Korruption, Vorteilnahme und andere schädigende Handlungen“ reagiert, sagt Pressesprecher Dr. Dieter Schütz.
Auch die Caritas ermutigt ihre Mitarbeiter, Verdachtsfälle aktiv an Vorgesetzte oder Ombudspersonen zu melden. Die AWO nutzt seit sechs Jahren ein bundesweites System, das auch anonyme Meldungen von Missständen möglich macht. Pressesprecherin Mona Finder erläutert: „Die Anzahl der jährlich beim AWO Bundesverband eingehenden Beschwerden liegt im Durchschnitt bei rund einhundert. Davon war in der Vergangenheit ein einstelliger Prozentanteil als schwerwiegend einzustufen.“ Den Erfolg der Maßnahme könne man daran erkennen, dass gemeldete Fälle nach Bearbeitung immer seltener neue Beschwerden nach sich ziehen.
Autor: Martin Pieck/kw
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