[Das Interview erschien zuerst im Magazin der Pflegekammer Rheinland-Pfalz]
Sicher, man hat schon von Ärztinnen und Ärzten gehört, die sich Röntgen- und MRT-Bilder über WhatsApp schicken. Das hat manchem Klinik-IT-Beauftragten fast einen Herzinfarkt gekostet. Aber nur weil Pflegekräfte sich vermutlich weniger Heikles über WhatsApp senden, hießt es nicht, dass diser Messerngerdienst in der Pflege unbedenklich ist. Auch wenn in Deutschland 58 Millionen Privatleute WhatsApp nutzen – und rund 3 Millionen Unternehmen die Business-Version: Es ist nicht klug, WhatsApp blindlings zu vertrauen?
Alle Daten im Adressbuch gehen an WhatsApp
WhatsApp ist seit 2014 Teil des Unternehmenskomplexes um den US-Anbieter Facebook, den Kritiker als „Datenkrake“ bezeichnen. Daten- und Verbraucherschützer führen eine ganze Reihe von Kritikpunkten gegen WhatsApp ins Feld: In regelmäßigen Abständen wird das vollständige Adressbuch des Nutzers an die amerikanischen Server von WhatsApp Inc. weitergeleitet. WhatsApp bekommt also nicht nur die eigenen Daten (Name, Telefonnummer, Standort), sondern auch die aller Kontakte im Adressbuch – selbst wenn diese die App nicht installiert haben und auch nicht wollen, dass WhatsApp ihre Daten bekommt. „WhatsApp kann trotz der Ende-zu-Ende-Verschlüsselung sehen, wer wann mit wem kommuniziert“, heißt es bei den Datenschutzbehörden. Forscher der US-Universität Stanford hätten in einer Studie „Erschreckendes festgestellt: Die vermeintlich unwichtigen Verbindungsdaten geben Geheimnisse preis, die man selbst seinen besten Freunden kaum anvertrauen möchte.“
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Nutzer verstoßen schnell gegen Datenschutz
„Sicher ist es verlockend, auch im pflegerischen Bereich WhatsApp zur Kommunikation einzusetzen – betriebsintern, mit Patienten, aber auch mit Leistungserbringern wie Ärzten oder Apothekern“, sagt Clara Bettinger, zertifizierte Datenschutzbeauftragte (TÜV) bei der Unternehmensberatung Datenschutzexperte.de. Aber speziell im Gesundheitsbereich seien die Daten besonders sensibel und schützenswert. „Ich rate meinen Kunden davon ab, WhatsApp im beruflichen Kontext einzusetzen“, sagt Bettinger. Selbst die bloße Abstimmung beim Dienstplan sei keineswegs harmlos. Schon hier kämen Mengen an personenbezogenen Daten, die vom Betreiber, aber auch von mit ihm verbundenen Unternehmen ausgewertet werden könnten. „Wird WhatsApp geschäftlich und damit etwa auch im Bereich Pflege eingesetzt und werden solche Kontaktdaten ohne Einwilligung der Betroffenen in die USA übermittelt, ist das ein ganz klarer Datenschutzverstoß“, sagt Helmut Eiermann, stellvertretender Datenschutzbeauftragter im Land Rheinland-Pfalz.
Anbieter wählen, der die WhatsApp-Probleme nicht hat
Grundsätzlich stehen aber weder der Datenschutzbeauftragte Eiermann noch Datenschutzberaterin Bettinger auf dem Standpunkt, Messengerdienste seien Teufelszeug. „Wenn eine Pflegeeinrichtung sagt: Wir brauchen einen Messenger für eine unmittelbare und schnelle Kommunikation, dann ist man hier eigentlich frei in der Wahl“, sagt Eiermann. „Nur sollte man sich für einen Dienst entscheiden, der die WhatsApp-Probleme nicht hat“: für einen Anbieter innerhalb Europas, dessen Geschäftsmodell nicht darauf basiert, Kommunikations- oder Verbindungsdaten kommerziell auszuschlachten, und der europäischen Datenschutzstandards unterliegt. Bettinger formuliert Kriterien, die ein seriöser und für den Einsatz im Pflegebereich geeigneter Dienst erfüllen sollte:
5 Kriterien für die Auswahl seriöser Messengerdienste!
- Der Messengerdienst bietet die Möglichkeit, die Kontaktdaten der beruflichen Kommunikationsteilnehmer vom allgemeinen Adressbuch des Endgeräts getrennt zu speichern (Nachrichten und Dateianhänge ebenso).
- Der Messengerdienst sollte über eine Schnittstelle verfügen, um die Endgeräte in die IT der Pflegeeinrichtung einzubinden (Patientenakte).
- Der Anbieter muss gewährleisten, dass personenbezogene Daten, die eine Identifizierung der Betroffenen möglich machen, automatisch gelöscht werden, wenn ihre Speicherung nicht mehr nötig ist. In den Anwendungseinstellungen kann man Löschfristen festlegen.
- Ein diskreter Messenger bietet die Möglichkeit, bei Bild- und Videoaufnahmen Inhalte zu schwärzen oder Ausschnitte zu wählen. Nicht alle Inhalte sind für den Empfänger immer relevant – oder für ihn gedacht.
- Gemäß Artikel 28 der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) ist ein Arbeitgeber, der einen Messengerdienst betrieblich nutzen will, verpflichtet, einen „Auftragsverarbeitungsvertrag“ mit dem Anbieter zu schließen. Diese Option hätten viele Anbieter, sagt Bettinger. Bei WhatsApp aber existiere diese Option gar nicht.
Datenschützer empfehlen diese Alternativen
- Threema
- Ginlo
- Chiffry
- Hoccer
- Teamwire
- Pidging
- OTR
Weitere Hinweise zu WhatsApp und anderen Messengerdiensten
Landesbeauftragter für Datenschutz Rheinland-Pfalz:
Datenschutzbehörden der Länder:
Autor: Adalbert Zehnder