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Krisenmanagement

Wenn Pflegeheime einen Skandal befürchten

Glück im Unglück hat, wer gut vorbereitet ist. Was genau das bedeutet, erklärt Berater und Schlütersche-Autor Birger Schlürmann im Interview

Herr Schlürmann, der Umgang mit Beschwerden ist schon anspruchsvoll, verlangt feste Strukturen und Geschick. Was aber, wenn es um richtiges Krisenmanagement geht - wenn ein wirklich dramatischer Fehler passiert und ein Skandal zu befürchten ist?

Birger Schlürmann: Auch diesen Fall sollte man - wie eine Beschwerde - erst einmal umfassend intern klären – und sich selbst klarmachen, dass man Mist gebaut hat. Gegenüber einem Außenstehenden darf allerdings zu keiner Zeit ein Schuldeingeständnis abgegeben werden. Hier wäre vielmehr der Punkt erreicht, an dem man unbedingt juristischen Beistand benötigt. Im Gespräch mit dem eigenen Anwalt sollte zunächst die weitere Strategie entwickelt werden, ehe irgendetwas nach außen geht.

Wäre es aus Ihrer Sicht sinnvoll, eine PR-Agentur im Hintergrund zu haben, um auch mit Presseanfragen professionell umgehen zu können?

Ich würde grundsätzlich eher einen Juristen ins Boot holen. Ihn brauchen Sie selbst als kleines Unternehmen ohnehin. Er kann beispielsweise auch die Notfall-Verfahrensanweisung prüfen, die jedes Heim und jeder ambulante Dienst für den Krisenfall erstellen sollte. Und unbequeme Presseanfragen müssen immer Teil der Vorbereitung und der Anweisungen sein.

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Eine solche Verfahrensanweisung sollten aber auch alle Mitarbeiter kennen und mittragen. Aus diesem Grund sollte man sie am besten gemeinsam, mit dem gesamten Team erstellen. Das heißt, die Leitung setzt sich mit allen Mitarbeitern zwei Stunden zusammen und geht mit ihnen konkrete Situationen durch. Dass etwa der Investigativ-Journalist am Telefon ist und erklärt, welche furchtbaren Vorwürfe gegen Ihren Dienst oder Ihr Heim erhoben werden. Legen Sie fest, wie jeder zu reagieren hat. Schreiben Sie eine klare Befehlskette auf. Benennen Sie den verantwortlichen Ansprechpartner und eine Vertretung, wenn derjenige nicht im Haus ist. Lassen Sie alle aus dem Team an der Verfahrensanweisung mitarbeiten – so entsteht ja auch ein Gemeinschaftsgefühl. Um die Notfall-Regeln tiefer zu verankern, sollten Sie die Situationen auch ganz praktisch üben.

Wie kann das aussehen: die Krisen-Situationen praktisch üben?

Machen Sie Rollenspiele. Dafür überlegt sich die Pflegedienstleitung beispielsweise fünf richtig üble Situationen – gerade auch solche, in denen wirklich etwas komplett falsch gelaufen ist. Im Rollenspiel kann sie dann das Team durchspielen lassen, wie damit jeweils umgegangen werden soll.

Diese klaren Regeln sind die Grundvoraussetzung für eine gute Krisenkommunikation?

Das sollte man auf jeden Fall erarbeitet haben. Das Zweite ist aber: eine Fehlerkultur zu leben. Allen Mitarbeitern muss klar sein, dass Fehler sofort auf den Tisch gehören und dafür auch niemand hingerichtet wird. Denn das eine funktioniert nicht ohne das andere.

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Haben Sie zum Schluss noch einen ganz allgemeinen Tipp?

Ich würde als Heim oder Pflegedienst immer den Kontakt zur Lokalpresse halten. Wenn ich beispielsweise meine Flotte auf E-Autos umgestellt habe, kann das doch eine schöne Geschichte für den Lokalredakteur sein. Stimmt der Kontakt zur örtlichen Presse, muss ich ja auch insgesamt weniger Angst haben, dass Vorwürfe von außen sofort aufgegriffen werden.

Interview: lin

Lesen Sie auch den 1. Teil des Interviews mit Birger Schlürmann über Beschwerdemanagement.     

Über Birger Schlürmann

Der examinierte Altenpfleger arbeitet seit 30 Jahren in der Altenpflege bis hin zum Geschäftsführer schon jeden Job in der Branche übernommen. Heute ist der 50-Jährige als Coach für Leitungskräfte in der Pflege tätig sowie in der Unternehmensberatung mit Schwerpunkt auf den Themen Führung, Wirtschaftlichkeit, Personal- und Qualitätsmanagement. Von Birger Schlürmann sind im Schlütersche Verlag unter anderem erschienen Was die PDL wirklich braucht, Personalgewinnung für die ambulante Pflege und BWL für die PDL.

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Birger Schlürmann
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Birger Schlürmann

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