Es fing an mit einem Anlaufschmerz am Morgen. Die Ferse schmerzte und Antje-Katrin Gaede konnte kaum auftreten. Schlecht für die Anästhesie-Schwester, die in einem Bremer Krankenhaus im Klinikverbund Gesundheit-Nord arbeitet. „Ich habe mal mit einem Schrittzähler gemessen, dass ich ca. elf Kilometer pro Schicht laufe“, sagt sie.
Die Schmerzen wurden schlimmer, sie ging zum Arzt. das Röntgenbild zeigte einen Fersensporn. Die 55-Jährige kam mit einer Krankschreibung von fast vier Wochen nach Hause. Denn nur wenn der Fuß hoch gelegt wird, ruhen kann und gekühlt wird, lassen die Schmerzen allmählich nach.
Wie Fersenschmerzen entstehen (nicht durch Fersensporn!)
Viele Erwachsene haben einen Fersensporn, sprich, einen knöchernen Auswuchs an der unteren Seite des Fersenbeins. Doch Fersenschmerzen werden nicht durch den Fersensporn an sich hervorgerufen. „Mit ca. 80 Prozent ist die Plantarfasziitis die häufigste Differenzialdiagnose des Fersenschmerzes“, sagt Orthopädin Yvonne Kollrack, die in Berlin als medizinische Gutachterin für medizinjuristische Fragestellungen arbeitet. Die Plantarfaszie ist das Fußsohlenband, das von der Unterfläche des Fersenbeines als v-förmige Platte nach vorne zu den Mittelfußköpfchen läuft. Die Sehnenplatte verspannt das Längsgewölbe des Fußes. „Wird ein Schenkel des V mehr belastet als der andere, kommt es zu Stressreaktionen an der Ansatzstelle am Knochen“, erläutert Yvonne Kollrack, die ein ganzes Buch über Füße geschrieben hat: Warum wir unsere Füße auf Händen tragen sollten. Die vermehrte Druck- und Zugbelastung der Plantarfaszie kann dazu führen, dass sich ein Fersensporn bildet. Die Schmerzen werden aber durch die Entzündung in der Faszie hervorgerufen.
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Fälschlicherweise würden häufig die Begriffe Plantarfasziitis und Fersensporn bedeutungsgleich verwendet. Dabei wird der Kalksporn, der auf dem Röntgenbild zu sehen ist, als Ursache des Schmerzes angesehen. „Der Sporn entzündet sich nicht, sondern der Sehnenansatz, an der Stelle, wo ,zufällig’ oft auch ein Sporn zu sehen ist“, sagt Orthopädin Kollrack, die auch einen Ratgeber zum Thema geschrieben hat: Warum wir unsere Füße auf Händen tragen sollten. Auch die Größe eines Fersensporns lasse keinerlei Rückschlüsse auf eine Schmerzsymptomatik zu.
Risikofaktoren für Fersenschmerzen
Risikofaktoren sind:
- ein hoher Aktivitätslevel, wie etwa die belastende stehende und gehende Tätigkeit bei Pflegekräften
- schlecht sitzendes Schuhwerk, welches das Längsgewölbe nicht ausreichend stützt
- Schuhe, die wenig Dämpfen und kein Abrollen erlauben (wie die Schuhe, die aus hygienischen Gründen im OP getragen werden müssen)
- Alter: Betroffen sind meist Menschen zwischen 40 und 60 Jahren
- Übergewicht
- weibliches Geschlecht
Akuttherapie der Fersenschmerzen
Um die Schmerzen zu stillen, helfen kurzfristig:
- schmerzlindernde und entzündungshemmende Schmerzmittel wie Ibuprofen oder Diclofenac
- Cortison-Spritzen, um den ersten starken Schmerz abzufedern
- Füße hochlegen
- Abreiben mit Eis (oder Kältespray)
1. Tipp: Füße und Waden trainieren!
Da die Fersenschmerzen aber überwiegend auf Überlastung zurückzuführen sind, helfen langfristig Dehnungsübungen. „Nach Abklingen der akuten Beschwerden sind Dehnungsübungen der Wade und der Fußsohle entscheidend“, sagt Orthopädin Yvonne Kollrack. Dabei stehe die Dehnung des Fußsohlenbandes im Vordergrund. Übungen, die sich empfehlen:
- 8 bis 10 x am Tag für zehn Sekunden auf die Zehenspitzen und zurück
- den Fuß über eine Faszienrolle oder einen Tennisball rollen, um die Faszien zu dehnen
- den Vorfuß auf eine Stufe stellen und bei gestrecktem Knie die Fersen aktiv sinken lassen. Mindestens drei x 20 Dehnungen pro Seite.
- Massage: Fuß in die Hand nehmen und kneten, Zehen beugen und strecken
- Mit den Händen an der Wand abstützen, das Bein mit dem schmerzenden Fuß in den Ausfallschritt, Ferse auf den Boden. Das vordere Bein ist leicht angewinkelt.
Außerdem empfiehlt die Orthopädin elastische Tapes und vorgefertigte Einlegesohlen oder maßgefertigte Einlagen. „Dabei ist es wichtig, dass durch die Einlagen die Ferse an der Innenseite entlastet wird“, sagt Yvonne Kollrack. Auch Lagerungsschienen für die Nacht, welche die Unterseite des Fußes und die Wade dehnen, seien in Kombination mit Schuheinlagen und aktiven Dehnungsübungen sehr effektiv.
2. Tipp: geeignete Einlagen bei Fersenschmerzen
Und was ist bei Einlagen zu beachten? Seit 27 Jahren stehen gesunde Füße und Einlegesohlen im Fokus der Arbeit des Marco Vathke. „Zur ersten Hilfe und um die Ferse zu entspannen, empfehle ich Fersenkissen, die den schmerzhaften Bereich gezielt entlasten“, sagt der Orthopädieschuhtechniker aus Augsburg.
Kurzfristig könnten auch Einlagen mit einer kreisförmigen Aussparung im Fersenbereich benutzt werden. Für Füße mit Fersensporn hat er entlastende Einlegesohlen entwickelt, bei denen der Fuß im Fersenbereich weich aufliegt und bei jedem Schritt durch eine spezielle Mittelfußbrücke ausmassiert wird, wodurch die Faszien gelockert werden. „Gleichzeitig stärkt dieser leichte Brückenanstieg die kurze Fußmuskulatur“, sagt Marco Vathke. Dadurch würde auch das Längsgewölbe gestützt.
3. Tipp: die richtigen Schuhe für Pflegekräfte
Marco Vathke rät Menschen, die eine stehende oder laufende Tätigkeit ausüben, festes Schuhwerk zu tragen, das an der Ferse eng anliegt und den Zehen reichlich Platz bietet. „Die Sohlen sollten herausnehmbar sein, um Einlegesohlen verwenden zu können.“ Von Vorteil seien unterschiedlich ausgestattete Einlegesohlen, die regelmäßig gewechselt und gelüftet werden können. „Dadurch werden unterschiedliche Muskelpartien im Fuß angesprochen und der Fuß gedehnt und gestärkt.“ Auch Fußtraining gehöre dazu, um den Fuß gesund zu halten.
4. Arbeitsschuhe täglich wechseln!
Um Fußproblemen vorzubeugen rät Orthopädin Yvonne Kollrack Pflegekräften grundsätzlich, sich zwei Paar Arbeitsschuhe zuzulegen und sie im Wechsel zu tragen. So würden verschiedene Muskelgruppen stimuliert und einseitige Belastung vermieden. Auch könnten die Schuhe wechselweise auslüften.
Glück gehabt: Weg mit den harten OP-Schuhen
Antje-Katrin Gaede ist mittlerweile wieder schmerzfrei. Zur Akut-Behandlung bekam sie Cortison-Spritzen, durch die Krankschreibung hatte sie Zeit, ihren Fuß zu schonen und die Ferse zu kühlen. Nach dem Abklingen der Schmerzen hat sie regelmäßig ihren Fuß trainiert, ihn gestärkt und gedehnt. Durchschlagend jedoch war, dass sie im OP andere Arbeitsschuhe tragen durfte.
Nach Rücksprache mit dem Betriebsarzt erhielt sie die Sondergenehmigung, im OP geschlossene Schuhe tragen zu dürfen, in die sie Einlegesohlen legen kann. Die Schuhe hat sie selbst bezahlt. Ihre neuen Arbeitsschuhe sind weiß und aus glattem Leder. Sie haben eine Plastiksohle. Jeden Tag vor Dienstantritt muss sie sie per Hand desinfizieren. Ihren Fersensporn hat sie noch, aber keine Schmerzen mehr. Auch dank der neuen Schuhe. Ihre elf Kilometer pro Schicht läuft sie wieder mühelos.
Autorin: Dagmar Trüpschuch
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