Magdalena Fischill-Neudeck (li.) arbeitet im Bundesland Salzburg als Community Nurse. 
Foto: Gesundheitspflege Thalgau
Magdalena Fischill-Neudeck (li.) arbeitet im Bundesland Salzburg als Community Nurse. 

Beruf und Karriere

Was macht eigentlich eine Community Health Nurse?

Die Regierung verbindet große Hoffnungen mit der Community Health Nurse. Nur: Es gibt bisher kaum eine in Deutschland. Wir haben uns deshalb einmal angeschaut, was eine Community Nurse in Österreich macht

Manchmal fragen interessierte Klienten sie, was sie denn so mache. Magdalena Fischill-Neudeck sagt dann immer: „Ich kümmere mich darum, dass Sie so lange wie möglich gesund und gut zu Hause leben können.“ Genau das sieht sie als ihren Auftrag: die Lebensqualität, das Wohlbefinden und die Gesundheit der Menschen in ihrer Gemeinde zu fördern. Dazu berät sie ihre Klienten telefonisch und auch zu Hause. Manche sieht sie nur einmal, andere begleitet sie über einen längeren Zeitraum.

Mehr als 100 Community-Nurse-Pilotprojekte in Österreich

Magdalena Fischill-Neudeck (Foto li.) ist diplomierte Gesundheits- und Krankenpflegerin und hat einen Bachelor- und Masterabschluss in Pflegewissenschaft. Seit etwa einem Jahr ist die 33-Jährige als Community Nurse tätig. Zusammen mit einer Kollegin baut sie das neue Versorgungsangebot in der Gemeinde Thalgau im Bundesland Salzburg auf. Denn Österreich setzt auf Community Nursing. Die Europäische Union fördert aktuell mehr als 100 Pilotprojekte mit rund 54 Millionen Euro.

Das Ziel: die Gesundheitskompetenz zu stärken, insbesondere von älteren Menschen. Das ist das Oberthema aller Pilotprojekte, auch wenn die einzelnen Projekte – je nach Gemeinde und regionalem Bedarf – etwas unterschiedlich sind. „In unserem Projekt liegt der Fokus auf präventiven Hausbesuchen bei den über 75-Jährigen“, erzählt Fischill-Neudeck. Ein weiterer Fokus sei die Entlastung von pflegenden Angehörigen, ein dritter Schwerpunkt liege in der Begleitung von Menschen mit chronischen somatischen Erkrankungen.

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Es geht um Schlafstörungen, Einsamkeit, Verbandwechsel …

Die Anliegen der Klienten sind dabei sehr unterschiedlich. Eine ältere Frau ruft zum Beispiel an und sagt: „Ich schlafe so schlecht. Nichts hilft. Bitte kommen Sie und helfen Sie mir.“ Beim Besuch stellt sich dann heraus, dass außer Schlafmittel bislang nichts ausprobiert wurde, um die Situation zu verbessern. Fischill-Neudeck erläutert dann, welche nicht-medikamentösen Möglichkeiten der Schlafförderung es gibt. Und sie rät der Klientin: „Bitte trinken Sie keinen grünen Tee vor dem Schlafengehen.“ Oft geht es auch um somatische Symptome, hinter denen Einsamkeit steht. Eine ältere Dame bittet: „Könnten Sie mal vorbeikommen? Meine Beine sind so dick.“ Beim Besuch erzählt sie dann: „Vor drei Monaten ist mein Mann gestorben. Ich sehe überhaupt keinen Sinn mehr in meinem Leben. Und meine Freundinnen verstehen nicht, warum es so schlimm für mich ist.“

Über das Thema Gesundheit gelingt oft der Zugang zu Menschen, die sonst eher nicht über ihre Sorgen mit professionellen Helfern sprechen würden, weiß Fischill-Neudeck. „Eine aufsuchende Tätigkeit braucht einen Anlass. Und Gesundheit ist ein sehr positiv besetzter Anlass – bei der Gesundheit kann jeder mitreden, unabhängig vom Alter oder Bildungsstand.“ Wenn sich die Menschen bei diesem Thema öffnen, können oft auch weitere Probleme wie Trauer oder Einsamkeit thematisiert werden. Aus ihrer Sicht führt deshalb Community Nursing eindeutig über Pflegende. „Gesundheitsförderung, Prävention und psychosoziale Begleitung sind Kernaufgaben unseres Berufsbildes, die im österreichischen Berufsgesetz klar definiert sind.“

Was oft vorkommt: Angehörige in pflegerischen Fragen beraten 

Manchmal melden sich auch Angehörige bei ihr: „Meine Mutter kommt gar nicht mehr auf die Beine.“ Oder: „Die Mama ist mit zwei Wunden und zwei Verbänden aus dem Krankenhaus heimgekommen und wir können aus dem Arztbrief nicht herauslesen, welcher Verband auf welche Wunde gehört.“ Dann kommt sie vorbei und schaut sich das an. Sie leitet die Angehörigen beim Verbandwechsel an und übt diesen mit ihnen. Bei Anleitungen und Schulungen ist der Kontakt zu Beginn meist engmaschiger und wird dann lockerer, sobald die Klienten und Angehörigen sicherer werden. Klappt es mit der Selbsthilfe nicht, wird ein ambulanter Pflegedienst organisiert.

Von Haltegriff bis nicht-medikamentöse Schmerzlinderung

Oft wird sie auch beratend tätig. Meist geht es dabei um einfache Dinge, die für die Menschen aber einen großen Unterschied machen – zum Beispiel um Haltegriffe im Bad, welche Unterstützungsangebote es in der Region gibt oder was neben Medikamenten noch zur Schmerzlinderung beitragen kann. Manchmal übt sie mit Klienten vor einer geplanten Operation auch schon mal, wie sie sich aus dem Bett mobilisieren können, um nach dem Eingriff wieder schnell nach Hause zu können. „Viele Kontakte ergeben sich im Moment zwar aufgrund eines konkreten Anliegens“, sagt Fischill-Neudeck. „Das ist wohl auch der Grund, weshalb wir aktuell noch von Community Nursing und nicht von Community Health Nursing sprechen. Es gibt aber auch Menschen, die uns bewusst wegen einer Gesundheitsberatung anfragen – sie wollen wissen, was sie tun können, um gesund zu bleiben.“

Die Community Nurse macht Patienten gesundheitskompetent

Der erste Kontakt kommt meist über Angehörige oder den Hausarzt. Fischill-Neudeck spricht dann telefonisch einen Termin für einen Hausbesuch ab. „Das hat den Vorteil, dass ich gleich die Lebenssituation der Menschen kennenlerne“, sagt sie. Sie hört sich das Anliegen der Betroffenen an, schätzt es pflegefachlich ein und überlegt, wie es optimal gelöst werden kann. Dabei bindet sie die Klienten und Angehörigen sehr eng ein. „Es geht uns primär darum, anzuleiten, zu schulen und zu begleiten, damit unsere Klienten gesundheitskompetent handeln können. Wir möchten sie in die Selbstständigkeit und Selbstbefähigung bringen.“

In Deutschland gibt’s erste Projekt mit Community Health Nurses

In vielen anderen Ländern, zum Beispiel den USA, Großbritannien oder Finnland, ist der Einsatz von Community Health Nurses schon lange üblich und hat sich bewährt. Auch in Deutschland gewinnt das Thema an Bedeutung, erste Projekte sind gestartet. In diesen sind speziell ausgebildete Pflegende in der Primärversorgung von Risikogruppen in Kommunen und Quartieren tätig. Das reicht von präventiven Hausbesuchen über Sprechstunden bis hin zu eigenständiger Behandlung.

Typische Qualifikation für die Community Health Nurse: APN 

International sind es häufig sogenannte Advanced Practice Nurses (APN), die im Community Health Nursing eingesetzt werden, also hochspezialisierte Pflegefachpersonen mit einem Masterabschluss. Meistens werden sie in kommunalen Gesundheitszentren für die Primärversorgung beschäftigt. In diesen arbeiten Teams aus Medizin, Pflege, Prävention, Rehabilitation und psychosoziale Betreuung. Sie bieten eine Versorgung unter „einem Dach“ und ihr Angebot geht weit über das hinaus, was bei einem Hausarztbesuch üblich ist. Community Health Nurses spielen in diesen Zentren häufig eine zentrale Rolle und steuern und koordinieren den Versorgungsprozess. Weitere Aufgaben von Community Health Nurses sind auch die Gesundheitsförderung und Prävention in der Gemeinde, in der sie tätig sind.

Österreich: Klarer Fokus auf die Gesundheitsförderung

Magdalena Fischill-Neudeck führt keine körperlichen Untersuchungen durch. Auch wenn sie das häufig gefragt wird, weil Community (Health) Nurses in anderen Ländern diese Aufgaben übernehmen. „In unserem Pilotprojekt sehe ich, dass die Bedarfe aktuell ganz andere sind“, sagt sie. Aus ihrer pflegefachlichen Sicht gehe es meist um einfache Dinge, zum Beispiel darum, Wege aus der Einsamkeit aufzuzeigen, die sich in einer nicht einstellbaren Schmerzsituation zeigen. „Was die Menschen in solchen Situationen brauchen, sind keine klinischen Assessments, sondern eine kontinuierliche Begleitung und die Ermutigung, Hilfsangebote anzunehmen.“ Ihr Pilotprojekt hat einen klaren Fokus auf die Gesundheitsförderung, und sei nicht darauf ausgerichtet, den Mangel an hausärztlichen Hausbesuchen auszugleichen. Das ist ihr sehr wichtig. Vielleicht werden in Österreich klinische Assessments nach Etablierung der Rolle einer Community (Health) Nurse als Tätigkeit aufgenommen.

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Die Modelle aus anderen Ländern findet Magdalena Fischill-Neudeck interessant und in manchen Punkten auch hilfreich. Dennoch könne der ständige Vergleich mit Modellen in anderen Ländern mit anderen Gesundheitssystemen auch manchmal hinderlich sein, sagt sie. Es gehe nicht um die Frage „Wie schaffen wir es bei uns, eine Community Nurse wie in Schweden zu etablieren?“, sondern vielmehr um die Frage „Was brauchen wir hier bei uns in der Region?“

Mehr Info über Community Nursing in Österreich: https://cn-oesterreich.at/

Autorin: Brigitte Teigeler

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