Nach der Grenzöffnung nach Ungarn im Sommer 1989 begann für uns eine schwierige Zeit: Im Klinikum Dresden kam es zu einem beispielhaften Exodus. Wie wussten nie, wer am nächsten Morgen noch kam. Von jetzt auf gleich fehlten Ärzte und Pflegekräfte, die sich Hals über Kopf über Ungarn in den Westen aufmachten.
Alle weg - im Sommer 1989 allein für 56 Kinder zuständig
Wir Dagebliebenen hielten die Stellung auf der Kinderstation. Durch den plötzlichen Personalmangel musste ich mich zeitweise um bis zu 56 Patienten kümmern. Doch das hatte mich eher angespornt. Schließlich waren wir es ja gewohnt zu improvisieren, auf den Mangel mit Kreativität zu antworten, einer speziell ostdeutschen Fähigkeit!
Plötzlich gab es moderne Materialien
Mit der Wende ging es dann im Halbjahrestakt bergauf. Durch die Schließung der Polikliniken bekamen wir wieder Ärzte und Krankenschwestern. Moderne Materialien und technische Einrichtungen waren auf einmal auf den Stationen verfügbar. Das erleichterte uns das Leben auf der Station ernorm.
Gehälter stiegen kräftig
Auch die Gehälter der Pflegekräfte stiegen schnell an: Als ich 1979 anfing bekam ich 375 Ostmark. Als dann 1990 die Wende kam, verdiente ein Pfleger oder Krankenschwester schon über 1.200 D-Mark. Das war 1990 relativ viel Geld, denn zum Beispiel Mieten und Dienstleistungen waren zu dieser Zeit noch auf DDR-Niveau.
Zusammenarbeit mit Ärzten klappte in der DDR besser
Ich finde aber, es gibt auch eine Kehrseite der Wende. Vieles ist heute viel komplexer und vielfältiger als zu DDR-Zeiten. Damals war unsere Zusammenarbeit mit dem ärztlichen Dienst viel disziplinierter und störungsfreier, es gab einfach klare Regeln des Zusammenarbeitens. Heute gibt es viel mehr Konflikte zwischen Ärzten und Pflegepersonal. Jeder denkt, er muss bei allem mitreden.
Protokoll: Karoline Amon
Foto: Thomas Albrecht
Dieser Artikel erschien zuerst am 5. November 2019, er wurde am 1.Oktober 2020 aktualisiert.