Es gibt für Pflegekräfte viele Gründe, stolz auf ihren Beruf zu sein.  
Foto: Maren Schlenker
Es gibt für Pflegekräfte viele Gründe, stolz auf ihren Beruf zu sein.  

Pflege als Beruf

Warum so wenige Pflegekräfte stolz auf sich sind 

In Australien, England und Indien ist Berufsstolz weit verbreitet, nicht so in Deutschland. Das ist kein Zufall, meint der Pflegepädagoge Dr. German Quernheim und erklärt, wie es sich ändern lässt 

Sie haben zusammen mit der Pflegewissenschaftlerin Angelika Zegelin das Buch „Berufsstolz in der Pflege“ geschrieben. Warum ist Ihnen das Thema so wichtig?

Das Thema ist ganz aktuell: Fast alle professionell Pflegenden sind sich doch einig, dass sich ihre Arbeitsbedingungen und das Ansehen ihres Berufs ändern müssen. Doch die wenigsten ergreifen Initiative. Viele warten darauf, dass „die Politik“ oder die Arbeitgeber die Veränderungen herbeiführen werden. Es wird in unserem Beruf leider – ich muss es so hart sagen – zu viel gejammert. Doch es führt zu nichts, wenn wir nur klagen und uns im Team gegenseitig runterziehen. Aus dieser Haltung der Schwäche heraus werden wir kaum etwas erreichen. Das hat noch nie geklappt. Man muss sich doch nur andere Berufsgruppen mit hohem Ansehen und guten Gehältern anschauen wie Fluglotsen, Krankenhausärzte, Handwerker: Die besitzen Berufsstolz, die treten für ihre Interessen ein.

Für die eigenen Interessen eintreten? Was genau verstehen Sie unter Berufsstolz?

Berufsstolz bedeutet nicht, dass ich meine Berufsgruppe für die beste halte und auf alle anderen herabblicke. Es geht um eine respektvolle Haltung meinem eigenen Beruf gegenüber, um Selbstrespekt und das Gefühl von Selbstwirksamkeit: dass ich mir bewusst werde, wie einzigartig und sinnvoll meine Tätigkeit ist, welchen Beitrag sie zur Gesellschaft leistet und wie sie mich persönlich reifen lässt, etwa dadurch, dass ich andere Menschen in schweren Lebensphasen begleite. Stolz machen kann uns auch, dass unser Beruf so facettenreich ist: Wir können in der Neugeborenenpflege arbeiten, in der Palliativpflege oder im OP, in der ambulanten Pflege, in der Beratung und, und, und …

Jobportal pflegen-online.de empfiehlt:

Nicht zuletzt bedeutet Berufsstolz, dass ich ethische und fachliche Ansprüche an mein professionelles Handeln stelle – sowie an das meiner Kollegen – und ich nicht bereit bin, diese Ansprüche herunterzuschrauben.

In vielen anderen Ländern ist es besser um den Berufsstolz bestellt. Woran liegt das?

Ein Grund dafür ist, dass in Ländern wie Großbritannien, USA und Australien schon seit Jahrzehnten akademisch ausgebildet wird und berufsständische Organisationen wie Pflegekammern verbindliche Berufsordnungen herausgeben. In dieser Berufsordnung, die es seit 2020 übrigens auch in Rheinland-Pfalz gibt, werden die Verantwortung und die Eigenständigkeit der Pflegefachpersonen unterstrichen. Und dieser Kodex wird im Ausland auch gelebt. Die Bevölkerung kann sich darauf verlassen, dass Pflegende sie schützen. So sehen sich die Kolleginnen und Kollegen in Australien als Fürsprecher der Patienten und Bewohner und nicht als jemand, dessen Aufgabe darin besteht, Ärzten zuzuarbeiten und die Prozesse am Laufen zu halten. Das hat kürzlich eine spannende qualitative Studie der Pflegewissenschaftlerin Bettina Flaiz bestätigt.

[Sie legen Wert auf Exklusiv-Interviews und fundierte Recherche aus der Pflegebranche? Dann abonnieren Sie jetzt unseren Newsletter, damit Sie keinen neuen Beitrag auf pflegen-online mehr verpassen!] 

Was kann jede einzelne Pflegefachperson tun, um das Thema Berufsstolz voranzubringen?

Oh, da gibt es sehr vieles – genau darum haben wir neben unserem Mutmachbuch auch ein eindrucksvolles E-Learning dazu entwickelt. In meiner Session zeige ich praxiserprobte Möglichkeiten und hoffe auf rege Diskussion. Ein paar Punkte hier schon in aller Kürze: handeln statt jammern; sich berufspolitisch organisieren und engagieren; nicht immer den Abwasch übernehmen, wenn sich sonst niemand meldet; das Wohl von Patient und Bewohner grundsätzlich an erste Stelle setzen – und nicht die Team-Harmonie, die Arbeitgeberinteressen oder schlicht die eigene Bequemlichkeit. Und: Sprechen Sie bei jeder Übergabe über die positiven Wirkungen Ihrer Pflege!

Interview: Kirsten Gaede

Image
Dr. German Quernheim, Coach, Trainer und Autor des Buches „Berufsstolz in der Pflege“ 
Foto: privat
Dr. German Quernheim, Coach, Trainer und Autor des Buches „Berufsstolz in der Pflege“ 

Der Artikel ist zuerst im Magazin der Pflegekammer Rheinland-Pfalz erschienen (Ausgabe 30)

Wir haben noch mehr für Sie!

Antworten und Impulse für die Pflegeprofession gibt es auch direkt ins Postfach: praxisnah, übersichtlich und auf den Punkt.
Melden Sie sich jetzt für den pflegebrief an - schnell und kostenlos!
Wir geben Ihre Daten nicht an Dritte weiter. Die Übermittlung erfolgt verschlüsselt. Zu statistischen Zwecken führen wir ein anonymisiertes Link-Tracking durch.

Pflegekammer

Warum Pflegekräfte in Australien besonders selbstbewusst sind

Examinierte Pflegekräfte werden dort viel mehr respektiert als in Deutschland. Das liegt an der langen Tradition der Pflegekammer, meint Pflegewissenschaftlerin Bettina Flaiz, die deutsche und australische Pflegekräfte interviewt hat

    • Pflegekammer, Pflege als Beruf, Personalbemessung, Pflegefachpersonen

LGBT

Pflegekräfte durch Lesben und Schwule oft verunsichert

... und das spüren viele Lesben und Schwule: Sie fühlen sich nicht akzeptiert. Doch das lässt sich ändern, meint Pflegepädagogik-Experte Klaus Müller von der Bundesinteressenvertretung schwuler Senioren im Interview

    • Kommunikation, Pflege als Beruf

Sie-Du-Debatte: „Starre Regeln sind fehl am Platze“ 

Ist es angemessen, wenn Bewohner und Pflegekraft sich duzen? Über diese Frage haben wir gerade zwei viel gelesene Beiträge veröffentlicht. Hier kommt ein weiterer – dieses Mal von der österreichischen Pflegepädagogin Margit Schäfer       

 Adeline Plagge (links) und Tanja Schaller (rechts) arbeiten beide an der Diakonissen Pflegeschule Speyer.

Beruf und Karriere

Warum Pflegepädagoginnen gerade besonders gefordert sind

Ein Bachelor reicht nicht mehr, bald muss es ein Master sein. Und dann sind da noch die Auszubildenden, die sich teilweise sehr verändert haben. Interview mit zwei Pflegepädagoginnen von der Diakonissen Pflegeschule Speyer

    • Krankenpflege, Pflegefachleute, Pflege als Beruf, Pflege und Praxis, Gesundheits- und Krankenpflege, Rheinland-Pfalz