Sie haben zusammen mit der Pflegewissenschaftlerin Angelika Zegelin das Buch „Berufsstolz in der Pflege“ geschrieben. Warum ist Ihnen das Thema so wichtig?
Das Thema ist ganz aktuell: Fast alle professionell Pflegenden sind sich doch einig, dass sich ihre Arbeitsbedingungen und das Ansehen ihres Berufs ändern müssen. Doch die wenigsten ergreifen Initiative. Viele warten darauf, dass „die Politik“ oder die Arbeitgeber die Veränderungen herbeiführen werden. Es wird in unserem Beruf leider – ich muss es so hart sagen – zu viel gejammert. Doch es führt zu nichts, wenn wir nur klagen und uns im Team gegenseitig runterziehen. Aus dieser Haltung der Schwäche heraus werden wir kaum etwas erreichen. Das hat noch nie geklappt. Man muss sich doch nur andere Berufsgruppen mit hohem Ansehen und guten Gehältern anschauen wie Fluglotsen, Krankenhausärzte, Handwerker: Die besitzen Berufsstolz, die treten für ihre Interessen ein.
Für die eigenen Interessen eintreten? Was genau verstehen Sie unter Berufsstolz?
Berufsstolz bedeutet nicht, dass ich meine Berufsgruppe für die beste halte und auf alle anderen herabblicke. Es geht um eine respektvolle Haltung meinem eigenen Beruf gegenüber, um Selbstrespekt und das Gefühl von Selbstwirksamkeit: dass ich mir bewusst werde, wie einzigartig und sinnvoll meine Tätigkeit ist, welchen Beitrag sie zur Gesellschaft leistet und wie sie mich persönlich reifen lässt, etwa dadurch, dass ich andere Menschen in schweren Lebensphasen begleite. Stolz machen kann uns auch, dass unser Beruf so facettenreich ist: Wir können in der Neugeborenenpflege arbeiten, in der Palliativpflege oder im OP, in der ambulanten Pflege, in der Beratung und, und, und …
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Nicht zuletzt bedeutet Berufsstolz, dass ich ethische und fachliche Ansprüche an mein professionelles Handeln stelle – sowie an das meiner Kollegen – und ich nicht bereit bin, diese Ansprüche herunterzuschrauben.
In vielen anderen Ländern ist es besser um den Berufsstolz bestellt. Woran liegt das?
Ein Grund dafür ist, dass in Ländern wie Großbritannien, USA und Australien schon seit Jahrzehnten akademisch ausgebildet wird und berufsständische Organisationen wie Pflegekammern verbindliche Berufsordnungen herausgeben. In dieser Berufsordnung, die es seit 2020 übrigens auch in Rheinland-Pfalz gibt, werden die Verantwortung und die Eigenständigkeit der Pflegefachpersonen unterstrichen. Und dieser Kodex wird im Ausland auch gelebt. Die Bevölkerung kann sich darauf verlassen, dass Pflegende sie schützen. So sehen sich die Kolleginnen und Kollegen in Australien als Fürsprecher der Patienten und Bewohner und nicht als jemand, dessen Aufgabe darin besteht, Ärzten zuzuarbeiten und die Prozesse am Laufen zu halten. Das hat kürzlich eine spannende qualitative Studie der Pflegewissenschaftlerin Bettina Flaiz bestätigt.
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Was kann jede einzelne Pflegefachperson tun, um das Thema Berufsstolz voranzubringen?
Oh, da gibt es sehr vieles – genau darum haben wir neben unserem Mutmachbuch auch ein eindrucksvolles E-Learning dazu entwickelt. In meiner Session zeige ich praxiserprobte Möglichkeiten und hoffe auf rege Diskussion. Ein paar Punkte hier schon in aller Kürze: handeln statt jammern; sich berufspolitisch organisieren und engagieren; nicht immer den Abwasch übernehmen, wenn sich sonst niemand meldet; das Wohl von Patient und Bewohner grundsätzlich an erste Stelle setzen – und nicht die Team-Harmonie, die Arbeitgeberinteressen oder schlicht die eigene Bequemlichkeit. Und: Sprechen Sie bei jeder Übergabe über die positiven Wirkungen Ihrer Pflege!
Interview: Kirsten Gaede
Der Artikel ist zuerst im Magazin der Pflegekammer Rheinland-Pfalz erschienen (Ausgabe 30)