Das Ergebnis einer bundesweiten Online-Umfrage unter 3.000 Ungeimpften hat wenig Hoffnung gemacht. Die meisten Teilnehmer in der Forsa-Befragung im Auftrag des Bundesgesundheitsministeriums wollten an ihrem Nein festhalten. Rund zwei Drittel (65 Prozent) der Befragten gaben an, sich „auf keinen Fall" in den nächsten zwei Monaten impfen zu lassen. 23 Prozent tendierten zu „eher nein". Lediglich 2 Prozent der Befragten wollten sich "auf jeden Fall" impfen lassen. Die restlichen 10 Prozent zeigten sich unentschlossen oder hielten eine spätere Impfung "eher" für möglich.
Nun zeigt sich aber, dass die Zahl der Erstimpfungen wieder steigt. Zu den Spätentschlossenen zählt auch Pflegehelferin Stephanie Achilles. Die 36-Jährige arbeitet in der DRK Augusta-Schwesternschaft Lüneburg, wo die Impfquote 85 Prozent beträgt, aber gerade weiter steigt, weil auch andere Kolleginnen ihre Meinung geändert haben. Wir sprachen mit Stephanie Achilles über ihre Motive.
Frau Achilles, warum haben Sie sich bislang nicht impfen lassen?
Am Anfang war ich skeptisch aufgrund der Berichterstattungen über den Impfstoff AstraZeneca und über die Quote derjenigen – gerade unter den Frauen –, die nach der Impfung an einem Blutgerinnsel gestorben sind. Die allgemeine Medienberichterstattung und auch die Überinformation haben mich gerade zu Beginn sehr verunsichert.
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Zusätzlich haben mich Erfahrungsberichte meines persönlichen Umfelds bei der Entscheidung gegen eine Impfung geprägt. Gerade diejenigen, die sich gleich zu Beginn mit AstraZeneca haben impfen lassen, hatten nach der zweiten Impfung erhebliche Nebenwirkungen. Dass es doch so viele umgehauen hat, hat mein Vertrauen in die Impfung erschüttert. Und da ich alleinerziehende Mutter bin, hat mich das bislang abgehalten, mich impfen zu lassen.
Was hat sie nun umgestimmt?
Erstens habe ich im persönlichen Umfeld gesehen, dass alle natürlich die Impfung überlebt haben und es ihnen gut geht. Und auch die Tatsache, dass sich alle Kolleginnen und Kollegen, die die Zweitimpfung schon hatten, jetzt auch boostern lassen, hat mich überzeugt. Denn von denen haben alle die Erst- und Zweitimpfung gut überstanden, maximal mit ein paar kleineren Nebenwirkungen.
Des Weiteren ist für mich die momentane Situation ausschlaggebend: Sie droht aus dem Ruder zu laufen. Ich denke, dass die allgemeine Impfpflicht – zumindest für Menschen, die in der Pflege arbeiten – nicht mehr lange auf sich warten lässt. Und ich finde mittlerweile auch, dass dies eine sinnvolle Entscheidung ist.
Sie unterstützen jetzt die Impfpflicht und sind quasi vom Saulus zum Paulus geworden. Wie kam es dazu?
Auch hier kann ich wieder die Medienberichterstattung nennen, die sich derzeit erschreckend anhört. Es sind aber auch die aktuell sich steil nach oben entwickelnden Inzidenzen und auch die Zahl der intensivpflichtig behandelten Corona-Patienten, die wohl zum größten Teil ungeimpft sind, die mich zum Umdenken angespornt haben. Das muss nicht sein.
Auch die Gespräche mit Freunden sowie Kolleginnen und Kollegen haben mir dabei geholfen, das Thema aus einem anderen Blickwinkel zu sehen. Denn auch die anderen Impfungen, die wir ja hierzulande Gott sei Dank haben, sind irgendwann einmal zum ersten Mal verimpft worden. Ich will am Ende einfach nicht schuld daran sein, dass hier in unserem Alten- und Pflegheim das Virus Einzug hält. Wir waren bislang von Corona verschont und hatten noch keinen Fall, das soll sich durch mich nicht ändern.
War Ihnen der Impfstoff jetzt, nachdem Sie die Entscheidung getroffen haben, egal?
Nein, da bin ich ehrlich. Mit AstraZeneca hätte ich mich nicht impfen lassen. Ich habe da immer noch die Empfehlung der Stiko im Hinterkopf, dass der Impfstoff vornehmlich den über 50-Jährigen gegeben werden soll. Das ist mir immer noch zu unsicher.
Interview: Alexandra Heeser
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Der Tag mit den meisten gemeldeten Impfungen war der 9. Juni 2021: Über 1,4 Millionen Menschen haben an diesem Tag ihre Erst- oder Zweitimpfung bekommen. Danach ging es steil bergab. In der vierten Welle ist die Impfrate laut Statistischem Bundesamt jedoch wieder angestiegen. Allein in Hamburg hat sich Ende November die Zahl der Erstimpfungen verdoppelt. Offenbar auch, weil Hamburgs Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) „offen für eine allgemeine Impfpflicht“ ist.
Impfpflicht für Pflegekräfte kommt – und auch die allgemeine Impfpflicht?
Die nächste Mutation ist da, es erkranken immer noch zu viele Menschen, die Intensivstationen laufen über. Da liegt die Frage nahe, ob die Bürger weiter selbst entscheiden sollen dürfen, ob sie sich die schützende Spritze geben lassen oder nicht. Die Ministerpräsidenten kippen langsam: Neben Hamburgs Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) ist auch der bayerische Ministerpräsident Markus Söder (CSU) ein starker Befürworter der Impfpflicht, wie er im Bericht aus Berlin sagte: „Ich war auch am Anfang skeptisch zur allgemeinen Impfpflicht, weil es im Kern meinem liberalen Staatsverständnis widerspricht. Aber die einzige Chance, um aus dieser Endlosschleife herauszukommen, ist eine Impfpflicht.“
Und auch Olaf Scholz spricht sich zumindest für eine Impfpflicht in Einrichtungen aus, in denen „besonders vulnerable Gruppen betreut werden“. Es bleibt spannend, wie sich der dann schon vereidigte neue Kanzler am 9. Dezember bei der nächsten Bund-Länder-Runde bewährt. Denn dort soll das von den Ampelparteien entschärfte Infektionsschutzgesetz auf seine Wirksamkeit überprüft werden.
Bund und Länder haben sich bereits bei ihrem letzten Treffen am 2. Dezember darauf geeinigt, dass bis es Mitte März eine Corona-Impfpflicht für Pflegekräfte und andere Gesundheitsberufe geben soll, es ist die Rede von einer „einrichtungsbezogenen“ Impfpflicht.
Autorin: Alexandra Heeser