Frau Plagge, wie würden Sie einem Fremden in drei Sätzen Ihre Tätigkeit als Pflegepädagogin beschreiben?
Adeline Plagge: Ich habe das Glück, dass mein Arbeitsfeld unglaublich vielseitig und abwechslungsreich ist. Meine Hauptaufgabe ist das Unterrichten, dazu gehört natürlich auch die Vor- und Nachbereitung der Stunden. Wir entscheiden selbst über unsere didaktischen Vorgehensweisen, übernehmen die individuelle Lernbegleitung unserer Auszubildenden und unterstützen sie auch in der Praxis, indem wir mit ihnen in die pflegerischen Settings gehen. Wir führen Prüfungen durch und sind auch für die Organisation und Abnahme der staatlichen Abschlussexamen verantwortlich.
Vom Praxisteil abgesehen klingt das ähnlich wie der klassische Lehrerberuf.
Tanja Schaller: Wir ähneln uns insofern, als wir täglich durchgehend vor Ort sind. Pflegepädagogen haben bei einer Vollzeitstelle Anwesenheit von 8 bis 16 Uhr. Jede Lehrkraft hat einen eigenen Büroarbeitsplatz und ist für die Auszubildenden so auch außerhalb des Unterrichts immer ansprechbar.
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Voraussetzungen gibt es für das Studium der Pflegepädagogik – und wie lange dauert es?
Adeline Plagge: Grundvoraussetzung ist eine dreijährige pflegerische Ausbildung. Damit können sich Interessierte an vielen Hochschulen mit oder ohne Abitur bewerben. Im letzteren Falle ist unter Umständen eine Aufnahmeprüfung zu durchlaufen. Das Grundstudium qualifiziert für den Erwerb eines Bachelors und hat eine Regelstudienzeit von sieben Semestern. Das sich daran anschließende Master-Studium ist mit einer Regelstudienzeit von vier Semestern angedacht.
Der Bachelor-Abschluss allein reicht aber nicht aus, um zu unterrichten?
Tanja Schaller: Derzeit ist es schon möglich, dass auch Bachelor-Absolventen an den Pflegeschulen arbeiten; dazu brauchen sie aber eine Lehrerlaubnis über die Aufsichtsbehörde. Die Absolventen sind zudem verpflichtet, bis zum 31. Dezember 2029 den erfolgreichen Master- Abschluss nachzuweisen. Im Master Studiengang können sie sich etwa in den Schwerpunkten Erwachsenenbildung, Schulleitungsmanagement oder Pflegewissenschaft spezialisieren.
Gibt es diese Regelung für Bachelor-Absolventen, weil Pflegepädagogen fehlen?
Tanja Schaller: Ja, alle Schulen suchen dringend Lehrkräfte. Denn bedingt durch Corona kommt aus den Hochschulen derzeit kaum Nachwuchs. Die Studiengänge, die jetzt starten, sind deutlich schwächer besetzt. Der Mangel wird also noch länger bestehen. Hinzu kommt: Es gibt deutschlandweit zu wenige Studienplätze für den Bachelor und besonders auch für den Master. Das Angebot müsste dringend ausgebaut werden.
Und welcher Arbeitsalltag erwartet sie dann an der Schule?
Tanja Schaller: Wir starten mit einer Frühbesprechung, um zu klären, was für den Tag anliegt: Ist jemand krank? Muss Unterricht übernommen werden? Sind Aktivitäten geplant, für die man Unterstützung braucht? Kommen Fremddozenten, die man mitbetreuen muss? Danach verläuft der Arbeitstag für jede Lehrkraft individuell. Oft gehen sie direkt in den Unterricht und fahren anschließend zu einer Praxisbegleitung bei einem Kooperationspartner. Zurück in der Schule nehmen sie dann beispielsweise an verschiedenen Arbeitsgruppen teil, etwa zum Qualitätsmanagement und zur Digitalisierung, oder kümmern sich um die Korrektur von Prüfungen.
Kann jeder Pflegepädagoge jedes Fach unterrichten?
Tanja Schaller: Unsere Pflegepädagogen müssen tatsächlich omnipotent sein und können durchaus alle Fächer unterrichten. Aber natürlich hat schon jeder seine Themen, die ihm fest zugeordnet sind. Das reicht vom Pflegeprozess über krankheitsbezogene Themen bis zu den praktischen Übungen.
Wie wichtig ist es, auch im Schulalltag den Kontakt zur Praxis zu behalten?
Tanja Schaller: Wir haben Pflegepädagogen in unserem Team, die einen kleinen Stellenanteil auch in der Praxis ausüben. Beide Lernorte – Theorie und Praxis – haben ja das Ziel, gut auszubilden. Deswegen ist es wichtig, dass wir gut zusammenarbeiten. Als Lehrkräfte schätzen wir die Kompetenz unserer Kollegen aus den Einrichtungen und bringen das auch zum Ausdruck, indem wir sie als Experten in den Unterricht einladen.
Welche persönlichen Eigenschaften sollten Pflegepädagogen mitbringen? Und für wen wäre es eher die falsche Berufswahl?
Tanja Schaller: Keine gute Idee wäre es für jemanden, der wenig flexibel denken kann und der ganz klare, feste Strukturen braucht. Er wäre in der Schule verloren. Man benötigt ein hohes Maß an Kreativität, an Flexibilität und an Belastbarkeit. Man muss gut mit unvorhersehbaren Situationen umgehen können, beispielsweise damit, spontan im Unterricht einzuspringen. Man sollte gern im Team arbeiten, gern diskutieren und sich vor allem auch selbst weiterentwickeln wollen.
Ist Belastbarkeit so wesentlich, weil die Lehrkraft auch eine Vertrauensperson ist?
Adeline Plagge: In den Gesprächen mit den Auszubildenden geht es oft um die Frage, wie sie die Diskrepanz bewältigen können zwischen der eigenen Vorstellung, wie sie pflegen möchten, und dem, was unter den gegebenen Rahmenbedingungen tatsächlich möglich ist. Der Anteil der Auszubildenden, die in eine langfristige Überforderung geraten, hat zugenommen. Mittlerweile gibt es eine nicht geringe Zahl von Auszubildenden, die sowohl ambulant wie stationär eine Therapie machen. Unsere Aufgabe als Kursleitung ist es dann auch, sie nach der Behandlung wieder in die Klasse zu integrieren.
Wie viele Auszubildende brechen im Schnitt ab?
Tanja Schaller: Die Abbrecherquote liegt zwischen zehn und fünfzehn Prozent. Auszubildende geben heute schneller auf, als es vor einigen Jahren noch der Fall war. Sie können häufig mit Frustration, etwa wegen einer schlechten Note, nur schlecht umgehen und tendieren dann eher dazu, gleich die ganze Ausbildung hinzuwerfen. Unsere Pflegepädagogen bieten ihnen daher Lerncoachings an, um hier gegenzusteuern. In vielen Fällen fehlt aber auch ein stabiles familiäres Umfeld. Aus diesem Grund bräuchten wir eigentlich an allen Pflegeschulen Sozialarbeiter, die Auszubildenden auch bei der Alltagsbewältigung zur Seite stehen.
Wenn Sie an Ihre eigene Ausbildung zurückdenken: Gibt es einen Rat, der Ihnen in Erinnerung geblieben ist – und den Sie heute Ihren Auszubildenden gern mit auf den Weg geben?
Adeline Plagge: Eine Kollegin hat mir den Rat mitgegeben: Wenn du in ein Zimmer gehst, dann schau immer übers Bett, ins Bett und unters Bett. Das war ein Rat, der mir in jede Muskelfaser übergegangen ist. Gerade als Berufsanfängerin hat mir dieser Rundumblick viele Hinweise auf Situationsveränderungen gegeben.
5 häufige Fragen zur Pflegepädagogik
Voraussetzungen? Dreijährige Pflegeausbildung, Studium der Pflegepädagogik (Bachelor- plus Master-Studiengang)
Berufschancen? Sehr gut – der Bedarf ist an den Pflegeschulen besonders hoch.
Studienorte? In Rheinland-Pfalz bieten die Hochschulen in Ludwigshafen und Mainz das Studium an. Mehr Info unter: https://www.pflegemagazin-rlp.de/karriereschub-gefaellig
Studieninhalte? Im Bachelor-Studium gehören Methodik und Didaktik, Gesundheitsförderung, Pflegeforschung und -wissenschaft, Beratung und Schulung im Gesundheitswesen, Ethik und empirische Sozialforschung zum Curriculum. Im dritten Semester steht ein sechswöchiges Orientierungspraktikum an, im fünften Semester drei Monate Schule, wo die Studierenden je zwölf Doppelstunden hospitieren und selbst unterrichten.
Vergütung: Das Einstiegsgehalt (mit Bachelor-Abschluss) liegt je nach Tarifvertrag bei 4.000 Euro. Absolventen mit Master-Abschluss können mit ungefähr 4.500 Euro rechnen.
Interview: lin