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Portrait einer schönen lächelnden Krankenschwester

Pflegekammer

Warum Pflegekräfte in Australien besonders selbstbewusst sind

Examinierte Pflegekräfte werden dort viel mehr respektiert als in Deutschland. Das liegt an der langen Tradition der Pflegekammer, meint Pflegewissenschaftlerin Bettina Flaiz, die deutsche und australische Pflegekräfte interviewt hat

Was für uns noch Neuland ist, ist in anderen Ländern Tradition: In England ist die Pflegekammer über 100 Jahre alt, in den US-Bundesstaaten New York und Virginia gibt es sie seit 1903, in Australien seit den 20er-Jahren, in Neuseeland seit 1972.

Es ist typisch für diese Länder (und andere, siehe Liste am Ende dieses Textes), dass der Pflegeberuf dort hochangesehen ist. Das hängt vor allem mit dem Selbstbewusstsein der Mitglieder zusammen: Sie wissen, was sie können, was sie erwarten dürfen und was von ihnen erwartet wird. Das wissen sie, weil ihre Kammer alle diese Dinge klar und unmissverständlich formuliert hat. In einem „Code“, wie es in englischsprachigen Ländern heißt, oder wie wir in Deutschland sagen: in einer Berufsordnung.

Doch wie äußert sich dieses Selbstbewusstsein im Alltag? Eine Frage, die die Pflegewissenschaftlerin Bettina Flaiz von der Dualen Hochschule Baden- Württemberg gut beantworten kann: Schließlich hat sie für eine Promotionsarbeit Interviews mit australischen und deutschen Pflegefachpersonen geführt (und ihre Arbeit unter dem Titel „Die professionelle Identität von Pflegefachpersonen: Vergleichsstudie zwischen Australien und Deutschland“ veröffentlicht). Wir baten sie um ein kurzes Statement zur Berufsordnung:

Statement Bettina Flaiz

Jobportal pflegen-online.de empfiehlt:

Im Zuge meiner Dissertation habe ich mir die Berufsordnungen verschiedener Länder angeschaut – am intensivsten die australische. Was mir hier aufgefallen ist, ist die enorm regulierende Kraft der Pflegekammer, beziehungsweise der Berufsordnung. Die Rechte und Pflichten sind hier sehr stark ausformuliert: So wird etwa die Patientensicherheit von der Aufnahme bis zum Entlassungstag gedacht und von den Pflegefachkräften als ihre berufliche Pflicht, für die Patientensicherheit zu sorgen, betont.

Habe ich wegen einer Anordnung Bedenken, muss ich diese auch äußern

Ein Beispiel, das die Verantwortung der Pflegefachkraft gut illustriert: Wenn eine Ärztin die Entlassung eines Patienten anordnet, ich aber weiß, dass der Patient nachts auf dem Weg zur Toilette stürzen könnte, dann muss ich einschreiten und meine Bedenken gegenüber der Ärztin vorbringen. Und das tun die Pflegekraft in Australien, denn es ist ihre Pflicht, sie sind für den Patienten verantwortlich. Werden Personalschlüssel unterschritten, schreitet die Kammer ein Dass die Verantwortungs- und Aufgabenbereiche grundsätzlich klar geregelt sind (und nicht – wie so oft in Deutschland – abhängig vom Krankenhaus- oder Heimträger) gibt den Pflegefachpersonen enorme Sicherheit.

Hinzu kommt: Der Personalschlüssel ist gesetzlich für alle Bereiche definiert. Wenn das Haus ihn unterschreitet, melden die Pflegefachpersonen das beim Nursing Board. Das ist keine Denunziation, das machen sie zum Schutz der Patienten, weil Pflegefachkräfte wie gesagt, durch die Berufsordnung für die Patientensicherheit verantwortlich sind.

Pflegekraft kann Neuaufnahme stoppen

Ein großer Vorteil der Berufsordnung ist in Australien auch, dass die Pflegekräfte nicht so viel diskutieren müssen wie in Deutschland. Wenn sie etwa zu Bedenken geben, dass eine weitere Neuaufnahme auf ihrer Station die Patientensicherheit gefährden würde (wegen Unterschreitung des Personalschlüssels), kommt es in der Regel tatsächlich zu keiner weiteren Aufnahme. Es gibt auch keine Diskussionen darüber, ob eine Pflegehelferin nicht vielleicht

doch Infusionen anhängen oder eine Patientenaufnahme übernehmen darf („sie ist doch schon so lange da“, „sie ist doch so kompetent“). Die Pflichten der Pflegefachpersonen sind klar, sie werden nicht infrage gestellt.

Länder mit Pflegekammer

  • Australien
  • Kanada
  • Neuseeland
  • USA
  • Dänemark
  • Frankreich
  • Großbritannien
  • Irland
  • Portugal
  • Norwegen
  • Polen
  • Rumänien
  • Schweden
  • Serbien
  • Slowakei
  • Slowenien
  • Spanien
  • Ungarn
  • Zypern *

* Aufzählung erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit

Der Artikel ist zuerst im Magazin der Pflgekammer Rheinland-Pfalz erschienen

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