Der gute Wille war da: Schon Anfang April 2022 traf sich der rheinland-pfälzische Arbeits-und Transformationsminister Alexander Schweitzer zu einem „Arbeitsmarktgipfel Ukraine“ unter anderen mit Vertretern der Landespflegekammer Rheinland-Pfalz, es ging um über die Integration von Geflüchteten in den Arbeitsmarkt. Ergebnis: Über kommunal angesiedelte „Beschäftigungspiloten“ sollten auch Pflegeeinrichtungen und arbeitssuchende ukrainische Pflegekräfte möglichst unkompliziert zueinander gelotst werden. Dafür nahm Rheinland-Pfalz rund 4 Millionen Euro in die Hand.
3.000 Euro Willkommensgeld in Nordrhein-Westfalen
Auch in Mecklenburg-Vorpommern hatte das Gesundheitsministerium mit Partnern wie der Krankenhausgesellschaft und dem Kuratorium Deutsche Altershilfe (KDA) ein Konzept entwickelt, um „Ukrainer:innen bereits ab dem Sommer beruflich in Krankenhäuser und Pflegeeinrichtungen zu integrieren“, so Gesundheitsministerin Stefanie Drese. Und weiter: „Wenn es uns gelingt, eine gute und schnelle Integration in unser Gesundheitssystem zu erreichen, dann werden wir hoffentlich auch Fachkräfte, so lange, wie diese es wünschen, hier in Mecklenburg-Vorpommern binden können.“
Mit viel Geld lockte auch Nordrhein-Westfalen. Anfang Mai 2022 lobte Arbeits- und Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann 3.000 Euro „Willkommensgeld NRW“ für alle Pflegefachkräfte aus Nicht-EU-Ländern aus, die in ihrem Heimatland bereits als Fachkräfte gearbeitet haben – Ukrainerinnen inklusive.
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Gibt es unter geflüchteten Ukrainern nur wenige Pflegekräfte?
Doch reichte das aus, um ukrainische Pflegekräfte schnell in den Pflegearbeitsmarkt zu integrieren? Offensichtlich nicht. Denn die vor gut einem dreiviertel Jahr angeschobenen Initiativen haben bisher wenig gebracht. Auf unsere Anfrage antwortete das Gesundheitsministerium in Mecklenburg-Vorpommern, dass „die Nachfragen von ukrainischen Pflegekräften sehr gering“ seien. Dort vermutet man, dass „der Grund der geringen Nachfrage wohl daran“ liege, „dass nur eine sehr geringe Anzahl an Pflegekräften die Ukraine verlassen haben“.
Auch in Nordrhein-Westfalen kann man nicht mit großen Anwerbezahlen aufwarten, da „bisher nur sehr wenige einen Antrag auf Anerkennung gestellt haben, da sie sich zumeist noch in Integrationskursen mit Spracherwerb befinden“, so das zuständige Gesundheitsministerium.
26 Ukrainer haben in Rheinland-Pfalz 2022 Anerkennung beantragt
Konkretere Zahlen kann inzwischen das Arbeitsministerium Rheinland-Pfalz melden. „Zum 31. Dezember 2022 haben 26 ukrainischer Pflegekräfte einen Antrag auf Anerkennung ihres Berufsabschlusses gestellt. Darunter sind 10 Personen mit Fluchthintergrund, 2 antragsstellende Personen befinden sich noch in der Ukraine. 14 Personen mit ukrainischer Staatsangehörigkeit leben bereits länger in Deutschland. Daraus haben sich in 14 Fällen Nachqualifizierungsbedarfe ergeben“, teilt uns das Ministerium auf unsere Anfrage mit.
Dass die vielfältigen Bemühungen bisher auf so geringe Resonanz gestoßen sind, mag vielleicht mit dem immer noch großen Aufwand bis zur Einstellung zusammenhängen. Er schreckt vermutlich weiterhin viele ukrainische Pflegekräfte ab, sich um einen Arbeitsplatz zu bemühen.
Verständigungsprobleme in ambulanter Pflege oft gravierend
Aber zumindest die erste Hürde „Arbeitserlaubnis“ lässt sich leicht überwinden. Denn Geflüchtete aus der Ukraine haben einen Sonderstatus. Für sie gilt die sogenannte Massenzustrom-Richtlinie. Heißt: Sie dürfen bereits arbeiten, wenn sie eine Aufenthaltserlaubnis beantragt und eine sogenannte Fiktionsbescheinigung erhalten haben. Einen Asylantrag müssen sie nicht stellen, eine Vorrangprüfung durch die Arbeitsagentur findet nicht statt. Aber: Das gilt nur für Pflegehilfskräfte. Sie sind unkompliziert anzustellen.
Die zweite Hürde „deutsche Sprachkompetenz“ wird dann schon schwieriger zu überwinden sein. Auch wenn in der Ukraine die deutsche Sprache nach Englisch die zweitbeliebteste ist und nach einer Umfrage aus dem Jahr 2015 über 17 Prozent der städtischen Bevölkerung in den ukrainischen Schulen Deutsch lernt: Das Verständigungsproblem scheint gerade in der ambulanten Pflege gravierend. Dorothea Ullmann, die im Hamburger Norden einen ambulanten Pflegedienst betreibt, hat es versucht: „Ich hatte eine ukrainische Pflegekraft zum Vorstellungsgespräch, mit der ich mich aber nur mit dem Google-Translator unterhalten konnte. So kann ich die Pflegekräfte nicht zu meinen Patienten schicken“.
Immerhin: Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) hat inzwischen schon weit mehr als 30.000 Genehmigungen für kostenlose Deutschkurse an ukrainische Geflüchtete erteilt. Nur: sechs bis neun Monate brauchen die Teilnehmerinnen, um Deutsch so zu beherrschen, dass sie in der Pflege in der Betreuung der Patientinnen einsetzbar sind.
Anerkennung der ukrainischen Ausbildung dauert oft sechs Monate
Die letzte Hürde ist die schwierigste und bisher langwierigste: Die Anerkennung der Berufsabschlüsse. Denn das kann in der Regel dauern. Zwischen drei und sechs Monaten müssen ukrainische Pflegekräfte in der Regel bis zur Anerkennung rechnen.
Daher forderte schon Ende März 2022 Bundesarbeitsminister Hubertus Heil, „dass wir ukrainische Berufsabschlüsse schnell und unkompliziert anerkennen. Da müssen wir erheblich besser und schneller werden." Die Hürde etwas tiefer gelegt hat inzwischen die Gutachtenstelle für ausländische Berufsabschlüsse der Kultusministerkonferenz, indem sie feststellte, dass die ukrainische Ausbildung in der Krankenpflege mit der deutschen nahezu vergleichbar ist.
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Sonderregelungen für ukrainische Pflegekräfte angekündigt
Der Arbeitsrechtler Steffen Pasler kann eine Beschleunigung der Anerkennungsverfahren noch nicht erkennen: „Bisher ist da nichts geregelt. Sonderregelungen für die ukrainischen Pflegefachkräfte werden zwar diskutiert, aber bisher wurde nichts in Sonderregelungen gegossen.“ Der Anwalt der ETL-Rechtsanwälte-Rechtsanwaltsgesellschaft mit Fokus auf Arbeitsmigration empfiehlt den Pflegebetreibern daher, die „ukrainischen Pflegefachkräfte erst einmal als Hilfskräfte einzustellen, und dann das Anerkennungsverfahren zu betreiben. Dann hat man schon mal einen Fuß in der Tür“.
Sein Resümee nach fast einem Jahr Arbeitsintegration ukrainischer Pflegekräfte: „Ich habe noch nichts gehört oder gelesen, das den vollmundigen Ankündigungen aus dem letzten Frühjahr gefolgt sein könnte.“
Text: Hans-Georg Sausse