Foto: Canva / Foto: privat

Serie Gipfelstürmerin

Warum eine innere Klausur gut für die Karriere ist

Cornelia Holländer war Krankenpflegerin, hat in der Krankenhausberatung und für einen BKK-Landesverband gearbeitet. Mit pflegen-online spricht sie über ihre Karriere und den richtigen Zeitpunkt für eine berufliche Veränderung 

Es geht tumultartig zu bei Cornelia Holländer. „Ich habe eine halbe Stunde, dann muss ich in den nächsten Termin”, sagt sie am Telefon. In ihrer Position als Leistungsentwicklerin bei der Malteser Wohnung und Pflegen gGmbH in Duisburg-Homberg ist sie unter anderem dafür zuständig, die Einrichtungen möglichst früh auf kommende Änderungen aus der Gesetzgebung einzustellen und „Organisationsentwicklungsprozesse zu projektieren“, wie sie es selbst nennt. Das Thema Generalistik beschäftigt sie gerade ebenso wie das neue Personalbemessungsverfahren in der Pflege.

Cornelia Holländer hat keine Angst vor Veränderungen. Ihr Karriereweg zeugt von Neugier, von der Lust, Neues zu lernen, nicht stehen zu bleiben – und auch von einer Portion Mut. Er führte die heute 57-Jährige von Pflegepositionen in verschiedenen Krankenhäusern über eine Krankenhausberatung, eine Referentenstelle bei einer Krankenkasse und einem Kassenverband, hin zu ihrer aktuellen Stabsstelle.

„Zähigkeit und Belastbarkeit ziehen sich durch mein Leben“ 

Dass sie studieren wollte, war Holländer früh klar, schon bevor sie Mitte der 80er-Jahre ihre Ausbildung zur Gesundheits- und Krankenpflegerin begann. Eine erste Basis sollte diese Ausbildung sein, danach sollte es weiter gehen, vielleicht Richtung Medizin. Doch dann erfuhr sie, sie war gerade OP-Pflegekraft im Duisburger Bethesda Krankenhaus, von den damals noch recht neuen Studiengängen im Gesundheitswesen. „Das war die Zeit, als so langsam die Ökonomisierung ins Gesundheitssystem einzog”, erinnert sich Holländer. Das fand sie spannend: Was genau passiert da? Und: Wie kann sie daran mitwirken, lenken?

Jobportal pflegen-online.de empfiehlt:

Holländer zieht 1994 nach Osnabrück, schreibt sich an der hiesigen Hochschule für Krankenpflegemanagement ein. Vier Jahre lernen, in Wirtschafts- und Managementfragen eintauchen, pendeln nach Duisburg, zu ihren zweimonatlichen Klinik-Wochenenddiensten. Es braucht eine gewisse Zähigkeit und Durchhaltevermögen, so etwas durchzuziehen. Ob ihr das eigen ist? „Ja!”, sagt sie mit einer Bestimmtheit, die keinen Zweifel aufkommen lässt. „Das zieht sich durch mein Leben, diese Zähigkeit, diese Belastbarkeit, die habe ich als Rüstzeug von Zuhause mitbekommen.”

Cornelia Holländer ist auf dem Land groß geworden, im niederrheinischen Moers. Auf dem Hof der Familie wurden Ponys gehalten, standen Belegungspferde, um die sich die Heranwachsende zu kümmern hatte. Zweimal täglich versorgt sie die Tiere, morgens und abends. Hier lernt sie Verantwortungsbewusstsein, hier erwacht ihr Pflichtgefühl. „Das war eine ganz gute Schule, denke ich.”

Als sie ihr Studium mit dem Diplom beendet – es sollte nicht ihr letzter Abschluss bleiben –, heuert sie bei einer Krankenkasse an.

Top Management Pflege:  Was genau reizte Sie an der Tätigkeit in der Krankenkasse?

Cornelia Holländer: Es war der Beginn der 2000er Jahre, des neuen Jahrtausends. Es ging um große, neue Themen damals: um Versorgungsmanagement, Managed Care, Integrierte Versorgung, Hausarztverträge. Das trieb natürlich auch die Krankenkassen um: Wie organisiert man unter diesen neuen Vorzeichen eine Krankenversorgung?

Top Management Pflege:  Und warum war das für Sie interessant?

Cornelia Holländer: In der Krankenkasse konnte ich alles verbinden, was ich bis dahin gelernt hatte. Ich konnte mein Wissen aus der Pflege und Medizin einbringen, über das, was Pflegekräfte, Ärzte und Krankenhäuser leisten. Auf der anderen Seite konnte ich aber auch meine Kenntnisse der Gesundheitsökonomie anwenden. Und ich habe auch viel Neues gelernt, unter anderem erlebt, wie sich die Ausgaben auf der Seite der Kostenträger anfühlen. Aber am beglückendsten war für mich eben der Transfer von Theorie hinein in die Praxis. Getoppt wurde diese Erfahrung schließlich, als ich nach zwei Jahren von der Krankenkasse in den BKK-Landesverband gewechselt bin und fortan als Referentin für vertragsärztliche Versorgung und Vergütung tätig war. Hier habe ich mich unter anderem darum gekümmert, Disease Management Programme umzusetzen, vor allem für äußerst bedrohliche Krankheitsbilder wie etwa Brustkrebs.

Bis heute engagiert sich Cornelia Holländer im Netzwerk Aktion B, einem ehrenamtlichen Verein am Niederrhein, der über Brustgesundheit informiert und Frauen, die an Brustkrebs erkrankt sind, über einen Hilfsfonds finanziell unterstützt. Holländer ist als Beisitzerin im Vorstand aktiv, will mit Aktionen darauf aufmerksam machen, dass Frauen zur Vorsorge gehen, das sei ihr „ein großes Anliegen”.

Top Management Pflege:  Was gehört zu den wertvollsten Erfahrungen, die Sie in Ihrer Zeit bei der Kasse und im Landesverband der BKK, hier waren Sie anschließend über zehn Jahre, sammeln konnten?

Cornelia Holländer: Sicherlich der Brückenschlag zwischen Versorgung und Kostenträgerschaft. Ich befinde mich heute in der dankbaren Rolle, dass ich in meinem Berufsleben schon viele Brillen auf hatte. Wenn ich heute an einem Verhandlungstisch sitze, kann ich immer mal kurzzeitig eine dieser Brillen hervorholen, sie aufsetzen, und die Dinge aus der Warte des anderen betrachten. Das hilft bei Gesprächen mit Interessenvertretern, die ja alle ihr jeweils eigenes Ziel im Blick haben, ungemein – immer dann also, wenn ein für alle Beteiligten befriedigender Konsens gefunden werden muss. Oh, und ich darf nicht vergessen: Ich hatte in dieser Zeit, also bei der Kasse und auch beim Verband, richtig gute Mentoren, die mich nachhaltig weitergebracht haben. Das ist ja ohnehin eines der Erfolgsrezepte einer guten Karriere.

Top Management Pflege:  In Mentoren sehen Sie also einen Erfolgsfaktor für eine Karriere?

Cornelia Holländer: Oh ja! Voneinander lernen, sich austauschen, ein Netzwerk betreiben – das ist elementar für den Berufsweg. Das würde ich jeder Frau im Gesundheitswesen, aber nicht nur da, raten: Sucht euch Verbündete, vernetzt euch. Und zwar zum einen mit Menschen, die bereits dort sind, wo sie selber hin möchten, also in der gewünschten Branche oder der angestrebten Position. Zum anderen aber, das ist mein persönlicher Tipp, ruhig auch mit Personen, die vielleicht einen ganz anderen Beruf haben.

Top Management Pflege:  Können Sie dafür ein Beispiel geben?

Cornelia Holländer: Ich denke da spontan an eine Kollegin, die zur gleichen Zeit wie ich beim BKK-Landesverband gearbeitet hat, und zwar als Juristin. Wir haben uns über gemeinsame Themen und Projekte angenähert, festgestellt, dass wir uns sympathisch sind und uns gut austauschen können. Juristen – darauf will ich hinaus – haben ja oft nochmal einen anderen Blick auf Dinge, und sie sind, meiner Erfahrung nach, auch gute Mediatoren. Mich auch heute noch mit ihr auf ein Glas Wein zu treffen, ihr meine Lage zu schildern, ihren Rat oder ihre persönliche Bewertung zu hören, ist oft sehr hilfreich für mich, ja, gar beflügelnd.

Dabei ist Cornelia Holländer, die 2010 auf ihr Diplom noch einen Master im Management von Gesundheit- und Sozialleistungen an der Technischen Universität Kaiserslautern/Uni Witten-Herdecke draufsattelte, selber erfahren darin, zu reflektieren, Situationen oder Prozesse zu bewerten, Veränderungen einzuleiten.

Neben ihrem Job bei den Maltesern ist sie Dozentin, arbeitet außerdem als ausgebildete und zertifizierte Organisations- und Demografieberaterin. Sich abzeichnende Veränderungen zu erkennen und zu wissen, welche Maßnahmen zu ergreifen sind, das hat sie gelernt. Etwa mit Blick auf den vielzitierten demografischen Wandel: Sie kann Altersstrukturanalysen erstellen, die einer Klinik oder einem Pflegeheim sagen, ab wann es kritisch wird mit dem Brain-Drain: ab wann also so viele – oder auch ganz bestimmte – Fachkräfte in Rente gehen, die einen solchen Erfahrungsschatz mitnehmen werden, dass es die Einrichtung schmerzen wird. Dafür brauche es heute vielleicht nur einen Knopfdruck, und die Software spucke die gewünschten Zahlen aus, räumt sie selber ein. Doch wie die Einrichtung mit dieser Perspektive umgehen kann, wie sie dem Exodus an Wissen mit Nachfolgeregelungen, gemischten Teams, Wissenstandems etwas entgegensetzen kann, das weiß Holländer. 

Top Management Pflege:  Durch Ihre Vita scheint sich ein roter Faden zu ziehen – der nämlich, dass Sie stets die Zeichen der Zeit erkannt zu haben scheinen. Der Gesundheitsmarkt wird immer wirtschaftlicher – Sie wenden sich der BWL zu; die Menschen werden immer älter – Sie werden zur Demografieexpertin. Ist das ein Erfolgsrezept, zu dem Sie auch anderen Frauen raten können?

Cornelia Holländer: Immer schön das Ohr am Markt oder der Gesellschaft zu halten, meinen Sie? (Sie überlegt) Nun, es schadet sicher nicht, ein Gespür zu entwickeln, wohin die Reise einer Branche geht. Doch mindestens genau so wichtig, vielleicht sogar noch wichtiger, ist es, sich selbst gut zu kennen, mit sich auch einmal in eine innere Klausur zu gehen, um zu erkennen, was man möchte, wohin es einen treibt.

Top Management Pflege:  Dann sprechen wir doch mal über Veränderungen in der Karriere – von denen Sie selbst ja einige erlebt oder angestoßen haben. Was raten Sie Frauen, die spüren, dass sie an einem Wendepunkt stehen?

Cornelia Holländer: Zum einen bin ich großer Freund von Retreats, von mehrtägigen Treffen also. Bei solchen Reisen oder Zusammenkünften lassen sich das Innere und das Äußere gut spiegeln…

Top Management Pflege:  Moment, das müssen Sie genauer erklären…

Cornelia Holländer: Also gut (überlegt wieder kurz): Im Außen mag etwas prima aussehen, ein toller Job, eine sichere Position, Anerkennung. Doch wie sieht die Lage im Innern aus? Funktioniert das noch gut zusammen? Oder klafft da eine Diskrepanz, wollen vielleicht andere Bedürfnisse ausgelebt werden?

Top Management Pflege:  …und dabei helfen solche Veranstaltungen?

Cornelia Holländer: …solche Retreats, ja. Weil man hier aus seinem Alltag aussteigt, sich mit Gleichgesinnten zusammentut, sich austauscht. Am Ende einer solchen Zeit, die ja meist von Gesprächen, aber auch Entspannungsmomenten geprägt ist, steht meist ein großer Erkenntnisgewinn.

Top Management Pflege:  Nun hat nicht jeder die Zeit oder das Geld für solche Reisen… Wie lässt sich auch zu Hause ein ähnlicher Retreat-Effekt erzeugen, um sich über nötige Karriereveränderungen klar zu werden?

Cornelia Holländer: Es sind zwei Hauptpunkte, die hier eine Rolle spielen: zum einen die Ruhe und die innere Einkehr. Die kann man sich auch daheim verschaffen: sich zurückziehen, nachdenken, Zeichen und Symptome wahrnehmen, erkennen, dass die kleine Unzufriedenheit oder auch der erste größere Frust nicht von ungefähr kommen, dass sie keine Laune der Natur sind. Wenn die Leichtigkeit abhanden gekommen ist, ist das oft schon mal ein untrügliches Zeichen.

Top Management Pflege:  Und dann?

Cornelia Holländer: Dann gilt es, alles, was bei einer solchen Selbstbeschau hochkommt, auszuhalten, ehrlich zu sich zu sein. Wendepunkte, das weiß ich aus eigener Erfahrung, sind häufig angstbesetzt, unsere Psyche mag ja keine Veränderungen, sondern liebt Routine und Sicherheit, auch wenn die auf lange Sicht keinem gut tut. Also: Auch wenn man einen gesunden Respekt davor hat, ruhig klar hinschauen: Will ich hier noch sein, und wenn nicht: Wo will ich hin, was brauche ich? Und wenn dann der Knoten platzt, kann man auch mutig sein und springen.

Top Management Pflege:  Und der zweite Punkt?

Cornelia Holländer: Der zweite Punkt ist der erwähnte Austausch mit anderen. Es also nicht nur mit sich allein auszumachen, sondern Feedback holen, sich spiegeln lassen: Wie nimmst Du das an mir wahr, wie siehst Du meine Situation?

Holländer selbst hat längst erkannt, was sie in ihrem Berufsleben braucht und ausleben möchte. Was sie mag: Selbstbestimmtheit, Handlungsspielraum, die Möglichkeit, Dinge anzustoßen, Freiheit. Pragmatismus, wo es stattdessen Tatendrang braucht, ist ihr zuwider.

Cornelia Holländer: Natürlich gibt es im Gesundheitswesen viele Regularien, nach denen gehandelt wird, auch gehandelt werden muss. Aber ich glaube, jede und jeder braucht auch einen gewissen Freiheitsgrad, in dessen Rahmen sich gut und selbstbestimmt agieren lässt.

Top Management Pflege:  Und die sollte man sich, so irgend möglich, erarbeiten, diese Freiheit?

Cornelia Holländer: Wenn man für sich erkennt, dass man das braucht, dann ja, unbedingt. Dann kann nämlich auch wieder das einkehren, was den Beruf – oder die Berufung – doch erst beglückend macht: Lust und Leichtigkeit.

Interview: Romy König

 

 

 

Wir haben noch mehr für Sie!

Antworten und Impulse für die Pflegeprofession gibt es auch direkt ins Postfach: praxisnah, übersichtlich und auf den Punkt.
Melden Sie sich jetzt für den pflegebrief an - schnell und kostenlos!
Wir geben Ihre Daten nicht an Dritte weiter. Die Übermittlung erfolgt verschlüsselt. Zu statistischen Zwecken führen wir ein anonymisiertes Link-Tracking durch.

Umfrage Schlütersche Frauennetzwerk

Karriereleiter für Frauen in der Pflege? Fehlanzeige!

In Kliniken und Heimen werden Frauen selten in ihren Ambitionen gefördert, die Karriereleiter scheint eher ein Tritt. Das ist das Ergebnis einer Umfrage des Frauennetzwerks TOP-Management Pflege

    • Frauennetzwerk, Pflege als Beruf, Pflegefachkraft, Pflege und Management

Wer hat diesen Mann gesehen?

Ein polnischer Pflegehelfer könnte eine Mordserie im häuslichen Milieu zu verantworten haben. Die Kripo bitte um Unterstützung. Der Verdächtige hat in Rheinland-Pfalz, Bayern, Baden-Württemberg, NRW, Schleswig-Holstein und Brandenburg gearbeitet.

Gerade Intensivpflegekräfte können problemlos häufig wechseln: Sie haben einen klar umgrenzten Arbeitsplatz, ohne ausgeprägte Vernetzung. Außerdem sind sie hochbegehrt,    

Beruf und Karriere

Ist ein häufiger Jobwechsel wirklich so schlimm?   

Jedes Jahr ein neuer Job – das macht misstrauisch. Oder doch nicht? Personalexperte Dr. Nicolai Kranz beobachtet gerade eine Veränderung in den Personalabteilungen – ein Gastkommentar   

    • Intensivpflege, Pflege als Beruf, Pflege und Management

Vorlesen im Heim

Bewohner haben keine Lust mehr auf Besinnliches ...

... sie wollen endlich lachen - Heilpädagogin Susann Winkler muss es wissen: Die Autorin von „Bitte 3 x täglich lachen“ hat jahrelang in Pflegeheimen in Großbritannien, Kroatien und Österreich gearbeitet

    • Aktivieren und Beschäftigen, Pflegebedürftiger, Betreuung, Altenpflege, Buch