Der Psychiatrie-Professor Michael Sadre Chirazi-Stark (Foto ganz unten) ist Burn-out-Experte und schreibt Bücher zur Frage, wie aus Freizeit tatsächlich Erholung wird. Mit den Bedürfnissen von Pflegekräften und Medizinern kennt er sich besonders gut aus: Er war lange Chefarzt in einer Asklepios-Klinik. Heute ist er selbstständig. In seinem Hamburger Institut bietet er zusammen mit Kollegen Belastungsdiagnostik und Therapie für gestresste Führungskräfte und Mitarbeiter an.
pflegen-online: Gibt es für Menschen in sozialen Berufen besondere Urlaubsempfehlungen?
Michael Sadre Chirazi-Stark: Mitarbeiter in sozialen Berufen sind häufig dem Persönlichkeitstypus überfürsorglich und hilfsbereit zuzuordnen. Im Urlaub sollte dieser Personenkreis deshalb genau das Gegenteil machen von dem, was im Beruf von ihm verlangt wird. Beispielsweise eignet sich als Ausgleich sehr gut ein Wellnesshotel, in dem man sich einmal richtig verwöhnen lassen kann mit Massagen und Saunen. Vielen sozial veranlagten Menschen fällt es aber relativ schwer, sich so bedienen zu lassen. Es tut ihnen regelrecht weh!
Wovon raten Sie Pflegekräften im Urlaub ab?
Familienmütter, die in Pflegeberufen arbeiten, sollten keinen Urlaub auf dem Campingplatz oder in der Ferienwohnung machen! Es sei denn, die Mitarbeit der übrigen Familienmitglieder beim Einkaufen, Kochen und Putzen am Urlaubsort ist in jedem Fall gewährleistet. Oft ist es aber so, dass sozial veranlagte Menschen mit starker Persönlichkeitsausprägung in Richtung Mütterlichkeit und Fürsorge oder sogar einem regelrechten Helfersyndrom diese Tätigkeiten auch im Urlaub liebend gern an sich ziehen. Solche Menschen leiden regelrecht, wenn sie Zuwendungen und Fürsorge anderer annehmen sollen. Der Aufenthalt in einem Wellness-Hotel, wo sich alles nur um sie dreht, ist für sie fast Folter. Leichter fällt ihnen beispielsweise ein Urlaub in einer Gruppe, in der die Pflichten verteilt werden und regelmäßig wechseln. Auch dann müssen die anderen allerdings noch aufpassen, dass ein solcher Mensch nicht freiwillig zusätzliche Abwasch-Schichten übernimmt. Menschen mit Fürsorgeeinstellung müssen erst wieder lernen, die Freiheit von Pflichten als Genuss zu empfinden.
Welche Reiseziele empfehlen Sie Pflegekräften?
Wer richtig erschöpft ist vom Berufsalltag, der kann keine neuen Dinge aufnehmen. Er oder sie sollte dann keine anstrengenden Fernreisen oder Besichtigungstouren buchen, sondern am besten vor Ort bleiben. Allerdings sollte man auch nicht zuhause bleiben, sondern einen gut bekannten Ort anpeilen, den man nach nicht allzu langer, stressfreier Fahrt bequem erreicht, den man zudem kennt und wo man sich schon fast wie zuhause fühlt. Dann beginnt der Erholungswert schon vom ersten Tag an.
Fernreisen sind also grundsätzlich tabu?
Wer durch beruflich bedingte Schicht- und damit verbundene Nachtdienste eh schon belastet ist, sollte im Urlaub größere Zeitverschiebungen meiden. Statt Thailand empfehle ich dann lieber Südafrika: dort fällt die Zeitverschiebung weg. Besser ist es allerdings, an die Nordsee zu fahren oder ins Allgäu.
Welche Urlaubsaktivitäten kommen für gestresste Pflegekräfte in Frage?
Bewegung ist natürlich immer gut. Wichtig sind aber vor allem auch Entspannungstechniken wie Yoga, Tai Chi, Feldenkrais und Tanzen. Wie gesagt: Gut ist alles, was Ausgleich zur beruflichen Tätigkeit schafft!
Wie lang sollte der Urlaub dauern?
Mindestens zwei Wochen! Solange braucht der Körper, um sich wieder auf seinen ureigenen Rhythmus einzupendeln. Ich rate immer zu einem längeren Urlaub im Jahr, der nicht fremdbestimmt sein darf und ohne Besichtigungstouren auskommen sollte, und daneben zu vielen kleinen Fluchten aus dem Alltag. Für solche Kurzurlaube eignen sich dann Städte-Trips – vorausgesetzt, man erreicht sie ohne allzu großen Stress.
Autorin: Birgitta vom Lehn
Porträtfoto: privat
Wie kann ich meinen Urlaub effektiver planen? Machen Sie den Test auf der Website von Michael Sadre Chirazi-Stark.