Grundpflege kann doch jeder, dafür braucht man keine dreijährige Ausbildung. Das ist die gängige Meinung. Doch einem Patienten Essen reichen, ihn mobilisieren oder zur Toilette begleiten – alles dies sind komplexe pflegerische Aufgaben, die viel Fach- und Sozialkompetenz verlangen. Unreflektiert ausgeführt können sie etwa
bei einem Schlaganfall-Patienten zu Aspirationspneumonie, schwerem Sturz oder Druckgeschwüren führen. Dies ist der Grund, weshalb die Pflegewissenschaftlerin Sandra Bensch (Katholische Hochschule Mainz) die Rede von Grundpflege und Behandlungspflege für irreführend hält.
Grundpflege-Behandlungspflege - ein bürokratische Unterscheidung
„Die Unterscheidung stammt eigentlich aus dem Sozialgesetzbuch V und XI. Doch jetzt verwenden auch Pflegefachpersonen und Lernende sie immer häufiger. Das ist eine gefährliche Tendenz, weil sie Pflegeaufgaben in Schweregrade unterteilt, die mit der Wirklichkeit wenig zu tun haben, und damit die Sicherheit der Pflegebedürftigen in Deutschland gefährdet“, so die Professorin (Foto unten).
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Komplex? Instabil? Die Pflegesituation ist entscheidend
Was eine Pflegefachperson von einer Pflegehilfskraft im Wesentlichen unterscheidet, ist nicht die Tatsache, dass die dreijährig Ausgebildete Behandlungspflege übernehmen darf und die andere „nur Grundpflege“. „Nein, es ist die Pflegeexpertise, die die Pflegefachperson auszeichnet! Sie ist diejenige, die eine Pflegesituation beurteilen kann, sie trägt Verantwortung für den Prozess“, sagt Sandra Bensch. „Ihr sollte etwa auffallen, wenn ein Patient seltsam schluckt. Sie klärt dann, ob es sich um eine Dysphagie handelt: Sie schaltet die Logopädin ein, gegebenenfalls die Ärztin, ist die ganze Zeit über wachsam und kommuniziert ihre Beobachtung an ihre Kollegen. Sie ordert passende Nahrungsmittel und ordert die Abholung der Supplemente.“
Essenanreichen kann eine hochkomplexe Aufgabe sein
Eine so agierende Pflegefachperson mag bei einer stabilen, wenig komplexen Pflegesituation durchaus zu dem Schluss kommen, dass eine Pflegehelferin das Essenanreichen übernehmen kann – aber gewiss nicht bei einem
Patienten mit einer instabilen, hochkomplexen Pflegesituation.
Wenn die Pflegehelferin einen Fehler macht ...
Das Beispiel macht noch einmal deutlich, wie groß die Verantwortung der Pflegefachperson bei der Delegation an Pflegehelfer und -assistenten ist. Denn es gibt nicht für alle Aufgaben ein eindeutiges Dürfen/Nicht-Dürfen. Für das Stellen von Medikamenten gilt eindeutig: Die Pflegehelferin darf es nicht. Übernimmt sie es doch und es passiert ihr ein Fehler, wird die Pflegefachperson verantwortlich gemacht. Aber auch bei Tätigkeiten wie Körperpflege und Mobilisation kann eine Pflegefachperson für die Fehler einer Pflegehelferin verantwortlich gemacht werden: dann nämlich, wenn sie sich nicht genügend versichert hat, dass die Hilfskraft eine bestimmte Tätigkeit X bei Person Y in einer konkreten Situation Z tatsächlich sicher durchführen kann.
Autorin: Kirsten Gaede
Der Artikel erschien zuerst im digitalen Magazin der Pflegekammer Rheinland-Pfalz