Der Artikel erschien zuerst am 20. Januar 2020 und wurde am 4. Juli 2022 aktualisisiert.
Der Sommerurlaub steht vor der Tür, endlich stehen fast überall auf der Welt die Türen wieder offen nach der Hochphase der Corona-Pandemie. Da muss es jetzt etwas ganz Großartiges sein - oder nicht? Unsere Tipps könnten Ihnen bei der Planung helfen und vor Enttäuschung schützen. Wir fragten Carmen Binnewies (Professorin für Arbeitspsychologie an der Universität Münster) und Anette Wahl-Wachendorf (Vizepräsidentin des Verbands deutscher Betriebs- und Werkärzte). Ihre Tipps:
- Ganz wichtig ist, genau in sich hinein zu horchen und zu fragen: Was tut mir gut? (Anette Wahl-Wachendorf)
- Mütter laufen Gefahr, den Helferblick auch innerhalb der Familie aufzusetzen - gerade auch deshalb, weil sie es gewohnt sind, in ihrer beruflichen Rolle als Pflegerin dadurch Anerkennung und Wertschätzung zu erfahren. Durchbrechen Sie diese Rolle nicht wenigstens im Urlaub und setzen so ein Gegengewicht, brennen Sie irgendwann zwangsläufig aus. (Anette Wahl-Wachendorf)
- Es müssen nicht mehr zwingend dreiwöchige Urlaube sein, um sich gut zu erholen. Günstig sind zwei Wochen, aber auch Kurzurlaube können schon positiv wirken. Allerdings sollte man nicht für zwei Tage auf die Kanarischen Inseln fliegen, das bedeutet für den Körper zu viel Stress, sagt Anette Wahl-Wachendorf. Carmen Binnewies verweist in diesem Zusammenhang auf die umfassende Untersuchung ihrer Kollegin Jessica de Bloom, die sämtliche Studien zu diesem Thema in ihrer Dissertation zusammengetragen habe und zu dem klaren Ergebnis gekommen sei, dass ein wochenlanger Urlaub nicht besser ist als eine einwöchige Auszeit.
- Fernreisen sollten sehr erschöpfte Personen meiden. Sie sind anstrengender, der Leukozyten-Pegel im Blut geht nachweislich runter. Da die weißen Blutkörperchen gut fürs Immunsystem sind, kann ein zu geringer Anteil im Blut die Abwehrkräfte schwächen. Mit der Folge, dass man nach der Reise erschöpfter an den Arbeitsplatz zurückkehrt als man ihn vor dem Urlaub verlassen hat. Reisen mit Jet-Lag dienen also nicht der Erholung. Besser ist es, „um die Ecke“ zu verreisen, das heißt einen Ort zu wählen, der sich stressfrei erreichen lässt. (Anette Wahl-Wachendorf)
- Vorher- und Nachher-Tage einzuplanen kann sehr sinnvoll sein! So kann man sich auf den Urlaub beziehungsweise nachher auf die Arbeit mental und physisch wieder besser einstellen. (Anette Wahl-Wachendorf)
- Wellnessurlaube werden überschätzt. Wer Sauna mag, dem tut sie sicher gut. Ansonsten sind Spaziergänge billiger und mindestens genauso erholsam. Massagen werden besonders gern von Alleinstehenden gebucht. Das ist legitim, denn körperliche Zuwendung ist wichtig und erholsam. (Anette Wahl-Wachendorf)
- Den Urlaub zuhause zu verbringen ist schwierig. Man räumt dann zu viel auf und macht Routinearbeit. Ein Erholungsprozess kann dann nicht stattfinden – es sei denn, das Aufräumen macht einem sehr viel Spaß und ist nicht nur lästige Pflicht. Carmen Binnewies Erholungs-Tipps decken sich in diesem Punkt nicht mit denen der Werksärztin. Für sie besteht „die wichtigste Erholungserfahrung darin, von der Arbeit abzuschalten“. Letztlich sei es „egal, ob man wegfährt oder zuhause bleibt“: Das Reisen sei „schließlich immer auch mit neuem Stress verbunden“, und zuhause gebe es sehr gute Möglichkeiten des Abschaltens. „Das ist eine ganz individuelle Entscheidung, die sich am subjektiven Empfinden orientieren sollte.“
- Schlechte Laune durch Facebook: Wichtig findet die Münsteraner Psychologin auch, sich nicht immer mit anderen zu vergleichen. So habe man in Studien festgestellt, dass die Benutzung von Facebook genau deshalb schlechte Laune mache. „Wer dort postet, stellt sich stets in einem interessanten Licht dar. Wer das liest, denkt dann, nur die anderen erleben so tolle Sachen.“ Auch wer im Urlaub viel via Smartphone mit Freunden, Angehörigen oder Arbeitskollegen kommuniziere, erhole sich weniger gut, warnt Binnewies.
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- Bewegung ist Urlaub! Nicht zuletzt heißt es auch im Alltag immer ein Stück Urlaub in den Tag zu integrieren: Ein wichtiger Erholungsbaustein im Alltag sei „Bewegung“, sagt Binnewies. Allerdings sei es für Pflegende oft besonders schwierig, sich nach einem auch körperlich anstrengenden Arbeitsalltag noch einmal aufzuraffen und Sport zu treiben. „Gegen den inneren Schweinehund hilft nur die Verabredung in der Gruppe. Man sollte sich feste Termine setzen, damit Bewegung nach Feierabend zur Routine wird.“ So können sich bei der Aquagymnastik im warmen Hallenbadwasser vielleicht sogar Urlaubsgefühle entwickeln.
Autorin: Birgitta vom Lehn
Bild: Patrizia Tilly - stock.adobe.com