pflegen-online: Frau Vogler, durch die neue Personalbemessung, die PeBeM, sind die Pflegeheime gezwungen, ihren Anteil an Pflegeassistenten bis 2025 drastisch zu erhöhen. Viele Träger sagen, es sei gar nicht so einfach, die vielen angelernten Pflegehilfskräfte für die Ausbildung zu interessieren. Lassen Sie das Argument gelten?
Christine Vogler: Ich bin als Geschäftsführerin des Berliner Bildungscampus für Gesundheitsberufe nah dran am Thema und ich kann nur feststellen: Wir bieten die Pflegeassistenzausbildung an, Träger und Einrichtungen müssten bei uns Schlange stehen, um auszubilden –, aber das tun sie nicht. Das Rothgang-Gutachten und die dazugehörige gesetzliche Umsetzung sind seit fast drei Jahren bekannt, doch Träger und Einrichtungen reagieren nicht darauf – das irritiert stark.
Die neue Personalbemessung für die Langzeitversorgung sichert einen Mindeststandard an Qualifikation beim Personal in der direkten Versorgung. Und wie jede Änderung, sind die Umsetzungsverfahren noch nicht perfekt, beziehungsweise nicht ganz so, wie man sich das vielleicht wünscht. Maßgeblich für die Umsetzung des PeBeM ist aber die Qualifikation der Pflegeassistentinnen und -assistenten. In dem Gutachten von Professor Rothgang zeigte sich, dass im zukünftig abzubildenden Qualifikationsmix gerade im Bereich der Assistenz massiver Schulungsbedarf besteht.
Der Benefit für die Pflegehilfskräfte, die mit finanzieller Unterstützung in die Pflegefachassistenzausbildung gehen, liegt eindeutig auch in der Gehaltszahlung – diese liegt am Ende um einiges höher.
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Sie monieren aber auch, dass die Pflegeassistenz-Ausbildung zersplittert ist und ein bundesweiter Qualitätsstandard fehlt.
Ja, wir haben Wildwuchs in den Ländern. Jedes Bundesland macht seine eigene Ausbildungsgesetze und Verordnungen. So ist in einigen Bundesländern die Ausbildung mit dem Erwerb eines schulischen Abschlusses verbunden, in anderen nicht. In einigen Bundesländern dauert sie ein Jahr, in Berlin 18 Monate und im Saarland 23 Monate. Wir haben bundesweit fast 26 verschiedene Abschlüsse in der Pflegeassistenz-Ausbildung – das ist nicht mehr sinnvoll.
Die Assistenz-Ausbildungen sind aber staatlich anerkannte Ausbildungen?
Ja, das sind sie. Aber wir müssen anfangen, die Ausbildung in der Pflege ganzheitlich zu konzipieren, niederschwellig und durchlässig wie in den anderen europäischen Ländern. Das heißt, es muss möglich sein, mit einer Assistenz-Ausbildung zu beginnen und darauf aufbauend die Ausbildung zur Pflegefachfrau oder zum Pflegefachmann anzusteuern, später vielleicht eine Weiterbildung zu machen, ein Studium zu beginnen oder, oder …
Aber gerade an dieser Stelle beginnt es für Pflegeassistenten kompliziert zu werden: Wenn jemand mit einer 18-monatigen Assistenzausbildung in ein anderes Bundesland wechselt, in dem die Assistenz-Ausbildung nur ein Jahr dauert: Wie viel Zeit bekommt er dann für die dreijährige Pflegeausbildung anerkannt? So viel wie in seinem Herkunftsbundesland oder so viel wie in dem Bundesland, in dem er jetzt lebt? Diese ungeklärten Fragen werden Ratlosigkeit und Unmut hervorrufen und Pflegekarrieren holprig machen. Das ist das Gegenteil von dem, was sich Politik und Träger im Angesicht des Fachkräftemangels wünschen.
Und das lässt die Bundesgesundheitsministerium beziehungsweise die Regierung einfach so geschehen?
Nun, ja, die Regierung hat das Problem schon erkannt: Im Koalitionsvertrag steht die Assistenz-Ausbildung solle einheitlich geregelt werden, es ist von einem bundeseinheitlichem Berufsgesetz die Rede. Aber momentan erkennen wir nicht, dass daran zügig und zielgerichtet gearbeitet wird. Auch im Pflegeunterstützungs- und -entlastungsgesetz werden die Absichten unterlaufen: Es findet sich darin schlicht keine Aussage zur Einheitlichkeit der Pflegeassistenz-Ausbildung.
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Das Problem hängt natürlich mit den Zuständigkeiten von Bund und Ländern zusammen: Nur der Heilberuf selbst kann über den Bund geregelt werden. Die Pflegehelferausbildung ist aber kein Heilberuf. Deshalb ist sie auch 2004 aus dem Krankenpflegegesetz gestrichen worden, sie sollte auf Länderebene geregelt werden.
Auch wenn die Situation politisch kompliziert ist: Es muss doch trotzdem eine Lösung geben. Schließlich geht es darum, den Fachkräftemangel in den Griff zu bekommen und die pflegerische Versorgung zu sichern.
Interview: Kirsten Gaede