Was für ein schrecklicher Tag: Sie werden kritisiert, ein Kollege, eine Bewohnerin oder ein Angehöriger sagt Ihnen, was er an Ihrer Arbeit oder an Ihnen nicht mag. Sie möchten am liebsten im Erdboden versinken, Ihnen kommen die Tränen. Sie haben Angst, dass man Sie nicht mehr mag. Sie fühlen sich ungerecht behandelt und ziehen sich zurück ins Schneckenhaus. Oder Ihre Wut kocht über und Sie starten die große Retourkutsche.
Im Job erleben wir es als trennenden Riss, wenn wir Vorwürfe, Angriffe, Beleidigungen, Unterstellungen, Übertreibungen, Schuldzuweisungen kassieren. Auch sogenannte gute Ratschläge und negative Kritik wirken trennend und verletzend.
Schieben Sie Stressgefühle nicht auf andere
Jobportal pflegen-online.de empfiehlt:
Versetzen wir uns einmal in die Situation desjenigen, der die für Sie so schmerzhafte Kritik ausspricht. Schon als Kind hat er gelernt, dass seine „Mama erst zufrieden ist“, wenn er aufgegessen oder das Zimmer aufgeräumt hat. Im Gegenzug hat das Kind gelernt, dass es Mama schlecht geht, wenn das Kind nicht nett ist. Das ist Mamas Methode, damit sich das Kind verantwortlich für ihre Enttäuschung fühlt.
Wenn das einstige Kind heute als Erwachsener etwas erlebt, was schmerzliche Gefühle in ihm wachruft, dann folgt er meist dem Impuls, dem anderen, also in diesem Fall Ihnen, die Schuld daran und die Verantwortung dafür zu geben:
- „Weil Du so spät kommst, habe ich Stress!“ keift Ihnen ein wütender Kollege entgegen.
- Eine andere Kollegin kocht plötzlich über vor Wut und bellt Sie an: „Ich mache hier die ganze Arbeit und Du vertreibst Dir die Zeit im Dienstzimmer!“
Wo finden wir den Schlüssel für einen anderen Weg, Kritik auszusprechen und eine andere Art, auf Kritik zu reagieren? Zuerst gilt es zu erkennen, welchen Nutzen Menschen daraus ziehen, wenn sie die Schuld auf andere schieben: „Einen anderen Menschen zu beschuldigen oder zu schädigen, ist eine Strategie, die wir zur Linderung unserer Gefühle der Machtlosigkeit und Verletztheit einsetzen“, sagt Buchautorin Kelly Bryson.
Kommunizieren Sie gewaltfrei
Auf dem Weg zu einer Lösung kommen die Prinzipien der gewaltfreien Kommunikation ins Spiel. Dieses Modell hilft Ihnen dabei, einfühlsam zu kommunizieren. Marshall Rosenberg gilt als Begründer der gewaltfreien Kommunikation. Er sagt: „Für die meisten von uns ist es schwierig, Menschen und deren Verhalten in einer Weise zu beobachten, die frei ist von Verurteilung, Kritik oder anderen Formen der Analyse.“
Pflegekräften liegt das „Analysieren“ schon berufsbedingt im Blut. Es gehört zu ihrem Beruf, Menschen mit ihrem Verhalten sofort zu beurteilen oder zu bewerten. Doch das macht unfrei. Wenn Sie damit aufhören, können Sie selbst die Verantwortung für Ihre Gefühle übernehmen.
Vielleicht ist die Kritik an ihrer Person gerechtfertigt?
Nutzen Sie die Prinzipien der gewaltfreien Kommunikation für Ihr eigenes Wohlbefinden und trainieren Sie sich eine neue Herangehensweise an, wenn Sie Kritik hören:
Fragen Sie sich das nächste Mal: „Was genau empfinde ich als schlimm, wenn der andere eine andere Auffassung von bestimmten Dingen oder Situationen hat?“ Hören Sie genau hin – gibt es vielleicht einen Anlass, dass die Kritik berechtigt sein könnte? Vielleicht liegt in Ihrem Verhalten etwas, was anders hätte gemacht werden können. Seien Sie offen, und signalisieren Sie: „Da ist was Wahres dran. Es stimmt schon, dass ich an manchen Tagen so streng gucke (die Wäsche nicht ganz ordentlich sortiere, den Eintrag in den Pflegebericht unleserlich schreibe et cetera).
Konflikte geben dem Leben Würze
Denken Sie darüber nach: „Wir müssen nicht immer der gleichen Meinung sein, um gemeinsam gut leben und arbeiten zu können. Im Gegenteil: Wenn wir immer der gleichen Meinung wären, dann wären Langeweile und Stillstand die Folge.“ Atmen Sie ein paar Mal ruhig durch!
Nehmen Sie die Kritik nicht persönlich. Nicht Sie als Mensch sind kritisiert worden, sondern ein Verhalten, das Sie gezeigt haben. Unterscheiden Sie zwischen der persönlichen Ebene und der Sachebene.
Gehen Sie nicht sofort in die Verteidigung
Benennen Sie, was Sie fühlen. Sie brauchen sich nicht zu verteidigen oder zu rechtfertigen. Viel gekonnter ist es, zu sagen, wie es einem mit dem Gehörten geht. „Wenn Sie zu mir sagen, dass ich den Dienstplan nicht so geschrieben, wie Sie ihn wollten und Sie unzufrieden mit mir sind, bin ich traurig und frustriert. Es tut mir leid, dass ich es nicht so gemacht habe, wie Sie es sich wünschen. Ich bitte Sie, mir noch einmal zu zeigen, was ich bedenken soll.“
Es gibt keine Fehler – nur Feedback
Wenn Sie gleich denken, dass Sie einen Fehler gemacht haben, oder versagt haben, dann bewerten Sie höchstwahrscheinlich diese Kritik zu hoch. Nutzen Sie die Kritik als Feedback! Entwickeln Sie Freude und Neugier, aus dieser Situation noch weiter zu lernen. Eine Korrektur ist hilfreich.
Wer kritisiert, weiß oft keinen anderen Ausweg
Fühlen Sie sich in Ihr Gegenüber ein und unterstellen Sie ihm eine gute Absicht. Oft ist es so, dass sich Ihr Gegenüber ein wichtiges, für ihn sinnvolles Bedürfnis, erfüllt. Auch wenn seine Strategie, dieses Bedürfnis auszudrücken, Ihnen nicht erfolgreich scheint, sollten Sie davon ausgehen, dass ihm keine andere Strategie zur Verfügung stand.
Sachlich und konstruktiv kritisieren
Lassen Sie uns zusammenfassen, welche vier wichtigen Elemente zu einem guten Kritikgespräch gehören. Das gilt für das Kritisieren ebenso wie für das Kritisiert-Werden.
- Sachlichkeit: Kritisieren Sie die Arbeit, nicht die Person, verzichten Sie auf unsachliche Übertreibungen.
- Schonend: Führen Sie das Gespräch unter vier Augen, üben Sie nicht nur Kritik, sondern merken Sie auch das Positive an, verletzen Sie nicht das Selbstwertgefühl Ihres Gegenübers, und lassen Sie den Mitarbeiter (Kollegen) Stellung beziehen.
- Konstruktiv: Analysieren Sie Fehlerursachen, überlegen Sie gemeinsam, was jetzt zu tun ist.
- Positiv: Beenden Sie die Kritik mit versöhnenden Worten, bekräftigen Sie, dass Sie Vertrauen zu Ihrem Gesprächspartner haben.
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Autorinnen: Sandra Masemann/Barbara Messer (Bearbeitung für pflegen-online: Michael Handwerk)