Es bleibt dabei: Gesundheitsminister Karl Lauterbach spielt auf Zeit. Auf erneute Anfrage von pflegen-online heißt es weiterhin: „Das weitere Verfahren zur einrichtungsbezogenen Impfpflicht wird derzeit politisch erörtert. Bundesgesundheitsminister Lauterbach hatte sich zuletzt im Bundestag dazu geäußert: ‚Wir werden es vom Verlauf der Herbst- und Winterwelle abhängig machen, wie wir mit der einrichtungsbezogenen Impfpflicht umgehen’. Ich bitte daher noch um etwas Geduld“, so eine Ministeriumssprecherin.
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Geduld, die Krankenhäuser, Pflegeeinrichtungen und Pflegekräfte kaum noch aufbringen können. Denn so lange die Frage nach Ende oder Weiterlaufen der einrichtungsbezogenen Impfpflicht nicht geklärt ist, gestalten sich für die Personalplanungen in den Einrichtungen schwierig. Nur unter Vorbehalt können Pflegekräfte, die nicht oder nicht vollständig gegen Covid geimpft sind, unter Vertrag genommen werden.
AWO & Co. plädieren für Ende der Impfpflicht
Unterdessen wird es um Karl Lauterbach immer einsamer. Sogar im Haus bröckelt die Unterstützung. Die von Gesundheitsminister berufene Pflegebeauftragte Claudia Moll (SPD) plädiert inzwischen dafür, die Ende des Jahres auslaufende Regelung nicht zu verlängern.
Alle Wohlfahrtsverbände haben sich mittlerweile für das Auslaufen der Impfpflicht positioniert. Zuletzt die Zentralwohlfahrtsstelle der Juden in Deutschland. „Nach intensiver Beratung mit den Leitungskräften der uns angeschlossenen vollstationären Einrichtungen der Altenhilfe hat sich die ZWST für ein Auslaufen der einrichtungsbezogenen Impfpflicht ausgesprochen. Wesentliche Argumente sind die allgemein sinkende Akzeptanz, eventuelle Verluste qualifizierten Personals sowie die ohnehin hohe Impfquote in den Einrichtungen“, so die Pressesprecherin Heike von Bassewitz auf Nachfrage von pflegen-online.
Sogar das Saarland folgt Lauterbachs Kurs nicht
Und auch unter den Bundesländern findet sich kaum noch ein Impfpflicht-Unterstützer. Nicht einmal das Saarland, immerhin das einzige Bundesland mit einer SPD-Alleinregierung, stellt sich weiterhin hinter Karl Lauterbach. Über dpa teilte das saarländische Gesundheitsministerium dem Gesundheitsminister mit, dass „für eine Verlängerung der einrichtungsbezogenen Impfpflicht ist keine Mehrheit im Bundestag zu erwarten“ sei. Und „da eine Impfpflicht für alle bereits im Deutschen Bundestag gescheitert ist sollte eine dauerhafte Sonderstellung der Pflege vermieden werden.“
Dürfen Impfverweigerer an ihren Arbeitsplatz zurückkehren?
Offen bleibt nach Ansicht des saarländischen Gesundheitsministeriums nur die Frage, wie man im Fall des Auslaufens der Impfpflicht für das medizinische und pflegerische Personal mit den angelaufenen Sanktionsverfahren umzugehen sei. Der Bund müsse diese Frage klären, denn man könne, so eine Sprecherin des Ministeriums, diese aus rechtlichen Gründen nicht einfach aussetzen.
Das sieht Rabia Zayani, Arbeitsrechtsexpertin der Chevalier Rechtsanwälte, eine auf Arbeitsrecht spezialisierte Kanzlei in Berlin, anders: „Impfverweigerer und Impfverweigerinnen, die mit Betretungsverboten belegt wurden, dürfen nach dem Wegfall der Impfpflicht am 31.Dezember 2022 an ihren Arbeitsplatz zurückkehren. Ab diesem Zeitpunkt entfällt die gesetzliche Grundlage für das Betretungsverbot. Sofern keine erneuten gesetzlichen Regelungen in Kraft treten, die das Betretungsrecht von ungeimpften Arbeitnehmenden betreffen, liegt es dann im Ermessen der Arbeitgebenden, dies zum Beispiel durch das Hausrecht zu regeln, wobei Arbeitgebende nur unter sehr strengen Vorgaben hiervon Gebrauch machen dürfen.“
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Bußgelder werden wohl nicht zurückgezahlt
Allerdings: Ein Anspruch auf Rückzahlung von schon verhängten Bußgeldern besteht nicht. Denn Bußgeldbescheide werden „mit einer zweiwöchigen Einspruchsfrist versehen. Wenn diese verstrichen ist, wird der Bußgeldbescheid rechtskräftig, sodass man dann auch bei einem Wegfall der gesetzlichen Grundlage keinen Anspruch auf Rückzahlung erhält. Sofern zu diesem Zeitpunkt keine Bescheide vorliegen, dürfen solche aber auch nicht mehr zulasten der Arbeitnehmenden erlassen werden.“
Autor: Hans-Georg Sausse