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Zeichnung Taschenlampe auf gelbem Zettel

Nordrhein-Westfalen

Strengere Auflagen für Nachtwachen

Nordrhein-Westfalens Heime müssen genügend Nachtwachen vorhalten. Das Gesundheitsministerium setzt auf Personaleinsatz nach Bedarf der Bewohner.

Das Problem kennen die Aufsichtsbehörden bundesweit: So manches Alten- und Pflegeheim beschäftigt nachts zu wenig Pflegepersonal und riskiert etwa Unfälle seiner demenzkranken oder sturzgefährdeten Bewohner sowie Pflegemängel. In einigen Fällen haben Krankenkassen bereits Heimbetreiber verklagt: Diese sollten die Behandlungskosten plus Folgekosten tragen, weil sie nachts, als der Unfall passierte, nicht genügend Personal vorhielten. Eine Nachtwache für 50 Heimbewohner sei keine fachgerechte Pflege, kritisieren Experten wie Rolf Höfert, Geschäftsführer des Deutschen Pflegeverbands.

Auswüchsen wie diesen schob Nordrhein-Westfalen mit seinem 2014 reformierten Wohn- und Teilhabegesetz (WTG) einen Riegel vor: Die WTG-Behörden, die früheren Heimaufsichten, dürfen Heimen nachts bei Bedarf auch mehr als eine Fachkraft für eine gewisse Zahl von Bewohnern vorschreiben. Kürzlich hat das Düsseldorfer Gesundheits- und Pflegeministerium eine mit allen Beteiligten abgestimmte Anleitung zum Umgang mit Nachtwachen herausgegeben.

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Nun werden die Behörden in jeder Einrichtung beratend ermitteln, welche Art von Pflegebedürftigen nachts zu betreuen sind, und auf dieser Grundlage die Zahl der nachts benötigten Pflegekräfte festlegen. „Zum Beispiel von der Zahl der versorgten Demenzkranken, der Anzahl sturzgefährdeter Bewohner und nicht zuletzt von baulichen Gegebenheiten hängt es doch ab, wie viele Pflegekräfte nachts erforderlich sind, um den Bedarfen der Pflegebedürftigen gerecht zu werden“, erklärt Dirk Suchanek, Referatsleiter Landesrecht Pflege und WTG im Ministerium.

Grundlage für die Vorgaben zur Nachtbesetzung sei der Paragraf 21, Absatz 3 (Satz 2) des Wohn- und Teilhabegesetzes, der den konkreten Betreuungsbedarf von Heimen auch in der Nacht und am Wochenende zum Maßstab nimmt. Entsprechende Anordnungen seien aber meist konkrete Vorgaben zur Personalvorhaltung für bestimmte Situationen und Pflegebedürftige und nicht die der mit den Kassen vereinbarten allgemeinen „Personalschlüssel“ jedes Hauses.

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In Bayern gilt eine Mindestpersonalbesetzung

Während Bayern den Heimbetreibern im Freistaat pauschal vorschreibt, nachts eine Pflegekraft für maximal 40 Bewohner einsetzen zu dürfen, geht Nordrhein-Westfalen einen anderen Weg: Bedarfsgerechte einrichtungsindividuelle Personalvorgaben für Nachtwachen in Heimen hält das Düsseldorfer Gesundheits- und Pflegeministerium für sinnvoller und verschärft damit die Vorschriften für die Heime, die nachts allzu gern beim Personaleinsatz sparen. Die Finanzierung der nötigen Zusatz-Pflegekräfte soll über Kranken- und Pflegekassen gewährleistet werden können. Dazu die frühere Gesundheitsministerin Barbara Steffens (Grüne): „Einseitige rein ordnungsrechtliche Personalschlüssel nur für die Nachtbesetzung und ohne klare Refinanzierung lehnen wir ab. Sie schreiben nur den ordnungsrechtlichen Mindeststandard vor.“

Tipp für Heime: Pflegesätze neu verhandeln

Doch wie kommen Heimbetreiber an zusätzliche Mittel der Kassen für zusätzlich verordnete Pflegekräfte? Referatsleiter Suchanek macht das Verfahren anschaulich: „Wenn die WTG-Behörde ein Defizit an Personal in der Nacht feststellt, gibt sie dem Träger einen Anlass, um die Pflegesätze auch für den laufenden Pflegesatzzeitraum neu mit den Pflegekassen zu verhandeln.“ Obwohl sein Ministerium nicht Verhandlungspartner sei, könne es den Heimträger in „grundlegenden Fällen“ dabei durchaus mit Stellungnahmen seiner Experten unterstützen.

Natürlich verlange dieses Verfahren viele Darstellungen und Begründungen von Heim und Kassen, räumt der Fachmann ein. Denn die Einführung einer wissenschaftlich fundierten Personalbedarfsberechnung für Heime verzögert sich laut Bundesgesundheitsministerium bis zum 1. Juli 2020. Suchanek: „Doch unser Verfahren bietet die Chance, die Nachtbesetzung einrichtungsindividuell zu bestimmen.“

Kritikern erscheint die nordrhein-westfälische Lösung zu Nachtwachen in Heimen noch zu bürokratieaufwendig. Praktikablere Lösungen ohne zusätzliche Vorschriften beim Personaleinsatz wünscht sich etwa der Bundesverband privater Anbieter sozialer Dienste (bpa). Schließlich gelte es eine hochwertige Pflege für immer mehr Pflegebedürftige mit einer begrenzten Zahl von Fachkräften sicherzustellen. Keine Lösung sieht Geschäftsführer Herbert Mauel darin, „die Angebote für Pflegebedürftige künftig dadurch zu rationieren, dass unbegründete Quoten die Zahl der Pflegeplätze immer weiter einschränken.“

Hohe Personalschlüssel – für Minister Laumann Herzensangelegenheit

Ob die neue CDU-FDP-Landesregierung die Regeln für Nachtwachen noch verändert oder auf generell höhere Personalschlüssel in Nordrhein-Westfalens Heimen dringt, ist derzeit noch offen. Zumindest noch als Bundespflegebevollmächtigter hatte der neue Düsseldorfer Arbeits-, Gesundheits- und Pflegeminister Karl-Josef Laumann (CDU) schon Anfang 2016 höhere Personalschlüssel für Alten- und Pflegeheime in allen Bundesländern angemahnt. Denn mehr Pflegepersonal benötigten Heimbewohner, damit auch sie von der großen Pflegereform, dem Pflegestärkungsgesetz II, profitierten.

Autor: Uwe Lötzerich

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