„Liliane Juchli ist am 30. November 2020, im Jahr der Pflegefachpersonen, 87-jährig im Haus für Pflege in Bern friedlich eingeschlafen“, berichtet der Schweizer Pflegeverband SBK. Sie hatte sich, bereits durch eine hartnäckige Infektion geschwächt, mit Covid-19 angesteckt.
Ingrid Hametner, Buch-Autorin bei der Schlüterschen, war mit Liliane Juchli über 30 Jahre befreundet. Für pflegen-online hat sie einen Nachruf geschrieben.
Montagabend (30. November) erreichte mich die traurige Nachricht, dass Sr. Liliane Juchli verstorben ist. Mit ihr verliert die Pflegewelt eine große Persönlichkeit, die für viele Pflegende und auch für mich ein Vorbild war. Als überzeugte Kämpferin für eine fachkundige, ganzheitlich am Menschen orientierte, menschenwürdige Pflege setzte sich Sr.Liliane Juchli ein. Mir erscheint ihre Haltung aktueller denn je.
Im Jahr 1988 gab sie in der Toskana ein Seminar zum Thema „Heilen zur Wiederentdeckung der Ganzheit“ an dem ich teilnehmen konnte und begeistert erlebte, mit wieviel Leidenschaft diese Schweizer Ordensfrau eine ganzheitliche Sichtweise in der Pflege lebte und vertrat.
Ihr Lehrbuch war so bekannt, es hieß nur noch „Die Juchli“
Seit 1969/1973 verfasste sie das Lehrbuch für die Allgemeine und Spezielle Krankenpflege – wie es damals hieß, das ab 1983 nur noch Krankenpflege hieß und von der 7. Auflage an 1994 unter dem Titel Pflege erschien. Generationen von Pflegefachpersonen wurden nach diesem Lehrbuch im Fach Pflege qualifiziert. Das Buch war unter ihrem Namen „Die Juchli“ in aller Munde. Ihr Gesamtwerk umfasst aber weitaus mehr als diesen Bestseller und ist in der Sr. Liliane Juchli Bibliothek in Siebnen (Schweiz) für Interessierte zugänglich.
Sie zeigte sich offen gegenüber anderen Meinungen
Eigentlich lässt es sich mit Worten nicht beschreiben, welch ein besonderer Mensch Sr. Liliane Juchli war. Wenn man mit ihr sprach, war sie total präsent. Sr. Liliane Juchli zeigte ihre grundsätzliche Wertschätzung jedem Menschen, der ihr begegnete. Sie wendete sich dem jeweiligen Menschen zu und zeigte sich offen für die Meinung des Gegenübers und äußerte klar auch ihre Meinung. Sie definierte Pflege als einen Beziehungsprozess, in dem sich erst einmal zwei „Fremde“ begegnen. Im Verlauf des beruflichen Prozesses müssen professionelle Pflegeleistungen eingeschätzt und fachlich begründet erfolgen.
Junge Krankenschwestern und Pfleger waren von ihr begeistert
Auf Kongressen war sie umlagert von den „jungen Pflegenden“ die schnell ein „Selfie“ mit ihr wollten, weil sie eine Frau erlebten, die das formulierte, was sie mit ihrem Berufsbild verbanden und ihnen bewusst machte, warum sie diesen Beruf für sich ausgewählt hatten. Sr. Liliane Juchli setzte sich bis ins hohe Alter für die Pflegeentwicklung und die persönliche Weiterentwicklung der Pflegenden ein.
„Ich pflege als die, die ich bin“ - dieser Satz von ihr ist legendär
In ihrem legendären Satz „Ich pflege als die, die ich bin“ appelliert sie an unsere persönliche Auseinandersetzung mit unserem Sein, immer in großer Verantwortung für uns und die Anderen.
Sie erfuhr während ihres Lebens sehr hohe Ehrungen, unter anderem die Ehrendoktorwürde der theologischen Fakultät der Universität Fribourg, 1997.
Zu ihrem 80.Geburtstag erschien ein Film, der auch im Schweizer Fernsehen ausgestrahlt wurde: Leiden schafft Pflege Sr. Liliane Juchli – Ein Leben für die Würde des Menschen
Unvergessen bleibt auch ihre Osterbotschaft 2020 an die Pflegenden in Zeiten der Corona-Pandemie. Mit ihrem Tod verlieren wir eine der ganz großen Pionierinnen der deutschsprachigen professionellen Pflege. Ihre Lehrbücher erschienen auch in holländischer und italienischer Sprache. Sie verstand es „Hoffnung im Sinne der Leidenschaft für das Mögliche“ zu verbreiten.
Mit ihr verlieren wir auch eine der ganz großen Frauen, einer Ordensfrau, der Barmherzigen Schwestern vom Heiligen Kreuz (Ingenbohler Schwestern) die Spiritualität in der Pflege zum Thema gemacht hat. Sie war eine großartige, warmherzige Frau, die Menschen ermutigen konnte ihren Visionen und ihren Fragen zu folgen.
Ihr warmherziges, ehrlich interessiertes Fragen werde ich nie vergessen. Mit ihr verliere ich einen Menschen, der mir viel bedeutet. Sie hat meinen beruflichen, aber auch persönlichen Weg geprägt und ich bin dankbar, dass ich ihr begegnet bin und dass ich unendlich viel von ihr lernen konnte.
Die Erinnerungen an sie werden mich begleiten, solange ich selber lebe. Ich spüre, Ihre Stimme wird fehlen.
Ingrid Hametner, 1.12.2020