Was mache ich, wenn etwas passiert? Wer weiß Rat, wenn ich selbst keine Kraft mehr habe? .Sandra Maxeiner (46) kennt das Dilemma nur zu gut. Aus der Zeit, als sie ihren krebskranken Mann monatelang daheim pflegte. Das Unerwartete kommt immer im unpassenden Moment, am Wochenende, an Feiertagen. Es kommt, wenn Hilfe noch schwieriger zu finden ist als üblich. Zumindest über die Weihnachtstage und den Jahreswechsel will sie es Angehörigen, die palliativ Schwerstkranke betreuen, etwas leichter machen. Dafür wird ihr Verein „Was wirklich zählt im Leben“ (die Schirmherrschaft hat der Schlagersänger Roland Kaiser) in diesem Jahr erstmals eine bundesweite Feiertags-Hotline schalten.
Am anderen Ende sitzen Seelsorger, Psychologen, Ärzte, Notfallsanitäter
Unter der Nummer 0175 – 44 17 230 steht von Sonntag, 23. Dezember 2018, bis Dienstag, 1. Januar 2019, rund um die Uhr ein Expertenteam bereit, um Angehörigen von Palliativpatienten ohne lange Wartezeit telefonisch weiterzuhelfen. Zu den Ehrenamtlichen um Teamleiter und Notfallsanitäter Peter Fritz vom Berliner Trainingscenter „Faktor Notfall“ gehören Ärzte, Notfall- und Rettungssanitäter, Seelsorger, Trauerbegleiter, Psychologische Psychotherapeuten und auch der Potsdamer Notfallpsychologe Gerd Reimann.
Auch möglich: einfach nur reden
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Über die Hotline stehen sie Angehörigen bei, wenn sie pflegerisch nicht mehr weiterwissen oder selbst seelische Probleme haben. In diesen Tagen seien die üblichen Anlaufstellen oft noch stärker unterbesetzt als ohnehin schon, erklärt Maxeiner: „Diese Versorgungslücke wollen wir schließen.“ Dabei reiche das Spektrum von „einfach nur mal reden müssen“ bis hin zu konkreten pflegerischen Problemen – etwa der Frage, wie sich eine Morphin-Ampulle öffnen lässt, ohne zu splittern und damit unbrauchbar zu werden.
Was tun bei Atemnot? Was tun bei verstopftem Port?
„Wir können fachliche und einfach formulierte Hilfen geben, die auch Laien verstehen und umsetzen können“, sagt Maxeiner: „Oft fehlt nur ein Ansprechpartner, der eine Empfehlung gibt und erklärt, was man machen kann.“ Etwa wenn ein Patient akute Atemnot hat. Oder wenn es um Fragen zu künstlicher Ernährung geht: „Manchmal muss eine Nadel gewechselt werden, oder ein Port ist verstopft, und man ist unsicher, ob man das Problem lösen kann“, beschreibt Maxeiner: „Oft lässt sich am Telefon aber ganz einfach erklären, wie etwas zu reinigen ist oder welche Maßnahmen man ergreifen sollte.“
Fahrt in die Notaufnahme oft nicht hilfreich
Ohne eine solche Hilfe bleibe meist nur der Weg in die Notaufnahme im Krankenhaus, was allerdings aufwendig ist, in der Regel lange Wege bedeutet und mit erheblichen Wartezeiten verbunden ist. „Ich selbst bin einmal unter anderem daran gescheitert, eine Spritze, die ich aus der Apotheke geholt hatte, aufzuziehen“, erinnert sich die Initiatorin der Hotline: „Deshalb musste ich noch einmal ins Krankenhaus und es mir erklären lassen.“ Krankenschwestern und Pfleger könnten das aber gerade während der Feiertage kaum leisten. Erst recht können sie Angehörige nicht auffangen, die dazu noch Redebedarf haben.
Netzwerk aus Psychotherapeuten und Trauerbegleiter
Für Maxeiner und ihr Team ist die Hotline eine Premiere. Wenn es gut läuft, können sie sich vorstellen, das Angebot an künftigen Feiertagen zu wiederholen. Dabei dürfen sie aus rechtlichen Gründen keine telemedizinischen Ratschläge erteilen oder persönlich zu den Anrufern rausfahren. „Für alles, was über die Hilfe unserer Hotline hinausgeht, stehen aber Experten aus unserem Netzwerk aus Psychotherapeuten und Trauerbegleitern zur Verfügung“, sagt Maxeiner. Deren Dienste müssen bezahlt werden, doch in sozialen Notfällen übernehme der Verein „Was wirklich zählt im Leben“ nach vorheriger Vereinbarung das Honorar. Für die Hotline selbst entstehen die für ein innerdeutsches Telefonat üblichen Kosten.
Autor: Jens Kohrs
Foto: Urbschat