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Frau geht mit zusammengeklapptem Liegestuhl auf einem Weg am Strand

Dienstplanung

Schluss mit Einspringen aus dem Frei!

Es ist typisch für Pflegeberufe: Der Dienstplan geht wieder nicht auf, Sie sagen Verabredungen ab, erholen sich nicht. Erfahren Sie, wie Sie beim nächsten Anruf am besten reagieren.

pflegen-online sprach mit Gisela Neunhöffer vom Fachbereich Gesundheit und Soziale Dienste der Verdi-Bundesverwaltung.

pflegen-online: Ist man als Arbeitnehmer grundsätzlich verpflichtet, für Kollegen einzuspringen?

Gisela Neunhöffer: Grundsätzlich sind Arbeitnehmer nicht verpflichtet, außerhalb ihres einmal festgelegten Dienstplans einzuspringen. Der Arbeitgeber hat zwar ein so genanntes Direktionsrecht zu Ort und Zeit der Arbeitsleistung. Dieses kann er aber nur einmal “verbrauchen” – indem er die Arbeitszeit im Dienstplan festlegt.

Ist dieser Dienstplan dann verbindlich für alle Beteiligten?

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Der Plan ist verbindlich, wenn er unterschrieben ist und ausgehändigt oder ausgehängt wird. Er unterliegt der Mitbestimmung durch Betriebs- oder Personalrat beziehungsweise Mitarbeitervertretung. In den meisten Krankenhäusern und vielen Altenpflegeeinrichtungen gibt es Vereinbarungen, zum Beispiel dass der Dienstplan spätestens vier Wochen vor Beginn des jeweiligen Monats veröffentlicht werden muss.

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Was ist mit kurzfristigen Änderungen des Dienstplans?

Eine kurzfristige Abänderung ist in aller Regel nicht zulässig, es sei denn, im gegenseitigen Einvernehmen. Auch dann unterliegt die Änderung des Dienstplanes allerdings der Mitbestimmung durch die Interessenvertretung. Jeder muss aber prüfen, ob an seinem Arbeitsplatz andere Regelungen, etwa durch Betriebsvereinbarung, vereinbart worden sind.

Kurzfristige Dienstplanänderungen sind also so gut wie unmöglich?

In Krankenhäusern und Altenpflegeeinrichtung wird häufig argumentiert, es gebe eine Notfallsituation. Als Notfall gilt im rechtlichen Sinn aber nur eine unvorhersehbare und schwerwiegende Extremsituation, wie etwa ein Brand, Überschwemmungen, Stürme oder Katastrophen. Der Arbeitgeber muss in der Lage sein, Ausfälle im Rahmen der normalen Krankheitsquote anders auszugleichen.

Wie reagiert man als Arbeitnehmer am geschicktesten auf derlei ungeliebte „Rufe“? Was hat man zu befürchten, falls man ablehnt?

Die beste Lösung ist, gemeinsam mit Kollegen, Interessenvertretung und Gewerkschaft darauf hinzuarbeiten, dass eine solche Notwendigkeit gar nicht entsteht. Sie können einfordern, dass genügend Personal da ist und es ein vernünftiges Ausfallmanagement gibt. Individuell kann man darauf bestehen, dass man nicht in seiner Freizeit angerufen wird. Wer von Stationsleitungen oder Kollegen im Dienst darauf angesprochen wird, kann freundlich, aber bestimmt ablehnen. Sanktionen dafür, dass man seine Rechte wahrnimmt, darf es nicht geben. Wichtig ist, mit den Kollegen im Gespräch zu bleiben, die eigenen Motive zu erklären und möglichst ein gemeinsames Vorgehen zu erreichen, um nicht als unkollegial oder egoistisch wahrgenommen zu werden.

Gibt es Personenkreise mit besonderen familiären Verpflichtungen wie Eltern oder pflegende Angehörige, die von den Springer-Tätigkeiten am Arbeitsplatz auszunehmen sind?

Zusätzlich zu der beschriebenen generellen Unzulässigkeit des Holens aus dem Frei, gilt für manche Personengruppen noch ein besonderer Schutz: Einspringen aus dem Frei ist im allgemeinen Mehrarbeit. Schwerbehinderte Menschen werden auf ihr Verlangen nach Artikel 124 Sozialgesetzbuch IX von Mehrarbeit freigestellt. Schwangere und stillende Mütter dürfen nicht länger als 8,5 Stunden täglich beschäftigt werden, nachts nur mit ihrer ausdrücklichen Zustimmung sowie der des Arztes. Teilzeitkräfte haben häufig auf ihren Wunsch hin weniger Arbeit vereinbart. Bei Altersteilzeit ist dies sogar Voraussetzung für die Förderung durch das Arbeitsamt. Hier braucht Mehrarbeit ihre ausdrückliche Zustimmung. Auszubildende sind von Überstunden auszunehmen.

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Haben Azubis und Praktikanten andere Rechte und Pflichten? Dürfen auch sie aus dem Frei abberufen werden?

Ebenso wie andere Arbeitnehmer haben Auszubildende ein Recht, dass der einmal veröffentlichte Dienstplan eingehalten wird. Es gelten dieselben Regelungen wie für Ausgelernte. Das grundsätzliche Weisungsrecht des Arbeitgebers findet bei Auszubildenden jedoch zusätzlich seine Grenzen im Ausbildungsrecht, da Auszubildende keine Arbeitsleistung im Sinne der Gewerbeordnung schulden: Die Ausbildung erfolgt zwar im Arbeitsprozess, aber im Vordergrund steht die Ausbildung.

Demzufolge gilt zwar das Weisungsrecht, allerdings nur insoweit es dem Ausbildungszweck und dem Erreichen des Ausbildungsziels dient. Der Arbeitgeber muss die praktische Ausbildung sachlich und zeitlich gegliedert durchführen, den Auszubildenden also einen Ausbildungsplan zu Beginn der Ausbildung über die drei Jahre Ausbildung aushändigen. Das steht der kurzfristigen und ungeplanten Versetzung (so genanntes Stations-Hopping) von Auszubildenden mit dem Ziel der Kompensation von Personalengpässen entgegen.

Es ist Aufgabe der Interessenvertretungen, auf Ausbildungspläne zu bestehen, die regeln, wann ein Einsatz in welchem Bereich und auf welcher Station erfolgt. Dann darf davon nicht willkürlich abgewichen werden. Auszubildende erlernen erst einen Beruf, sie sind keine billigen Aushilfskräfte.

Was ist, wenn der Arbeitnehmer schon den Urlaub gebucht hat, aber plötzlich einspringen soll? Kann er, falls er tatsächlich einspringt, die Erstattung der Reisekosten verlangen?

Grundsätzlich kann ein bereits genehmigter Urlaub nicht so einfach widerrufen werden, das ist durch das Bundesurlaubsgesetz recht klar. Nur sehr dringende betriebliche Gründe können einen Widerruf rechtfertigen, dafür legen die Arbeitsgerichte jedoch die Messlatte hoch. So darf ein Urlaub nur dann widerrufen werden, wenn der Betrieb sonst in wirtschaftlich existenzbedrohende Schwierigkeiten geraten würde. Bloße organisatorische Probleme reichen dazu noch nicht aus. Eine verfehlte Personalplanung ist kein Grund für einen Urlaubswiderruf. Sollte ein Abbruch beziehungsweise ein Widerruf dennoch in Einzelfällen statthaft sein, muss der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer die durch den Abbruch entstandenen Kosten, wie etwa eine Stornierungsgebühr, erstatten.

Wie reagiert man, wenn der Arbeitgeber erkennbar knapp das Personal bemessen hat, was in der Pflege häufig vorkommt, und man dann häufig aus der Freizeit als Vertretung angefordert wird?

Arbeitnehmer können dem Arbeitgeber deutlich signalisieren, dass sie nicht bereit sind, eine verfehlte Personalplanung durch die Aufgabe ihrer Freizeit dauerhaft zu kompensieren. Allein fällt das häufig schwer, weil die meisten ihre Teamkollegen nicht im Stich lassen wollen. Es macht daher Sinn, sich im Team abzusprechen, den Arbeitgeber gemeinsam aufzufordern, in der Freizeit nicht mehr anzurufen, Lösungen für ein gutes Ausfallmanagement mit der Interessenvertretung zu finden. Manche Teams haben ihrem Arbeitgeber Fristen – sogenannte Ultimaten – gesetzt, bis wann eine Personalaufstockung stattfinden muss, und öffentlichkeitswirksam angekündigt, ab diesem Zeitpunkt nicht mehr einzuspringen, konsequent ihre Pausen zu nehmen oder Überstunden zu verweigern. Sie geben die Verantwortung für eine vernünftige Personal- und Ausfallplanung dahin zurück, wo sie hingehört: an den Arbeitgeber.

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Wie können Betriebe und Stationen am besten verhindern, dass es zu verstärkter Inanspruchnahme von „Ersatzkräften“ kommt?

Eine zu knappe Personalplanung wird immer zu Problemen bei kurzfristigen Ausfällen führen. Wenn die Personaldecke so dünn ist, dass es „brennt“, sobald irgendjemand ausfällt, ist zu knapp geplant. Ein gewisser Puffer muss drin sein. Die Bundesregierung hat angekündigt, jede zusätzliche Pflegestelle in Krankenhäusern zu finanzieren und zusätzliche Stellen für die Altenpflege zu schaffen. Zeit, aufzustocken!

Um die notwendigen Fachkräfte zu finden und an den Betrieb zu binden, müssen Personalabteilungen auf die Bedarfe der Pflegekräfte eingehen. Dazu gehören natürlich gute Tarifverträge, aber auch zentral ein verlässlicher Dienstplan. Ein vernünftig konzipiertes, mit der Interessenvertretung abgestimmtes Ausfallkonzept muss vorhanden sein. Es muss planbare Fehlzeiten wie Urlaube oder Fortbildungen ebenso berücksichtigen wie voraussichtliche ungeplante Ausfälle – zum Beispiel eine realistisch kalkulierte Krankheitsquote, inklusive einer erhöhten Krankheitsquote etwa in der Grippeperiode.

Ein ernst gemeintes betriebliches Gesundheitsmanagement und konsequente Gefährdungsbeurteilungen können helfen, Ursachen für erhöhte Krankheitsausfälle aufzuspüren und daran zu arbeiten, dass die Kollegen gesund bleiben – dann muss auch weniger Ausfallmanagement betrieben werden.

Autorin: Birgitta vom Lehn

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