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Achtsamkeit

Schlechte Stimmung auf Station - was tun?

Lassen Sie sich ja nicht runterziehen! Wie's gelingt, erklärt Psychiater und Burnout-Experte Georg Schürgers (Foto) im Interview.

Wo liegt in der Regel die Ursache für ein schlechtes Betriebsklima auf Station oder im Wohnbereich?

Gemeint ist ja meist das emotionale Miteinander. Wo Menschen zusammenarbeiten, kommt es zu gruppenpsychologischen Prozessen. Das ist nicht nur in der Pflege so, auch in allen anderen Berufen. Allerdings arbeitet man im Krankenhaus und in Pflegeheimen sehr eng und oft unter nicht ganz einfachen Bedingungen zusammen. Deshalb spielen dort klimatische Faktoren eine sehr große Rolle. Es gibt auch meist nicht nur eine einzige Ursache für ein schlechtes Klima.

Sondern? Welche Ursachen gibt es denn überhaupt?

Natürlich gibt es Probleme wie Unterbesetzung und Überlastung. Aber es ist letztlich immer eine Frage der Persönlichkeit, wie ich damit umgehe. Und das hängt in solchen Organisationen immer stark von der Führung ab. Der Satz „Der Fisch stinkt vom Kopf“ hat häufig seine Berechtigung. Teamleiter lenken massiv das Gruppenklima. Wenn da jemand sehr negativ unterwegs ist, bleibt das nicht ohne Wirkung auf die Mitarbeiter, denn wir sind soziale Wesen und reagieren entsprechend auf die Stimmung, die von unseren „Leittieren“ vorgegeben wird.

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Nun kann ich als einzelner Mitarbeiter dem Chef aber ja keine Schulung in guter Führung verordnen. Was kann ich stattdessen als Einzelner tun, um die miese Stimmung zu heben?

Schulungen für Führungskräfte sind natürlich sinnvoll, aber letztlich ist doch deren Haltung entscheidend: Zollen sie den Mitarbeitern Respekt oder halten sie sie alle nur für Dummköpfe? In einer solchen Situation muss ich als Mitarbeiter gucken: Wo stehe ich hier? Wie kann ich mich abgrenzen, wie bewerte ich diese Situation? Wenn andere über eine Abteilung oder einen Chef lästern, heißt das ja noch nicht, dass ich das auch tun muss oder ebenfalls Grund dazu hätte.

Wenn also jemand klagt „Ich bin da in einer ganz schlimmen Abteilung“, dann sollte man selbst immer erst reflektieren und fragen, was denn dort vielleicht auch ganz gut ist in der Abteilung. Durchaus auch im Hinblick auf die Führungskraft!

Ich habe halt einen Chef oder eine Chefin. Da kann ich mich dran festbeißen und jammern, aber dadurch potenziere ich das Gejammer eher. Man kennt das auch aus anderen Bereichen: Wenn ich mich auf jemanden einschieße, dann wird die Lage nicht prinzipiell besser, im Gegenteil. Wenn die Situation nicht zu ändern ist, dann geht es letztlich immer darum zu akzeptieren, was nicht zu ändern ist.

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Also letztlich immer alles positiv sehen?

Nein, etwas zu akzeptieren heißt nicht, dass man es auch gut finden muss. Aber wenn man die Situation nicht ändern kann, sollte man sie annehmen. Die Achtsamkeitstheorie basiert ja genau darauf. Es hilft auch, sich klar zu machen, dass es vielen Menschen so geht: Auch ich klage ja an der Hochschule den halben Tag, meine Kollegen auch. Dabei haben wir Traumjobs! Man sollte den Fokus auch mal auf das Potenzial richten: Was ist an meiner Arbeitsstelle positiv? Was ist an meinem Vorgesetzten positiv? Er ist vielleicht ruppig, aber fachlich versiert? Eine Führungskraft, die dauernd rumnölt, ist einerseits nervig, hat aber auch Vorteile: Sie fördert damit den Gruppenzusammenhalt der Mitarbeiter. Es ist also immer eine Frage der Perspektive.

Geht die schlechte Laune denn wirklich immer nur vom Chef aus?

Nein, es kann auch eine Schwester oder ein Pfleger sein, die oder der auf der Station immer für schlechte Stimmung sorgt. Das darf man ja auch, es ist nicht verboten. Allerdings sollte man sich überlegen, wieviel ich mir davon antue. Man sollte sich dann auch ruhig von der Person abgrenzen. Wenn ich es genauso sehe, kann ich mich der Person auch anschließen.

Aber es ist immer besser, sich positive Verbündete zu suchen, weil es einen schon etwas mitnimmt und runterzieht. Selbst wenn ich eine andere Meinung habe, macht es etwas mit mir. Meiden Sie deshalb lieber Personen, die viele negative Informationen raushauen! Nicht weil man naiv ist, sondern weil man sich nicht permanent runterziehen lassen will. Man sollte lieber danach schauen: Mit wem kann ich lachen? Mit wem habe ich Spaß? Die Beziehung zu dieser Person sollte man dann ruhig etwas pflegen.

Darf man denn den Chef auch mal auf seine schlechte Laune ansprechen?

Ich wäre da sehr vorsichtig, denn immer, wenn man Menschen zu ihrem emotionalen Empfinden anspricht, wird das sehr schnell als Angriff verstanden. Man kennt das aus der Partnerschaft. Auch wird man niemanden froh stimmen, wenn man sagt: „Sie sind zwar ein guter Chirurg, aber bringen hier immer eine miese Stimmung rein.“ Im Feedback-System eines Betriebs kann man das natürlich reinschreiben als Kritikpunkt. Ein Personalchef kann das ebenfalls sagen, wenn ihm schon drei Ärzte abgesprungen sind. Anders sieht das auch aus, wenn man auf Augenhöhe agiert oder ein Supervisor eingeladen ist.

Welche Folgen kann ein schlechtes Betriebsklima haben?

Mittelfristig gibt es Arbeitsausfälle und Krankschreibungen, langfristig Arbeitsunfähigkeit. Ganz viele Leute klagen ja nicht über ihre Arbeit, sondern vor allem über das Betriebsklima. Insofern ist es schon wichtig für Betriebe, da genau hinzusehen.

Interview: Birgitta vom Lehn

Foto: privat

Georg Schürgers

Der Psychiater Professor Georg Schürgers von der Hochschule für Angewandte Wissenschaften Hamburg forscht zu Motivation und Begeisterung in Unternehmen. Mit seiner Beratung Burn bietet er Privatpersonen und Betrieben im Gesundheitssektor Unterstützung im „Mental Health Management“ an.

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