Von einem hohen Arbeitsaufwand durch die Betreuung von Auszubildenden berichtete uns eine Leserin, die namentlich ungenannt bleiben will: „Wir betreuen als Praxisanleiterinnen die Azubis sowohl im ambulanten Bereich als auch in der Langzeitpflege unseres Heims. Allein in unserem Unternehmen haben wir drei Altenpflegeschüler im dritten Ausbildungsjahr, dazu neun Azubis zur Pflegefachfrau und -mann im zweiten Ausbildungsjahr, dazu drei Azubis im ersten Ausbildungsjahr, außerdem noch Krankenpflegehelfer. Dazu kommen noch die Azubis aus der Klinik, die ihren Fremdeinsatz bei uns machen.” Sie arbeiteten zwar zu zweit, schreibt die Leserin, beide je 30 Stunden in der Woche, „dennoch ist das für uns gar nicht zu schaffen”. Sie habe ihren Unmut schon gegenüber der Einrichtungsleitung geäußert, doch von dort nur zu hören bekommen: Zwei Praxisanleiterinnen seien doch bereits „ein Luxus”. Sie fragt: Gibt es eigentlich eine vorgegebene Zahl, wieviele Schüler PraxisanleiterInnen maximal betreuen oder begleiten sollten?
Hohe Belastung von Praxisanleitern ist kein Einzelfall
„Also zunächst einmal: Praxisanleiterinnen und Praxisanleiter sind kein ‚Luxus‘!”, zeigt sich Anke Jakobs, Referatsleiterin Praxisanleitung beim Bundesverband Lehrende Gesundheits- und Sozialberufe (BLGS), empört, als sie von der Erfahrung unserer Leserin hört. Den Unmut unserer Leserin kann sie sehr gut nachvollziehen, weiß aber auch aus ihrer Verbandsarbeit: Die geschilderte Belastungssituation ist kein Einzelfall. Grund dafür ist die etwas unglückliche Paarung zweier zeitgleich stattfindender Entwicklungen: Der Fachkräftenotstand falle derzeit mit einer Ausbildungsoffensive zusammen – das treffe Praxisanleiterinnen und Praxisanleiter besonders hart.
Großteil der Praxisanleitung im 1:1- oder 1:2-Setting
Das grundsätzlich begrüßenswerte Bewusstsein, mehr ausbilden zu müssen, um zukünftig mehr Fachkräfte zu haben, steige. Doch würden „die Praktiker politisch wie auch in einigen Einrichtungen institutionell allein gelassen”, sagt Jakobs, die bei Vivantes für das Ressort „Praktische Ausbildung“ zuständig ist. Sie verweist auf die Landesverordnungen, die die Anzahl der strukturierten zehn Prozent Anleitezeit pro Pflichteinsatz näher beschreiben: So wurde in Berlin etwa festgelegt, dass – O-Ton der Verordnung –: „...in der Regel eine 1:2-Anleitung...“ stattfinden soll. Jakobs: „Wir legen dies so aus, dass der große Anteil von Praxisanleitungsstunden in einer 1:1- oder 1:2-Situation geschehen sollte, jedoch auch Gruppenanleitungen möglich sind, wenn der Inhalt es hergibt.” Konkreter: Sobald ein direkter Patienten- oder Bewohnerkontakt entstehe, sei eine 1:2- oder 1:1-Anleitung sinnvoll. Inhalte wie Pflegeprozessplanung hingegen oder auch ärztliche Delegationen wie Medikamenten- oder Hygienemanagement könnten auch per Gruppenanleitungen vermittelt werden.
Praxisanleitung geschieht über Sprechen und Reflexion
„Grundsätzlich gilt: Ausbildung bedeutet Beziehungsarbeit”, so Jakobs weiter, Arbeit, die nun einmal viel Manpower — Jacobs: „und natürlich Womanpower” — binde. Gelernt werde schließlich anhand von Modellen und durch reflexives Sprechen darüber. „Und wenn wir nun keine oder nur wenige Fachkräfte haben, woran sollen die Auszubildenden lernen? Wie sollen sie lernen, wenn doch die Rahmenbedingungen die Pflege selbst überdecken?”
Refinanzierung deckt die logistischen Kosten nicht
Die Pflegewissenschaftlerin und Schlütersche-Autorin Dr. Ursula Kriesten ergänzt die Diskussion gegenüber pflegen-online um den finanziellen Aspekt: Denn dem, so Kriesten, „gigantischen Aufwand” und den Verpflichtungen für Praxisanleitende nach dem Pflegeberufegesetz stehe keine Refinanzierung der Personalkosten gegenüber: „Die Arbeitgeber können zwar Ausgleichszahlungen von kooperierenden Ausbildungsbetrieben erwirken”, so die Pflegeexpertin. Genauer sei dies in der Verordnung über die Finanzierung der beruflichen Ausbildung nach dem Pflegeberufegesetz geregelt. „Doch erfordert dies einen hohen logistischen Aufwand und deckt am Ende die Kosten nicht.”
Es bleibt also ein Paradoxon: Betriebe sind verpflichtet, den Aufsichtsbehörden qualifizierte Praxisanleitungen zu melden, in Nordrhein-Westfalen etwa an die Bezirksregierungen, erhalten aber im Gegenzug nicht die entsprechende Unterstützung, um diese Praxisanleitenden überhaupt vorhalten zu können.
Gute Praxisanleiter sorgen dafür, dass Auszubildende bleiben
Praxisanleiterinnen und Praxisanleiter – also doch eine Art Luxusgut, das man sich als Einrichtung leisten können muss? „Ach, sie sind doch viel mehr”, sagt Anke Jakobs. „Sie sind unsere Motivatoren! Denn: Mit der Anleitung unserer Auszubildenden in der Praxis betreiben wir nicht nur Beziehungs-, sondern auch Bindungsarbeit – sowohl zur Profession als auch zur Institution.” Für die Verbandsfrau sind Praxisanleiterinnen und Praxisanleiter deshalb auch „Goldstaub, den es zu pflegen und Menschen, die es zu hören” gilt. „Nur leider ist dies noch nicht in allen Köpfen.”
Autorin: Romy König
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