pflegen-online: Herr Zerhusen, wie sind Ihre eigenen Erfahrungen bei den Verhandlungen zum Pflegebudget?
In meine erste Verhandlung bin ich noch recht naiv gegangen. Ich habe gedacht, dass es auf beiden Seiten wirklich darum geht, die optimale Behandlung von Pflegebedürftigen zu sichern. Da wurde ich schnell eines Besseren belehrt.
Inwiefern?
Die Verhandlungspartner waren eigentlich nur daran interessiert, das Budget möglichst gering zu halten. Es kam so rüber, als ob wir als Pflegedienst froh sein müssten, dass wir überhaupt etwas bekommen. Andere Pflegedienste berichten mir immer wieder genau das Gleiche. Ich habe mich dann gefragt, warum das so ist.
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Zu welchem Schluss sind Sie gekommen?
Wir als Pflegedienste begeben uns zu oft selbst in die Opferrolle. Und sind dann enttäuscht, dass uns nicht mehr zugestanden wird. Deswegen ist es an der Zeit, dass wir uns als Branche einmal selbst reflektieren. Tatsache ist: Oft verhandeln wir einfach nicht gut.
Wie lässt sich das ändern?
Im Grunde genommen sind die Verhandlungen zum Pflegebudget - wie alle anderen Verhandlungen auch - ein Spiel. Und gewinnen kann man nur, wenn man die Regeln kennt und zu seinen Gunsten einsetzt. Zuerst einmal: Wir als Pflegedienste sind nicht in der Position des Bittstellers. Die Pflegekasse hat einen Versorgungsauftrag gegenüber IHREN Versicherten. Wir bieten der Pflegekasse unsere professionelle Dienstleistung an, damit sie ihrem Versorgungsauftrag nachkommen kann. Wir können theoretisch auch sagen, dass wir mit einem zu geringen Budget ihre Versicherten dann eben leider nicht betreuen können.
Wie steigen Sie in die Verhandlungen ein?
Mein erster Satz ist: Welches Angebot machen Sie uns, damit wir IHRE Versicherten auch weiterhin gut und gerne versorgen? Die andere Seite ist dann meistens irritiert, denn allein diese Frage kommt wohl äußerst selten vor. Wir als Dienstleister können ruhig selbstbewusst auftreten, denn wir bieten hochwertige Arbeit. Nur wenn wir uns selbst nicht kleinmachen ist eine Verhandlung auf Augenhöhe möglich.
Viele Leitungen lassen sich dann aber doch leicht verunsichern.
Das ist ja auch verständlich. Für die meisten gehören solche Verhandlungen nicht zum Alltag. Und wenn einem da mehrere Menschen – erfahrungsgemäß übrigens immer noch meistens Männer – gegenübersitzen, kommt man sich schonmal vor wie David gegen Goliath. Ich rate dann, jemanden aus dem Team oder auch einen Außenstehenden mitzunehmen, dem sowas eher liegt oder der die Pflegedienstleitung zumindest emotional und verbal unterstützen kann. Zu zweit fühlt man sich gleich stärker.
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Was ist, wenn die Parteien sich nicht einigen können?
Dann sollte man bloß nicht nervös werden. Es schadet nichts, in einem Nebensatz durchblicken zu lassen, dass man weiß, dass es bei Uneinigkeit die Möglichkeit gibt, eine Schiedsstelle in Anspruch zu nehmen oder noch weitere Schritte einzuleiten. Man kann den ersten Termin ruhig auch ohne Ergebnis beenden. Dann heißt es, einen langen Atem zu beweisen. Bis endlich ein Budget feststeht, können Monate vergehen. Häufig werden von den sogenannten „Kostenträgern“ immer wieder neue Dokumente angefordert oder noch einmal ein Telefontermin ausgemacht.
Wichtig dabei ist, dass der Pflegedienst den gesamten Verlauf gut dokumentiert. Also alle Schriftstücke aufbewahrt, die Inhalte von Telefongesprächen festhält und Abgabefristen einhält. Das kann nervig und zeitraubend sein, macht sich jedoch häufig am Ende bezahlt.
Interview: Melanie Thalheim