Zurzeit laufen in vielen Krankenhäusern Pflegedienstleitungen und Betriebsräte über die Flure, um zu erklären, warum es für einige Pflegekräfte einen Bonus gibt und für andere gar keinen. Sie möchten deutlich machen, dass es das Bundesgesundheitsministerium ist, das die Ausschüttung so schwer nachvollziehbar konzipiert hat – und nicht die Krankenhausleitung.
Manch Pflegekraft denkt, die Klinikleitung sei verantwortlich
Schwierig ist die Situation zunächst in Krankenhäusern, in denen es gar keinen Bonus gibt. „Wir haben das zusätzliche Problem, dass in den Medien steht ‚alle Krankenschwestern bekommen den Pflegebonus‘. In der internen Kommunikation mussten wir bereits zweimal klarstellen, dass wir nicht zu den 837 Kliniken zählen, auf die die Vorgaben des Inek (des Instituts für das Entgeltsystem im Krankenhaus, Anm. d. Red.) zutreffen“, berichtet Bastian Guntermann, der in den Waldkliniken Eisenberg in Thüringen für die interne Kommunikation zuständig ist. Die Waldkliniken haben als Krankenhaus der Grund- und Regelversorgung mit 200 Betten nämlich nicht 2021 mehr als zehn Patientinnen und Patienten behandelt, die „mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 infiziert gewesen und mehr als 48 Stunden beatmet worden sind“, wie es beim Inek zur Verteilung des Bonus heißt.
Das Wir-Gefühl in den Kliniken leidet wegen des Pflegebonus
Fast noch schwieriger aber ist die Situation in Krankenhäusern, die grundsätzlich anspruchsberechtigt sind. Denn in Kliniken ohne Anspruch leidet zumindest das Wir-Gefühl nicht: Schließlich erhält hier niemand den Bonus, man kann sich gemeinsam über Bundesgesundheitsministerium und Regierung ärgern. In anspruchsberichtigten Krankenhäusern hingegen schwindet das Wir-Gefühl, weil einige den Bonus erhalten und andere nicht. So bekommen nur Pflegekräfte in bettenführenden Stationen den Bonus, aber nicht in den Funktionsbereichen. Die „Aktion: Notaufnahmen retten!“ hat deshalb schon Unterschriften für einen Brief an Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) gesammelt.
Wer in der Notaufnahme arbeitet, erhält keinen Pflegebonus
Hinzu kommt: Nur die Pflegefachkräfte erhalten in den Kliniken den Bonus. Pflegehelfer, Pflegehilfskräfte und Auszubildende bekommen: nichts. „Da gibt es jetzt bei uns richtig Stress, denn wir Pflegehelfer und die Schüler haben doch auch während der Hochzeit der Pandemie die ganze Zeit die Patienten gepflegt. Ich habe mich zweimal angesteckt und jetzt heißt es ‚Sorry, den Bonus bekommen nur die Pflegefachkräfte‘. Und das sind richtig gute Summen, von Vollbeschäftigten auf meiner Station habe ich zum Beispiel gehört, dass sie 1.700 Euro abgabenfrei erhalten“, sagt eine Pflegehelferin, die auf einer unfallchirurgischen Station in einem Krankenhaus in Norddeutschland arbeitet (Name ist der Redaktion bekannt). Sie habe an Lauterbach geschrieben und zusammen mit anderen Helfern und Assistenzkräften bereits Konsequenzen gezogen: „Keiner will den Schwestern mehr helfen und ihnen Aufgaben abnehmen, die wir bisher oft inoffiziell übernommen haben. Ja, die Stimmung ist richtig schlecht.“
„Der Gesetzgeber hat mit dem Pflegebonus Bockmist gebaut“
Als „aufgewühlt“ beschreibt der Betriebsrat der Euregio-Klinik in Nordhorn (Niedersachsen) die Stimmung. „In der Psychiatrie sind die Pflegekräfte geradezu aufgebracht. Auch die Servicekräfte und der Hol- und Bringedienst, die den Pflegekräften zuarbeiten, sind sehr enttäuscht. Diejenigen, die hier einen Bonus bekommen, halten sich schon sehr zurück und reden kaum darüber“, sagt Jürgen Wolterink. Auch aus der Euregio Klinik ist ein Brief im Gesundheitsministerium eingegangen.
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Der Betriebsrat und die Klinikleitung reden weiterhin mit den Mitarbeitern über den Pflegebonus, versuchen klarzumachen, wer die unglücklichen Differenzierungen zu verantworten hat. „Aber es ist wirklich schwer zu vermitteln, am Ende fällt es doch auf uns zurück. Der Gesetzgeber hat da wirklich einen gewaltigen Bockmist gebaut“, sagt der Betriebsrat.
Autorin: Kirsten Gaede