pflegen-online: Wer ist denn überhaupt Berater in der Altenhilfe? Wer braucht dringend „Beratungskompetenz in der Altenhilfe“, so der Titel Ihres Buches?
Jürgen Link: Meine Zielgruppe sind die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Pflegestützpunkte, der Pflegekasse und der Krankenkasse, dazu kommen die Fachkräfte in den ambulanten Pflegediensten und in den stationären Pflegeeinrichtungen.
Auf welche Ratsuchenden müssen die Berater sich einstellen?
In erster Linie sind das die Angehörigen der pflegebedürftigen Menschen. Weil viele Pflegebedürftige selbst nicht mehr in der Lage sind, ihre Interessen noch wahrzunehmen. Und das in einer Zeit, in der das Thema Pflege durch die rechtlichen Veränderungen sehr verwirrend geworden ist.
Welche Fragen werden in der Beratung am häufigsten gestellt?
Die Kernfragen lauten: Wie kann ich meine Pflege organisieren? Und mit wem? An wen muss ich mich wenden? Der zweite wichtige Aspekt ist die Frage: Wie finanziere ich meine Pflege?
Mit welchen typischen Fragen konfrontieren die Ratsuchenden die Berater?
Typische Fragen und Anliegen sind: Ich schaffe die Pflege nicht allein. Auf welche Dienste kann ich jetzt zurückgreifen und welche Leistungen bieten sie an? Die zweite Frage lautet dann: Woher bekomme ich die finanzielle Unterstützung?
Da ist Fachwissen gefragt – einer von mehreren Aspekten Ihres Buches. Worauf kommt es beispielsweise beim Beratungsbesuch nach Paragraf 37, Absatz 3, Sozialgesetzbuch XI für die Berater an?
Das Gesetz schreibt vor, dass ein ambulanter Pflegedienst den Pflegebedürftigen aufsuchen und beraten muss, wenn dieser Pflegegeld in Anspruch nehmen möchte, weil er von Angehörigen zu Hause gepflegt werden soll. Der Hintergrund ist, dass der Gesetzgeber und die Pflegekasse eine gewisse Kontrolle ausüben möchten, dass das Pflegegeld zweckentsprechend verwendet wird. Das Hauptaugenmerk liegt auf der Frage: Ist die Pflege, für die die Pflegekasse zahlt, tatsächlich sichergestellt? Wenn das nicht der Fall ist, wird das Pflegegeld gekürzt oder sogar eingestellt.
Worauf muss der Berater also achten?
In erster Linie geht es für den Berater darum, die Situation bei dem Pflegebedürftigen genau zu erfassen beziehungsweise zu kontrollieren. Zweitens soll der Berater Hilfen anbieten und Vorschläge machen, falls die Hauspflege nicht den Erwartungen und Vorgaben entspricht. So sollte er oder sie die Angehörigen dazu motivieren, an Pflegekursen teilzunehmen.
Beim Pflegeberatungsbesuch ist also Aufmerksamkeit und genaues Hinschauen gefordert, aber auch Rücksichtnahme auf die Belastungen der Pflegenden. Checklisten im Buch helfen dabei, im Gespräch keine wesentlichen Punkte auszulassen.
Sehr praxisnah wird es in Ihrem Kapitel „Anleitung zur Pflege in der Häuslichkeit“. Zur Beratung kann es auch gehören, die Pflegeperson sehr konkret anzuleiten. Worum dreht sich die Beratung genau – geht es darum, den Angehörigen klar zu machen, was sie falsch machen?
Das wäre der verkehrte Ansatz. Angehörige machen nicht bewusst etwas falsch, sondern es fehlt an Hintergrundwissen. Damit tun sich viele pflegende Angehörige schwer. Stellen Sie sich vor, Sie haben nicht gelernt, rückenschonend zu pflegen. Das Umlagern vom Bett in den Rollstuhl kann sehr rückenbelastend sein, wenn man das nicht gelernt hat. Solche Dinge spricht man an und erläutert sie und zeigt sie auch in der Praxis. Diese Anleitungen zu Hause werden abgestimmt auf die konkrete Situation, auf die konkreten Problempunkte. Man konzentriert sich auf diese Schwerpunkte und lässt andere Aspekte beiseite.
Welches sind hier die häufigsten Knackpunkte, mit denen die Berater konfrontiert werden?
Neben den rein körperlichen Pflegeabläufen ist es vor allem der richtige Umgang mit dementen Angehörigen, der Sorgen bereitet.
Wie sieht es bei der ambulanten Pflege aus?
Ich möchte die Berater dafür sensibilisieren, die häusliche Situation schnell zu erfassen. Die Berater sollten hier ihr Augenmerk auch weniger auf professionelle Kriterien wie die Einhaltung von Qualitätsstandards richten als darauf, dass es sowohl dem Pflegebedürftigen als auch dem Pflegenden gut geht. Pflegende Angehörige sind nun mal keine examinierten Altenpflegerinnen.
Und jetzt die stationäre und teilstationäre Pflege…
Dieses Kapitel richtet sich in erster Linie an Mitarbeiter von Pflegestützpunkten, Sozialdiensten und Sozialdienstmitarbeiter von stationären Einrichtungen. Schwerpunkte sind die Fragen: Wie muss ich beraten, wenn jemand Interesse an einer Aufnahme hat? Wie berate ich zu den finanziellen Fragen? Wie berate ich zur Versorgungsqualität? Besonders wichtig: Wie fange ich als Berater den Umstand auf, dass Angehörige oft ein schlechtes Gewissen plagt, wenn sie planen, Angehörige in einer stationären Einrichtung unterzubringen. Oft überfordern sich jedoch die Angehörigen, wenn sie zu Hause pflegen. Aufgabe der Berater ist hier auch, ihnen ihre Grenzen, und gleichzeitig Auswege aus der Belastung aufzuzeigen.
Wo sehen Sie den größten Nutzwert Ihres Buches?
So wie jedes Jahr die Zahl der pflegebedürftigen Menschen steigt, so steigt auch die Nachfrage danach, gut informiert zu sein. Denn trotz Google und vielen Internetquellen wird man oft nicht schlau aus der Datenfülle im Netz. Und man findet dort keine Antworten auf individuelle Probleme. Außerdem spielt die Beratung in der momentanen Pflege-Ausbildung eine zu geringe Rolle. Es sollte das Ziel sein, die Vermittlung von Beratungskompetenz stärker in der Pflege-Ausbildung zu verankern.
Über Jürgen Link
Der Diplom-Verwaltungswirt/Betriebswirt arbeitete viele Jahre in leitenden Positionen in der Altenpflege. Er ist Inhaber der Firma JuLi-Beratung & Coaching in Kirchheim am Neckar.