Eine exakte Zahl gibt es nicht. Geschätzt sind es in Deutschland rund 60.000 Pflegekräfte, die sich in der Onkologie um Krebspatienten kümmern, stationär und ambulant. Zumindest ihre Aufgaben wachsen beständig: 2018 erkrankten in Deutschland rund 498.000 Menschen neu an Krebs, für 2022 sagen Experten rund 510.000 Neuerkrankungen voraus – weil die Lebenserwartung weiterhin steigt und ältere Menschen häufiger an Krebs erkranken.
Nach den Vorgaben der Deutschen Krebsgesellschaft müssen zertifizierte Onkologische Zentren je nach Größe ein bis zwei Kräfte mit Fachweiterbildung nachweisen. Um diese Mindestanforderung zu erfüllen, müssen sich Pflegekräfte in der zweijährigen Fachweiterbildung Onkologische Pflege qualifizieren. In der Regel ist sie Klinikpersonal vorbehalten.
Die Aufgaben: Patientenberatung steht im Fokus
Die Absolventen sind im Idealfall diejenigen, die Patienten und Angehörige ausführlich beraten, sie über den Ablauf ihrer Therapie informieren, ihnen Medikamente und Nebenwirkungen erklären und Zeit für ihre Sorgen und Nöte haben. „Sie sind am engsten und längsten an den Patienten dran“, sagt Kerstin Paradies. Die Vorstandssprecherin der Konferenz der Onkologischen Kranken- und Kinderkrankenpflege (KOK) denkt bei der Weiterbildung vor allem an die Qualität der Beratung und Versorgung von Krebspatienten und ihren Angehörigen.
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In der Onkologie kann Beratung Leben retten
Kommunikations- und Beratungstechniken stehen denn auch im Fokus der wissenschaftlich fundierten Weiterbildung, die auch ethische Fragen behandelt. „Wer so schwer erkrankt, muss viel sprechen und verstehen“, sagt Paradies. Da brauche es Pflegekräfte, die für solche Situationen geschult sind, mit den Patientenstimmungen und auch mit Sterbenden umgehen können.
Gleichzeitig müssen sie sich mit neuen Therapien befassen und die zahlreichen Medikamente kennen. Dabei geht es auch um die Zeit nach dem Krankenhausaufenthalt: „Patienten, die nicht richtig aufgeklärt wurden, können daheim unter Umständen Warnsignale wie ein Fieber nicht richtig einschätzen und kommen nicht rechtzeitig zurück in die Klinik“, beschreibt Paradies, was nicht nur negative Folgen für die Betroffenen, sondern auch wirtschaftliche Auswirkungen haben kann.
Fachweiterbildung Onkologie: 41 Bildungsstätten bundesweit
Viele Pflegekräfte besuchen die Weiterbildung, weil sie mehr wissen wollen, um die Qualität der Versorgung zu verbessern, aber auch um im Stationsalltag sicherer auftreten zu können, selbstbewusster – im Umgang mit Patienten und Angehörigen, aber auch mit den Ärzten. Andere sind dabei, weil ihre Vorgesetzten sie gezielt fördern wollen und ihr Abschluss für eine Zentrumszertifizierung durch die Krebsgesellschaft gefordert ist. So tragen Kliniken, die Teilnehmer entsenden, nicht nur die Kurskosten, sondern müssen in der Zeit auch den Ausfall der Pflegekräfte ausgleichen.
Bundesweit 41 Bildungsstätten haben die Weiterbildung im Angebot, 21 davon mit einer länderspezifischen Regelung, die anderen unterrichten nach Bundesrecht, auf Basis von DKG-Richtlinien. Teilnehmer der Onkologischen Weiterbildung müssen Berufserfahrung in der Pflege Krebskranker mitbringen.
Bis zu 950 Stunden Theorie, diverse Praxiseinsätze
Während der zwei Jahre lernen die Pflegekräfte in Praxiseinsätzen verschiedene Felder der Onkologie kennen – von der Gynäkologie und Neurologie über die Strahlentherapie und die Knochenmarktransplantation (KMT) bis hin zu Tagesklinik und Hospiz. Die theoretische Weiterbildung umfasst je nach Bundesland zwischen 720 und 950 Stunden, verschiedene Modulprüfungen und eine Abschlussprüfung werden abgelegt, teilweise wird eine Kursarbeit geschrieben. Am Ende steht ein DKG-Prüfungszeugnis.
Die Perspektive: Teilnehmer werden abgeworben
Die Absolventen der Weiterbildung sind bundesweit gefragt. Mirko Laux erlebt immer mal wieder, dass Teilnehmer schon während der Weiterbildung abgeworben werden. Laux leitet die Weiterbildung Onkologische Pflege und Palliative Versorgung am Universitätsklinikum Frankfurt.
Alle zwei Jahre startet ein neuer Kurs mit 16 bis 20 Teilnehmern vom KGU (Klinikum der Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main) und aus Kliniken im gesamten Rhein-Main-Gebiet – sehr praxisorientiert und mit vertiefenden Beratungsübungen, betont Laux: „Wir geben einen Rucksack von Maßnahmen mit, und die Kunst besteht darin, in der Praxis für jeden Patienten mit seiner individuellen Erkrankung und den individuellen Präferenzen das zu finden, was für ihn gut ist.“
Neue Aufgaben und oft bessere Bezahlung
Die zwei Jahre sind „sehr anstrengend“, betont Laux, sie bedeuten viel Arbeit und Aufwand. Zudem fallen für die Teilnehmer in dieser Zeit Schichtdienste weg, weshalb sie auf die Zuschläge verzichten müssen. Dafür erwarten sie anschließend oft nicht nur neue Aufgaben, sondern auch eine bessere Bezahlung. 200 Euro netto mehr im Monat sind durchaus drin, berichten Teilnehmer. Allerdings sei das nicht immer der Fall, schränkt Laux ein: „Nicht alle Kliniken stufen die Absolventen automatisch höher.“ Das frustriere viele.
Wie die Fachweitergebildeten bezahlt und vor allem wie sie eingesetzt werden, hänge an den Führungskräften, aber auch an den Pflegekräfte selbst. Deshalb motiviert er seine Teilnehmer, selbst aktiv zu werden, Vorschläge zu machen und das Gespräch mit den Führungskräften zu suchen: „Lassen sie uns gemeinsam schauen, wie wir die Versorgung verbessern können“, könnte ein Ansatz sein.
Krebsgesellschaft fordert neue Personalschlüssel
Kerstin Paradies weiß, dass viele Absolventen nach der Weiterbildung keine Freistellung für Beratungsaufgaben bekommen, sondern im Schichtdienst mit Spät- und Nachtdiensten klassisch weiterarbeiten wie vor ihrer Weiterbildung. „Dabei sind sie mit dem Abschluss für einen ganz anderen Tätigkeitsbereich qualifiziert“, kritisiert die KOK-Vorstandssprecherin, die selbst 18 Jahre lang als Praxismanagerin in einer gynäkologischen Praxis gearbeitet hat. Berufspolitisch kämpft sie jetzt nicht nur für die bessere Bezahlung der Fachpflegekräfte, sondern auch für mehr Anerkennung und neue Personalschlüssel. Die Kenntnisse und die Motivation der Absolventen müssten auch genutzt werden, fordert Paradies.
Großes Potenzial für neue Jobs abseits der Kliniken
Die Expertise ist derweil auch abseits der Kliniken zunehmend gefragt. Etwa bei der Beratung und Unterstützung von Patienten zu Hause oder der Nachsorge bei Langzeitüberlebenden – zum Beispiel in Pflegestützpunkten. Experten erwarten großes Potenzial für neue Jobs, in denen Fachpflegekräfte gebraucht werden. Und Kerstin Paradies sieht auch in der Altenpflege weiteren Bedarf, etwa wenn es darum geht, bestimmte Syndrome frühzeitig zu erkennen, um dann Medikamente zu wechseln. „Oder es werden Hautveränderungen wahrgenommen und dann Therapievorschläge gemacht“, beschreibt Paradies: „Gäbe es mehr Pflegekammern, könnten sie entsprechende Weiterbildungen festlegen.“
Autor: Jens Kohrs
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