Die angekündigte Schließung der pflegewissenschaftlichen Fakultät in Vallendar ist ganz klar ein Rückschlag für die Akademisierung der Pflege: Beim derzeitigen niedrigen Stand der Akademisierung in Deutschland ist jede Institution wichtig, die dabei hilft, hochwertige Pflegestudiengänge anzubieten. Die Schließung schränkt leider die Auswahl weiter ein, die Pflegende zur Qualifizierung haben.
Klinischer Bedarf sollte im Mittelpunkt stehen
Wollen wir weitere Schließungen verhindern, müssen wir uns die Frage stellen, welche konkreten Studienangebote wir künftig brauchen. Grundlegend sollte sich das Studienangebot viel mehr am klinischen Bedarf orientieren. In den Kliniken gibt es derzeit im Wesentlichen zwei verschiedene Gruppen Studierender: erstens die Pflege-Auszubildenden, die den Beruf von Grunde auf studieren, beziehungsweise ausbildungsbegleitend studieren. Zweitens die berufserfahrenen examinierten Pflegekräfte, die sich über ein Studium fachlich weiterentwickeln möchten. Für beide Gruppen brauchen wir gute Angebote.
Bei uns in der Regionalen Kliniken Holding (RKH) im Raum Ludwigsburg bauen wir gerade den Weg in die akademische Pflege klinisch auf. Wir sind der Überzeugung, dass wir die Patientenversorgung nur dadurch verbessern können, dass Absolventen der Pflegestudiengänge auch in der Patientenpflege arbeiten. Wir brauchen folglich Studiengänge mit klinischem Pflegebezug und Krankenhäuser mit Pflegestellen die akademisch geprägt sind.
Jobportal pflegen-online.de empfiehlt:
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Im Ausland – beispielsweise in Großbritannien und den USA – ist das durchaus üblich. Aber wie soll das genau in Deutschland funktionieren? Wir haben folgenden Weg eingeschlagen: Die RKH Kliniken sind in diesem Jahr Lehrkrankenhaus der Paracelsus Medizinischen Privatuniversität geworden. Dadurch können wir die beiden Faktoren ideal verknüpfen: einerseits die akademische Lehre und Qualifizierung und andererseits die akademische Pflegeentwicklung in den Krankenhäusern.
Wir verknüpfen Studieninhalte und klinische Qualifizierung
Das hat den großen Vorteil, dass wir die durch das Studium erworbene Expertise dorthin bekommen, wo sie am dringendsten benötigt wird – am Patientenbett. In der Praxis sieht das so aus, dass wir die Studieninhalte der Hochschule und die klinische Qualifizierung verknüpfen. Im Studium können klinische Fragestellungen behandelt werden und andersherum können Studieninhalte patientenseitig in der Klinik angewendet oder erprobt werden.
Dafür werden aber passende Lehrpersonen benötigt. Deshalb bauen wir gerade die akademischen Praxisanleiter auf. Außerdem erhalten erfahrene und qualifizierte Pflegekräfte Lehraufträge, auch werden Studentinnen und Studenten mit ihren Studienarbeiten in der Klinik betreut.
Die Frage ganz zu Beginn: Welche Kompetenzprofile brauchen wir?
Für viele stellt sich an dieser Stelle sicherlich die Frage, was uns von anderen Hochschulkooperationen unterscheidet. Seit zwei Jahren arbeiten wir an dem Projekt zusammen mit der Paracelsus Medizinischen Privatuniversität in Salzburg. Im ersten Schritt haben wir Kompetenzprofile erstellt für die Pflegenden, die wir in Zukunft brauchen. So wird deutlicher, welche Aufgaben die Bachelor und Masterabsolventen in Zukunft übernehmen sollten. Im zweiten Schritt können sich die Pflegenden dann tatsächlich in Studiengängen qualifizieren. Bevor wir die Studierenden dann auf den Stationen einsetzen, schauen wir ganz genau, wie viele Pflegekräfte mit welcher Qualifikation – von Pflegehilfskraft über Pflegefachfrau bis zum ANP-Master und später eventuell dem Pflege-Doktor - wir auf welcher Station brauchen.
Diese Veränderungen können wir den Mitarbeitern natürlich nicht einfach überstülpen. Es gibt – wie immer bei Innovationen – auch Vorbehalte und Befürchtungen. Deshalb werden wir das Projekt gut und transparent begleiten. Schließlich wollen wir mit unserem neuen Ansatz die Patientenversorgung verbessern. Es ist wichtig, dass In einem solchen Projekt alle Berufsgruppen einbezogen, Aufgaben und Tätigkeiten überprüft und vielleicht auch neue Formen der Zusammenarbeit ausprobiert werden.
Akademisch-praktische Sicht so wichtig wie Pflegewissenschaft!
Wir sehen in unserem Projekt eine echte Chance, die Pflege-Akademisierung voranzutreiben. Indem wir die klinische Pflege einbeziehen und den konkreten Bedarf der Patienten berücksichtigen, erhalten die Pflegespezialisten mit ihrer akademischen und fachlichen Entwicklung für die Gesundheitsversorgung eine besondere Bedeutung. In der künftigen Hochschullandschaft wird es sicher weiterhin die pflegewissenschaftliche Ausrichtung geben. Doch zusätzlich muss aus unserer Sicht auch die akademisch-praktische Sichtweise in entsprechenden Studiengängen abgebildet werden. Beides ist gleichermaßen relevant für die Entwicklung der Profession und für eine gute Patientenversorgung in allen Feldern der Pflege.