pflegen-online: Sie möchten Führungskräften in der Altenpflege zeigen, wie sie besser führen können. Welches sind denn die häufigste Fehler?
Susanne Vathke: Ich möchte nicht von Fehlern sprechen, in der Führung gibt es selten falsch oder richtig. Es kommt auf die Wirksamkeit an. Mit was und wie komme ich schneller ans Ziel? Pflegedienstleitungen oder Wohnbereichsleitungen gehen oft zu planlos und zu ziellos an ihre Führungsaufgaben heran. Oft hat ihr Führungsstil keine klare Struktur, und sie wissen selbst nicht so richtig, was sie eigentlich erreichen wollen. Da die Zeit in der Altenpflege knapp ist, sollten Führungskräfte lernen, dieses wertvolle Gut bestmöglich zu nutzen.
Sollten Führungskräfte in der Altenpflege an Fortbildungskursen zum Thema Mitarbeiterführung teilnehmen?
Das empfehle ich auf jeden Fall. Die Seminarinhalte vermittelt im Prinzip auch mein Buch, aber zusätzlich gibt es in den Workshops und bei Seminaren noch den Erfahrungsaustausch mit den anderen Kursteilnehmern. Im Austausch mit Kollegen aus anderen Pflegeeinrichtungen erhält man oft wertvolle Anregungen. Und man merkt, dass man nicht der oder die einzige ist, der bei den Themen Struktur und Zielsetzungen noch einiges dazulernen kann.
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Welches sind Ihrer Meinung nach die drei besten Strategien für gute Mitarbeiterführung?
Die erste Strategie setzt bei mir selbst an. Sie zielt darauf, dass ich als PDL oder WBL meinen eigenen Berufsalltag gut im Griff habe, mich nicht verzettele und gesund bleibe, damit ich meinen Beruf jeden Tag gut und kraftvoll ausüben kann. Zweitens sollte ich für mich definieren, welche Werte und welches Menschenbild ich vertreten möchte, wenn ich führe. Diese Werte sind dann in Mitarbeitergesprächen immer wieder klar zu vertreten und anzusprechen.
Und damit kommen wir zur dritten Strategie: Das sind für mich regelmäßige Besprechungen im Team. Ich arbeite aktuell in einem Unternehmen, in dem jeden Morgen eine Blitzrunde im Stehen stattfindet. Jeder informiert kurz, wo es gestern gut lief, wo es nicht so gut lief, was heute ansteht. Das ist außerordentlich hilfreich und sorgt für absolute Transparenz.
Der Druck auf die Altenpfleger wächst und die Arbeitswelt wandelt sich rasant – zwei Gründe, warum Sie dieses Buch geschrieben haben. Können Sie ein Beispiel nennen, wie Zeitdruck und Wandel Führungsaufgaben verändern?
Von Kursteilnehmern erfahre ich immer wieder, wie groß der Personalmangel und wie knapp die Zeit ist. Oft fehlt ein Viertel bis ein Drittel der notwendigen Mitarbeiter. Die Führungskraft muss also die vorhandenen Pflegekräfte möglichst sinnvoll einsetzen – und sie zugleich vor Überlastung schützen, damit sie gesund bleiben.
Und angesichts der zunehmenden Digitalisierung sollten Führungskräfte Wert darauf legen, ein gutes Arbeitsklima für ihr Team zu schaffen. Es besteht die Gefahr, dass aufgrund des hohen Drucks die gute Zusammenarbeit leidet. Damit ist die Beziehungsqualität gefährdet - und gerade das darf nicht geschehen. Eine gute Zusammenarbeit ist die beste Mitarbeiterbindung. Und ein Team, das miteinender gut umgeht und Freude bei der Arbeit hat, ist genauso positiv gestimmt in der Arbeit mit den Bewohnern. Denn die menschliche Seite der Pflege wird sich nie ersetzen lassen, selbst wenn eines Tages Pflegeroboter Basisaufgaben übernehmen sollten.
Oft heißt es, Führungskräfte delegieren zu wenig. Beobachten Sie das auch in der Altenpflege?
Ja, Delegieren ist notwendig. Ich habe mir allerdings angewöhnt, den Aspekt der Freiwilligkeit einzubringen, also in die Runde zu fragen, welcher Mitarbeiter bereit ist, eine bestimmte Aufgabe von sich aus zu übernehmen. Damit möchte ich den Kollegen auch verdeutlichen, dass wir ein Team sind, das gemeinsam ein Aufgabenvolumen zu stemmen und zu verteilen hat. Dann lässt sich gemeinsam nach Lösungen suchen, wie die Aufgabe verteilt oder vielleicht auch verändert werden kann.
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Sie selbst geben Seminare: Können Sie ein Führungsbeispiel nennen, das dort immer wieder zur Sprache kommt?
Zum einen taucht immer wieder die Frage auf, wie eine Führungskraft am besten mit einer schwierigen, konfliktbelasteten Gesprächssituation umgeht, vor allem, wenn der Kollege aufbrausend ist und Ihnen ständig ins Wort fällt. Das Thema ist also der Umgang mit Emotionen.
Zum anderen fragen mich gerade ältere Führungskräfte, wie sie am besten mit jungen Kollegen umgehen sollen, die verstärkt Wert auf ihre Work-Life-Balance legen, die sich zwar im Job engagieren, denen aber auch ihre Freizeit sehr wichtig ist. Diese Pflegekräfte kann ich nur halten und motivieren, wenn ich mich als Führungskraft ernsthaft mit ihren Lebenszielen beschäftige. Kommunikation und Transparenz heißen hier die Zauberworte.
Über Susanne Vathke
Die Autorin ist Trainerin und Coach für wertorientiertes Führen sowie systemischer Coach & Organisationsberaterin.
Interview: Michael Handwerk
Illustration: Maren Melzer