Hier eine Schachtel Pralinen, dort eine Flasche Wein, und hin und wieder mal ein Geldschein – Pflegekräfte, die sich um ihre Patienten intensiv kümmern kennen das: Wenn ein Feiertag naht, sind viele Patienten in Geberlaune.
Strenge Vorgaben für Pflegekräfte im Hessische Gesetz (HGBP)
Doch es gibt Geschenke, die können die Beschenkte um den Job bringen. Und sogar vor Gericht.
Was man annehmen darf und was nicht, haben die Bundesländer ihren Berufsordnungen für Pflegekräfte eindeutig formuliert. So heißt es im „Hessischen Gesetz über Betreuungs- und Pflegeleistungen (HGBP)“, dass es „der Leitung und den Beschäftigten oder sonstigen Mitarbeiterinnen oder Mitarbeitern ... untersagt (ist), sich von oder zugunsten von Betreuungs- und Pflegebedürftigen neben der von der Betreiberin oder von dem Betreiber erbrachten Vergütung Geld- oder geldwerte Leistungen für die Erfüllung der Pflichten aus dem Vertrag mit der Betreiberin oder dem Betreiber versprechen oder gewähren zu lassen“.
Jobportal pflegen-online.de empfiehlt:
Kleine, geringfügige Geschenke sind meistens unproblematisch
Also keine Pralinen zu Weihnachten? Jein, sagt Alexa Frey, Rechtsanwältin der Ulmer Kanzlei WWS Rechtsanwälte: „Die Rahmen-Berufsordnung für professionelle Pflegende normiert, dass die Annahme geldwerter Leistungen oder sonstiger Vorteilnahmen von Leistungsempfängern, Bezugspersonen oder Firmen, mit dem berufsethischen Verständnis professionell Pflegender unvereinbar ist. Im Grundsatz ist es der Pflegekraft daher nicht erlaubt, Geschenke von Patienten, Angehörigen von Patienten oder anderen Dritten zum Beispiel Pharmaunternehmen anzunehmen.“ Allerdings, so ergänzt die Fachanwältin für Medizinrecht: „Es gilt jedoch die ungeschriebene Ausnahme, dass Geschenke die eine Geringfügigkeitsgrenze nicht überschreiten, zulässig sein können und durch das Pflegepersonal angenommen werden dürfen, ohne das darin eine Beeinflussung der pflegerischen Unabhängigkeit gesehen werden kann.“
Was genau ist ein Geschenk mit geringfügigem Wert?
Eine genaue Grenze, wo Geschenk und vermutete Bestechung sich trennen, ist weder in Gesetzen noch Verordnungen definiert. Die Anwältin, die auch Lehrbeauftragte der TH Ulm ist, verortet sie bei einem Geschenkewert von 25 Euro. Das bedeutet: Der Champagner vom Discounter ist in Ordnung, die Edel-Flasche könnte Probleme bringen. Die tiefgefrorene polnische Gans für den Weihnachtsbraten dürfte preislich unter der Schwelle liegen, bei der freilaufenden deutschen Gans sieht das kritisch aus.
Ist es ein Geschenk oder eher eine Aufmerksamkeit?
Auch das Bundesarbeitsgericht hat sich bereits mit dem Thema beschäftigt. In einem Urteil traf es die Unterscheidung „Geschenk“ von „Aufmerksamkeit“. Aufmerksamkeiten wären dabei Geschenke, die nicht aus dem Rahmen „sozial üblicher Höflichkeits- oder Dankbarkeitsgesten hinausfallen.“ Sollte eine Zurückweisung einer solchen Geste als Unhöflichkeit oder Pedanterie angesehen werden, dürfen kleinere Geschenke angenommen werden.
Bei wertvollen Geschenken sind sogar Freiheitsstrafen möglich
Wo auch immer die Grenze liegen mag, wer sie eindeutig überschreitet, muss mit harten Strafen rechnen. Anwältin Frey auf das Strafgesetzbuch mit seinen Paragrafen zur Bestechlichkeit im Gesundheitswesen: „Bei einer strafrechtlichen Verurteilung nach den Paragrafen 299a und b Strafgesetzbuch kann neben einer Geldstrafe auch eine Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren verhängt werden.“
Schlimmstenfalls wird die Berufserlaubnis entzogen
Doch das ist nicht alles, was die Pflegekraft an möglichen Sanktionen zu erwarten hat. Alexa Frey: „Hinzu kommt, dass die Annahme von Geschenken ein Verstoß gegen die berufsrechtlichen Vorschriften der Pflegeperson darstellt. Dieser Verstoß wird durch die zuständigen Gesundheitsbehörden geahndet. Neben der Verhängung von Bußgeldern, Verweisen oder der Einleitung von Disziplinarmaßnahmen kann es schlimmstenfalls zu der Entziehung der Erlaubnis zum Führen der Berufsbezeichnung kommen.“
Bitte nie einen Kredit von Patienten annehmen!
Ein aktuelles Beispiel: Eine Krankenpflegerin hatte sich von einer Patientin 800 Euro als rückzahlbaren Kredit aufdrängen lassen. Als ihr Arbeitgeber davon Wind bekam, wurde ihr fristlos gekündigt. Vom Arbeitsgericht wurde die Kündigung für rechtmäßig erklärt.
Richtiger Zeitpunkt ist oft entscheidend
Bleibt die Frage, wie sich Pflegekräfte im Geschenkefall verhalten sollen? Rechtsanwältin Alexa Frey: „Um eine Strafbarkeit oder andere juristische Konsequenzen zu vermeiden, sollte das Pflegepersonal darauf verzichten, Geschenke während der laufenden Betreuung der Patienten anzunehmen. Kleine Geschenke nach Abschluss der Betreuung sind in Einzelfällen erlaubt.
Was tun, wenn man den Wert eines Geschenks nicht abschätzen kann?
Hier sollte die Pflegekraft stets den Wert des Geschenkes überprüfen. Sofern dies nicht auf den ersten Blick erkennbar ist, kann es ratsam sein, dem Patienten zu erklären, dass ein berufsrechtliches Verbot zur Annahme von Geschenken besteht, die nicht geringfügig sind, und ihn dann nach dem Wert des Geschenkes zu fragen. Handelt es sich um ein nicht geringfügiges Geschenk oder kann der Wert nicht ermittelt werden, muss die Pflegekraft das Geschenk – unter Verweis auf die Berufsordnung – dankend ablehnen. Wenn für die Pflegekraft ohne Zweifel ersichtlich ist, dass das Geschenk einen geringfügigen Wert hat, kann das Geschenk hingegen dankend angenommen werden.
Autor: Hans-Georg Sausse