„OP-Schwestern und -Pfleger sind Meister der Effizienz“, sagt Daniel Köbsch, 44. Aber mit der Digitalisierung tun sich manche seiner Berufskollegen und -kolleginnen dennoch schwer. Köbsch arbeitet seit zwanzig Jahren im Universitätsklinikum Carl Gustav Carus Dresden, mittlerweile Europas modernstes OP-Zentrum.
pflegen-online: Wie wurden Sie OP-Pfleger?
Daniel Köbsch: Ich habe nach dem Abi Zivildienst am Universitätsklinikum Dresden gemacht. Da war ich auch im OP-Saal eingesetzt, als Springer. Eine Krankenschwester meinte da schon zu mir: „Du wirst mal im OP landen.“ Ich habe erstmal was anderes studiert und mich dann doch entschieden, eine Krankenpflegeausbildung zu machen. Nach dem Examen wollte ich gerne in den OP, aber da war nichts frei. Ich lebte dann sieben Monate mit meiner Frau im Ausland. Danach bin ich in den OP. Zwei Jahre lang lernte ich alle chirurgischen Fachgebiete kennen, blieb jeweils ein paar Monate. Schließlich entschied ich mich für die Neurochirurgie. Und dort bin ich bis heute tätig.
Haben Sie auch die zweijährige Fachweiterbildung OP-Pflege gemacht? Nein. Ich habe über 20 Jahre Berufserfahrung. Was würde mir die Weiterbildung jetzt noch bringen? Ich hätte zwar 42 Euro mehr netto im Monat und eine schöne Urkunde mit der ich mich in andere Häuser bewerben könnte, aber meine Arbeit wäre exakt die Gleiche. Wir sind ein Kernteam von etwa zehn Leuten. Wir teilen die Aufgaben nicht danach auf, welche Ausbildung und Berufslaufbahn jemand hat. Jeder hat sein Spezialgebiet. Ich zum Beispiel bin eher der Techniker.
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Raten Sie jungen Kollegen von der Fachweiterbildung ab? Nein! Natürlich steigert es den Marktwert, wenn man die Fachweiterbildung hat. Man kann sich anders nach außen darstellen. Das lohnt sich für jüngere Leute, die sich woanders bewerben wollen. Aber im täglichen Leben ist Erfahrung oft wichtiger als der Titel.
Was verdient man als OP-Pfleger? Wie die meisten meiner Kollegen habe ich eine Teilzeitstelle. Man muss in diesem Beruf physisch und psychisch haushalten. Ich arbeite 70 Prozent und verdiene monatlich, je nach Zuschlägen, 1.800 bis 2.000 Euro brutto. Das ist nach zwanzig Berufsjahren nicht viel, gemessen an der Verantwortung, die ich im Alltag manchmal übernehmen muss.
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Wie läuft ein normaler Dienst bei Ihnen ab? Wir haben Früh- und Spätdienst, nachts Bereitschaftsdienst, am Wochenende 24-Stunden-Bereitschaft – jeweils mit Präsenzpflicht. Der Frühdienst beginnt um sieben Uhr. Wir setzen uns kurz mit einem Kaffee zusammen und besprechen den Tag, dann bereiten wir die OP-Säle vor. Um acht Uhr beginnen die Operationen. Die OPs dauern in der Neurochirurgie meist mehrere Stunden, für die Vorbereitung des Patienten und des Saals braucht man auch noch mindestens eine Stunde. Pro Schicht betreue ich meist eine bis zwei OP.
Was machen Sie bei der OP genau? Pro OP sind wir zu zweit, einer übernimmt das Instrumentieren, er steht mit am OP-Tisch, im sterilen Bereich und reicht dem Operateur die Instrumente an. Der zweite ist Springer, er bringt dem Kollegen, was dieser zum Instrumentieren braucht und führt die OP-Dokumentation.
Was machen Sie persönlich lieber? Beides hat was. Die Kunst ist ja in beiden Fällen, schon vorher zu wissen, was als nächstes benötigt wird. Um dahin zu kommen, braucht man aber fünf bis sechs Jahre. Am Anfang im OP ist es extrem viel Input. Aber irgendwann hat man es raus. In manchen Teams versteht man sich wortlos, arbeitet wirklich Hand in Hand. Dieser Flow-Zustand ist toll, dann macht es extrem viel Spaß.
Wie hierarchisch ist die Situation im OP? Im OP-Saal gibt es nur eine sehr flache Hierarchie, deswegen mag ich das so. Jeder ist hier wichtig, wir sind alle aufeinander angewiesen. Manchmal kriege ich mit, dass ein Arzt auf den Stationen den Ruf hat, schwierig zu sein, und wundere mich, weil ich ihn aus dem OP-Saal ganz anders kenne: entspannt und witzig. Ist schon ein eigener Kosmos, ein eigenes Ökosystem im OP.
Chirurgen gelten allgemein nicht als allzu feinfühlig. Da gibt es natürlich Unterschiede. Ein Knochenchirurg, der mit Hammer und Säge Gewalt anwenden muss, pflegt vielleicht auch einen etwas gröberen Umgang mit Menschen. Es ist kein Zufall, dass ich in der Neurochirurgie geblieben bin. Die Operateure hier müssen sehr fein, sorgfältig und filigran arbeiten, das spürt man auch im Umgang.
Das Dresdner Universitätsklinikum, in dem sie arbeiten, hat kürzlich seine siebzehn OP-Säle komplett digitalisiert. Was bedeutet das konkret?
Zum einen ist die Patientenakte komplett digitalisiert. Früher musste die mit dem Patienten in den OP gebracht werden. Heute können wir alles am Schwesternarbeitsplatz abrufen: Befunde, Krankengeschichte, Einverständniserklärung et cetera. Das hat Vorteile: Ich muss nicht mehr an verschiedenen Stellen suchen. Und die Kollegen müssen nicht zweimal laufen, wie früher, wenn wir angerufen haben: „Wo ist der MRT-Befund?“ Außerdem muss ich nichts mehr per Hand schreiben und auch nicht mehr die Schrift der anderen entziffern. Das alles spart uns Zeit.
Was hat sich noch verändert?
In jedem OP stehen mehrere Rechner. Alles, was wir brauchen, ist digital sofort abrufbar. Keiner muss mehr rausrennen und noch was holen. Wir hängen die Röntgenbilder nicht mehr an Weißbildschirme, sondern zeigen sie einfach am Bildschirm. Videomitschnitte, etwa von Untersuchungen, haben wir früher auf Videokassette aufgezeichnet und mussten diese dann mit der Patientenakte mitgeben. Auch das geht jetzt viel einfacher.
Was meinen Sie mit früher? Sind Weißbildschirme und Videokassette nicht schon seit Jahrzehnten aus dem OP-verschwunden?
Als ich 2004 in der Neurochirurgie anfing, war beides noch normal und üblich, der große Schub in Richtung digitaler Bildaufzeichnung und Wiedergabe erfolgte erst etwa Anfang der 2010er Jahre.
Hat sich mit der Digitalisierung auch ihre Tätigkeit verändert?
Ich muss weniger schreiben und weniger suchen. Aber ich habe mehr Vorbereitung. Morgens muss ich etwa sechs Rechner hochfahren, denn in fast jedem Gerät steckt heutzutage ein Rechner der booten muss. Das dauert und vor allem: Ich muss damit umgehen können, wenn etwas nicht geht. Außerdem muss ich all die Unterlagen, die ich brauche, natürlich auch im PC finden können oder mal fix Bilder aufrufen und auf dem Wandbildschirm anzeigen. Das muss ich auch immer mal wieder während der OP tun.
Kriegen das alle Mitarbeitenden gut hin bei Ihnen? Die Jüngeren kommen damit in der Regel gut klar. Die sind es ja gewöhnt, mit Smartphones und Laptops umzugehen. Wenn da mal was hakt, macht denen das keine Angst. Manche älteren Kollegen, die sonst kaum was mit Computern zu tun hatten, überfordert das teilweise, aber es wird stetig besser. Sie brauchen oft einfach Zeit und Schulungen, um umzulernen. OP-Schwestern und -Pfleger sind Meister im effizienten Arbeiten und in eingeübten Routinen. Die sind total durchgetaktet. Wenn sich da Rahmenbedingungen verändern, bringt sie das erstmal durcheinander, und es müssen neue Routinen entwickelt werden.
Muss man technikaffin sein, um heutzutage eine guter OP-Pfleger zu werden?
Nicht unbedingt, aber es hilft auf jeden Fall. Vor allem bei Gerätestörungen, wo einfach nur ein Kabel locker ist oder neu gestartet werden muss, da ist ein bisschen technischer Sachverstand schon hilfreich. Aber die eigentliche Kerntätigkeit: Instrumentieren und Assistieren, wird so schnell kein Computer übernehmen können, und dafür braucht man auch eher handwerkliches Geschick.
Autorin: Hanna Lucassen
Info: OP-Ausbildung und Gehalt
Ausbildungswege
Nach einer dreijährigen Ausbildung in der Gesundheits- und Krankenpflege kann man in der Regel direkt im OP einsteigen. Berufsbegleitend kann man eine zweijährige Weiterbildung zur Fachpflegekraft OP absolvieren. Wenn man ganz sicher ist, dass man nur im OP arbeiten will, kann man sich auch gleich zum Operationstechnischen Assistenten (OTA) ausbilden lassen. Die ebenfalls dreijährige Ausbildung ist eher medizinisch-technisch als pflegerisch ausgerichtet, die Absolventen nehmen aber die gleichen Aufgaben wie Pflegekräfte wahr. Die OTA-Ausbildung wurde 1990 als Antwort auf den Fachkräftemangel entwickelt, der Beruf ist allerdings noch nicht staatlich anerkannt.
Verdienst
Das bundesweite Durchschnittsmonatsgehalt für eine volle Stelle in der OP-Pflege liegt bei 3.127 Euro brutto. Es gibt aber sehr ausgeprägte regionale Unterschiede, und auch der Klinikträger spielt eine Rolle.