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Serie Stationsleitungen

„Oft bin ich mehr Familienberaterin als Stationsleitung“

Wie leben Stationsleitungen mit ihrer Sandwichposition? Lesen Sie unsere Serie „6 Fragen an ...“ Dieses Mal: Sabrina Roßius (Foto, Mitte) vom Krankenhaus Hedwigshöhe (Alexianer) in Berlin

Die studierte Pflegemanagerin und vierfache Mutter leitet die interdisziplinäre Intensivstation des Krankenhauses Hedwigshöhe und ist Vorstandsmitglied des Bundesverbands Pflegemanagement.

Auf welchen (persönlichen) Gegenstand könnten Sie im Pflegealltag nicht verzichten?

(überlegt länger) Es ist weniger ein Gegenstand, sondern meine Rhetorik. Ohne meine rhetorischen Fähigkeiten würde ich hier nicht einen Tag zurechtkommen. Gleich morgens bei der Übergabe zum Beispiel, das ist wie ein Überfall – die kranken Patienten, Kollegen, die sich die Fälle sofort selbst aufteilen wollen, und andere, die sich über den Dienstplan beschweren – das muss ich per Rhetorik so strukturieren, dass alle nach 20 Minuten Übergabe arbeitsfähig sind.

So geht es den ganzen Tag weiter. Mitarbeiter ins Boot holen, einige auch mal etwas ausbremsen – das gelingt, weil ich empathisch bin und wir uns deshalb sehr schnell auf eine Linie einigen. Ohne diese Fähigkeit würden Mitarbeiter kündigen, weil sie sich nicht wahrgenommen und verstanden fühlen. Es würde zu Ausgrenzungssituationen im Team kommen, und auch das Standing der Pflege gegenüber den Ärzten wäre deutlich schlechter. Ich glaube, das beste Training für all das sind meine vier Kinder.

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Wie motivieren Sie sich täglich aufs Neue für Ihren Job?

Ich identifiziere mich zu 100 Prozent mit der Perspektive, die wir hier haben, und ich habe eine ganz klare Vorstellung davon, was ich erreichen möchte. Mein Ziel ist es, eine moderne, professionelle Pflege zu gestalten – das motiviert mich jeden Tag, um 4 Uhr aufzustehen und eineinhalb Stunden von meinem Wohnort mit der Bahn ins Krankenhaus zu fahren.

Auf meiner ITS habe ich nach 18 Monaten schon 80 Prozent meiner Ziele erreicht. Insgesamt aber sind alle, die in Deutschland in der Pflege arbeiten, noch zu sehr damit beschäftigt, zu reagieren und den Zielen hinterher zu laufen. Ich bin jetzt 35 – spätestens bis ich 50 bin, erwarte ich hier ein klareres Bild für die Pflege in der Gesellschaft und am Arbeitsplatz.

Wie motivieren Sie Ihr Team (in schwierigen Situationen)?

In allererster Linie indem ich ihnen helfe, ihre echten Bedürfnisse zu reflektieren. Wenn zum Beispiel jemand über den Dienstplan meckert, geht es oft gar nicht wirklich um den Dienstplan, sondern darum, dass derjenige von seinem Partner nicht unterstützt wird, wenn er Spätdienst hat. Ein anderes Beispiel sind Probleme bei der Schichtbesetzung. Da fühlen sich Kollegen vielleicht einfach nur unsicher, weil jemand im Team ist, den sie für nicht fit genug halten.

Wenn wir so die echten Bedürfnisse erkennen, sind alle schneller zufrieden, weil wir nicht nur die Symptome behandeln. Das ist wichtig, denn gerade hier auf der Intensivstation tun viele, als seien sie die harten, krassen Macher. Dabei sind immer mehr damit beschäftigt, sich zu überfordern. Häufig fühle ich mich deshalb auch mehr als Psychotherapeutin, Sozialarbeiterin und Familienberaterin, denn als Leiterin einer Intensivstation.

Was regt Sie in Ihrem Arbeitsalltag immer (mal) wieder auf?

Unreflektierte Menschen, die sich ihrer Rolle, ihrer Position und ihres Auftrags nicht bewusst sind. Das reicht von Kollegen bis hin zur Politik. Denken Sie zum Beispiel an Gremiensitzungen, in denen ein ganz konkretes Thema besprochen werden soll. Es ärgert mich sehr, wenn sich die Beteiligten dann erst einmal endlos in persönlichen Befindlichkeiten verheddern und dabei ihren eigentlichen Auftrag aus den Augen verlieren.

Worüber haben Sie sich in der vergangenen Woche am meisten gefreut?

(lacht) Da gibt es einiges – zum Beispiel, dass mein Stellenplan wieder voll ist. Ich kann vier großartige Menschen einstellen, und dabei ist es mir gelungen, einen Kollegen von der Freiberuflichkeit in die Festanstellung zurückzuholen. Außerdem haben wir die technischen Voraussetzungen geschaffen, dass ich jetzt auch im Homeoffice arbeiten kann. Und dann ist da noch das Projekt unserer Nachwuchsgruppe im Bundesverband Pflegemanagement, mit dem wir uns für einen Preis bewerben. Unabhängig davon, ob wir die Auszeichnung bekommen: Das Ergebnis ist klasse, und die Zusammenarbeit war toll – so stelle ich mir berufspolitisches Engagement vor.

Sehen Sie sich Krankenhaus- und Arztserien an?

(fast vorwurfsvoll) Nein! Ich schaue ohnehin kaum Fernsehen – eigentlich nur den „Tatort“. Und dabei rege ich mich immer auf, wenn es um Krankenhäuser oder Pflege geht. Das Bild von Pflege, das da gezeigt wird, entspricht nicht meiner Wahrnehmung. Pflege wird nie professionell und zufrieden dargestellt, sondern eigentlich nur total devot und überfordert. Es ist immer die abgehetzte Krankenschwester-Mutter oder die überlastete Mitarbeiterin im Pflegedienst. Das ist mir zu überspitzt – weil fast immer nur diese Seite dargestellt wird.

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Protokoll: Jens Kohrs

Copyright Foto: Sabrina Roßius

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