Wer sich professionell helfen lässt, hat eine fünfmal größere Chance, dauerhaft mit dem Rauchen aufzuhören. Und selbst wenn das Aufhören nicht gleich im ersten Anlauf klappt – sehen Sie es als Ansporn statt als Scheitern, meint Michaela Goecke, Leiterin des Referats für Suchtprävention in der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA).
[Bitte beachten Sie: Das im Interview erwähnte Forum und auch das Online-Ausstiegsprogramm Rauchfrei ist augenblicklich nicht zu erreichen. Wegen Sicherheitswarnungen Mitte Dezember wurde der BZgA-Internetauftritt rauchfrei-info.de vorübergehend deaktiviert, heißt es bei der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung. Augenblicklich wird die Seite getestet und aktualisiert, Anfang Januar wird sie dann wieder erreichbar sein. Wir halten Sie auf dem Laufenden!]
pflegen-online: Ich habe von einem ehemaligen Raucher gehört, der sich im Auto gerade eine Zigarette anzünden wollte – dann aber innehielt, die Zigarette aus dem Auto warf und seither nie mehr geraucht hat. Warum gelingt es dem einen so abrupt, während andere es ein halbes Dutzend Mal probieren und immer wieder scheitern. Wie erklären Sie sich das?
Michaela Goecke: Der Rauchstopp ist eine sehr individuelle Sache. Was dem einem gelingt, klappt beim anderen gar nicht. Wer erfolgreich mit dem Rauchen aufgehört hat, hält seinen Weg oft für den einzig richtigen und berichtet stolz davon. Das ist gut, aber der eigene Weg lässt sich nicht einfach auf andere übertragen. Es gibt für jeden Rauchstopp einen individuellen Weg.
Jobportal pflegen-online.de empfiehlt:
Manchen hilft beim Rauchstopp eine persönliche Telefonberatung oder ein Gruppenkurs, ein Online-Ausstiegsprogramm oder einfach eine Broschüre, die beim Rauchstopp begleitet. Und andere benötigen weniger Unterstützung.
Fakt ist, dass die meisten Raucherinnen und Raucher mehrere Anläufe benötigen, um auf Dauer rauchfrei zu werden, insbesondere, wenn sie eine Tabakabhängigkeit entwickelt haben. Fakt ist aber auch, dass der feste Entschluss, mit dem Rauchen wirklich aufzuhören, das A und O ist. Im geschilderten Fall, war weitere Unterstützung offensichtlich nicht nötig.
pflegen-online: Welche Methode ist denn nach aktueller Studienlage das Mittel der Wahl für alle, die das Rauchen aufgeben möchten?
Michaela Goecke: Aktuelle Studien belegen, dass eine Raucherentwöhnung eher Aussicht auf Erfolg hat, wenn mit verhaltenstherapeutischen Ansätzen gearbeitet wird. Dabei geht es zunächst darum, sich das eigene Rauchverhalten bewusst zu machen. Auf dieser Basis werden Alternativen zum Rauchverhalten individuell erarbeitet – und dann wird das neue Verhalten eingeübt.
Ein Ausstiegsprogramm, das auf zentralen Modulen der Verhaltenstherapie basiert, bietet die BZgA unter www.rauchfrei-info an. Wie funktioniert es genau?
Nach der so genannten Schluss-Punkt-Methode setzen sich Teilnehmende einen „Aufhörtag“. Auf diesen Tag haben sie sich im Rahmen des Programms vorbereitet, indem sie zum Beispiel ein Online-Tagebuch geführt und hierdurch ihr Rauchverhalten besser verstanden haben. In der Aufhörphase erhalten Teilnehmende maximal 28 Tage lang täglich eine E-Mail mit individuellen Empfehlungen oder Motivationstipps. So wird ganz praktisch die Verhaltensänderung unterstützt.
Eine solche Verhaltensänderung ist für viele nicht einfach; beim Rauchstopp muss dabei auch noch beachtet werden, dass in vielen Fällen eine körperliche Abhängigkeit vom Nikotin sowie eine psychische Abhängigkeit zu überwinden sind. Grundsätzlich kann man sagen, dass das BZgA-Online-Ausstiegsprogramm „rauchfrei“ dabei hilft, sich das eigene Rauchverhalten bewusst zu machen, alternative Verhaltensweisen zu finden und Rückfälle zu vermeiden.
[Was glauben Sie, warum gerade Pflegekräfte oft Raucher sind? Lesen Sie dazu unsere Überlegungen im Kommentar Kliniken, Heime, hört auf, Raucher zu bevorzugen!]
Wie hoch ist die Erfolgsquote des Programms?
Die Abstinenzraten liegen nach sechs Monaten bei etwa neun Prozent. Nach zwölf Monaten liegen sie bei etwa fünf Prozent. Auch andere Online-Ausstiegsprogramme verzeichnen ähnliche Abstinenzquoten. Das Angebot ist sehr niederschwellig und kann daher viele Menschen erreichen.
Dass die Erfolgsquote nicht höher liegt, hängt unter anderem damit zusammen, dass der Rauchstopp aus den genannten Gründen für Menschen nicht leicht zu bewerkstelligen ist.
Das gilt sicher umso mehr für starke und langjährige Raucher – Menschen, die mit der gerade gestarteten Bundesinitiative „Rauchfrei leben“ besonders angesprochen werden sollen. Welche zusätzliche Hilfestellung erhalten sie durch die Kampagne?
Jeder Rauchstopp ist individuell. Deshalb ist es wichtig, dass Aufhörwillige die für sie passende Unterstützung finden. Mit der Bundesinitiative wird auf eine breite Palette an Angeboten hingewiesen. Starke und langjährige Raucherinnen und Raucher können zum Beispiel von der qualifizierten Telefonberatung der BZgA profitieren. Diese Hotline zum Rauchstopp steht kostenfrei unter der Rufnummer 0800 8313131 allen Aufhörwilligen zur Verfügung.
Wie sieht eine solche Telefonberatung aus?
Therapeutisch geschulte Beraterinnen und Berater gehen auf die individuellen Bedarfe ein und unterstützen anonym und persönlich beim Rauchstopp. Dabei wird zum Beispiel der Grad der Tabakabhängigkeit thematisiert, es kann ein konkreter Stopp-Tag vereinbart werden, weitere mögliche Unterstützungsangebote werden besprochen. Bis zu fünf Rückrufe können während der Ausstiegsphase vereinbart werden, was für manche Aufhörwillige die Motivation zum Durchhalten noch weiter fördert.
Wie viele Raucher schaffen es auf diesem Weg, wieder Nichtraucher zu werden? Und zu welchen Zeiten ist die Beratung verfügbar?
Insgesamt geben zwölf Monate nach der telefonischen Beratung 31,6 Prozent an, dass sie rauchfrei sind. Erreichbar ist die BZgA-Telefonberatung zum Rauchstopp von Montag bis Donnerstag in der Zeit zwischen 10 und 22 Uhr sowie von Freitag bis Sonntag zwischen 10 und 18 Uhr.
Welche Rolle spielt auch das direkte Umfeld für einen erfolgreichen Rauchstopp?
Für viele Aufhörwillige ist auch hier eine persönliche Unterstützung wichtig. Eine Empfehlung ist daher, die Familie, den Freundes- und Kollegenkreis über den geplanten Rauchstopp zu informieren und gegebenenfalls . um Unterstützung zu bitten.
Manchen Aufhörwilligen hilft es auch, einen „Buddy-Vertrag“ mit einem guten Freund oder einer guten Freundin zu schließen, in dem man sich verpflichtet, nicht zu rauchen. Diese Art der Verbindlichkeit kann nützlich sein und die Motivation fördern. Es entspricht dem so genannten Buddy-Prinzip, bei dem man sich helfen und begleiten lässt von seinem „Buddy“, also einem guten Freund oder einer guten Freundin.
Auch das BZgA-Ausstiegsprogramm nutzt dieses Prinzip mit einem Forum, in dem sich Aufhörwillige und ehemals Rauchende austauschen können. Besonders geschulte Ex-Raucherinnen und Ex-Raucher stehen außerdem als Online-Lotsen bereit, um zu helfen, zu motivieren und Erfahrungen zu teilen.
Ist es sinnvoll, das Online-Ausstiegsprogramm und die Telefonberatung mit weiteren Hilfen, etwa einer Raucherbehandlung durch den Hausarzt, zu kombinieren?
Grundsätzlich kann es sinnvoll sein, weitere Unterstützung in Anspruch zu nehmen. Das entscheiden Aufhörwillige aber für sich persönlich. Gerade zu Hausärztinnen und Hausärzten besteht oft ein gutes Vertrauensverhältnis, sodass die Unterstützung sehr hilfreich sein kann. Auch wenn Probleme mit starken Entzugssymptomen nach dem Rauchstopp eintreten und es daher vermehrt zu Rückfällen kommt, ist das Gespräch mit dem behandelnden Arzt oder der behandelnden Ärztin sinnvoll, um zu klären, ob auch medikamentöse Unterstützung möglich ist.
Wie verbreitet ist eine solche Raucherentwöhnung mit ärztlicher Begleitung – und welche Schritte sehen die medizinischen Leitlinien vor?
Die aktuelle S3-Leitlinie „Rauchen und Tabakabhängigkeit“ empfiehlt für alle, die das Rauchen aufgeben möchten, zunächst niederschwellige Angebote. Dazu gehören Kurzberatungen durch medizinische oder psychosoziale Fachkräfte, Telefonberatungen und Online-Angebote.
Sollte weitere Unterstützung benötigt werden, wird eine verhaltenstherapeutische Einzel- oder Gruppenbehandlung empfohlen. Bei einer starken Entzugssymptomatik, beispielsweise in Form von depressiver Stimmung, Reizbarkeit oder gesteigertem Appetit, empfiehlt die Leitlinie Nikotinersatzpräparate. Zudem besteht die Möglichkeit einer medikamentösen Behandlung mit Antidepressiva. Die BZgA unterstützt Hausarztpraxen mit einem Leitfaden zur Kurzintervention bei Raucherinnen und Rauchern. Eine kurze ärztliche Beratung nehmen circa fünf Prozent der Aufhörwilligen in Anspruch. Etwa drei Prozent nutzen ärztlich verschriebene Nikotinersatzpräparate beim Rauchstopp.
Haben Sie zum Schluss einen persönlichen Motivationstipp für alle, die zwar noch rauchen – bei jeder Zigarette aber mit sich hadern, dass sie es eigentlich doch lieber lassen würden? Mein persönlicher Motivationstipp ist: Einfach den Rauchstopp versuchen – und das immer wieder, bis er gelingt. Es ist leider für viele so, dass mehrere Anläufe nötig sind. Das ist also eher normal als die Ausnahme. Wichtig ist, sich nicht entmutigen zu lassen und nicht an sich zu zweifeln. Einfach einen neuen Versuch starten – denn aus Rückfällen kann man auch viel lernen – und es beim nächsten Versuch besser machen. Der Rauchstopp lohnt sich – und das in jedem Alter.
[Erfahren Sie, weshalb die Corona-Pandemie eine gute Gelegenheit ist, mit dem Rauchen aufzuhören in unserem Artikel „Rauchen und Covid-19, das ist wie Öl ins Feuer gießen“]
Über „Rauchfrei leben“ (www.nutzedeinechance.de)
Nach Angaben der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung raucht knapp ein Drittel der Erwachsenen in Deutschland – und gleichzeitig möchte ein Großteil von ihnen es eigentlich lieber lassen. Die Kampagne des Bundesgesundheitsministeriums „Rauchfrei leben“ (www.nutzedeinechance.de), gefördert von der Bundesdrogenbeauftragten Daniela Ludwig und dem Bundesministerium für Gesundheit, will Rauchern den Ausstieg erleichtern. Unterstützt wird die Initiative unter anderem von der BZgA, der Bundesärztekammer, den Krankenkassen und der Deutschen Krebshilfe.
Interview: lin/kig