Nur ein beweglicher Körper ist in der Lage, in gefährlichen Situationen schnell zu reagieren. Wer also wenig beweglich ist, ist sturzgefährdeter, denn weniger Bewegung bedeutet auch weniger Muskelkraft. Genau das ist bei älteren Menschen die Hauptursache für Stürze.
Phasenmodell – von der Unsicherheit bis zur vollständigen Abhängigkeit
Angelika Zegelin, emeritierte Professorin an der Universität Witten/Herdecke, beschreibt in einem Phasenmodell u. a., wie es zu Bettlägerigkeit und Immobilität kommen kann.
Phase 1: Instabilität, gekennzeichnet durch Unsicherheit, zunehmende Beschränkung auf die Wohnung/das Zimmer. Angst und Vorsicht, Eingreifen von Pflegenden.
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Phase 2: Ereignis (= Sturz). Auslösender Moment, der zu einer Verschlechterung der Beweglichkeit führt. Ein Ereignis im Sinne von Zegelin kann aber auch eine freiheitseinschränkende Maßnahme sein.
Phase 3: Immobilität im Raum. Die Bewegungseinschränkung erhöht sich. Die Betroffenen verweilen lange an einem Ort. Der Transfer Bett/Rollstuhl wird mühsamer, ist nur noch mit Unterstützung möglich.
Phase 4: Ortsfixierung. Der Betroffene kann ohne Hilfe nicht mehr den Ort wechseln. Die Abhängigkeit von Pflegenden steigt. Das aber bedeutet weiteren Mobilitätsverlust.
Phase 5: Immobilität. Das Bett wird nicht mehr oder nur noch stundenweise verlassen. Verlust von Handlungsmöglichkeiten. Völlige Abhängigkeit von Hilfe und oft Verlust von Privatsphäre.
Die abnehmende Beweglichkeit führt also nicht nur zu größerer Abhängigkeit, sondern sogar bis zur kompletten Abhängigkeit. Damit sinkt die Möglichkeit auf freie Entfaltung der Persönlichkeit stetig. Wer bettlägerig ist, ist abhängig. Im Kopf dreht sich das Gedankenkarussell:
- Wer kommt zu mir?
- Wie geht diese Pflegende auf meine Bedürfnisse ein?
- Wie lange wird diese Person bleiben?
- Kann ich in Ruhe ohne Beobachtung ausscheiden oder wird mein Gesäß beim Inkontinenzwechsel zur Schau gestellt?
Bettlägerig: Der vermeintlich „einfache“ Klient
Ein bettlägeriger Klient wird als vermeintlich einfacher zu handhaben angesehen. Er wartet ja schließlich, bis jemand kommt. Er stellt meist weniger Ansprüche und ist vollkommen abhängig. Für viele Pflegekräfte ist das eine „gute“ Pflegesituation.
Mobilisation: Anforderung und Pflicht in der Pflege
Doch es widerspricht der Forderung, die der Expertenstandard „Erhaltung und Förderung der Mobilität in der Pflege“ aufstellt.
Danach sind „Mobilitätserhaltung und –verbesserung zentrale Ziele einer professionellen Pflege. Pflegerische Maßnahmen zur Erhaltung der Mobilität tragen nicht nur dazu bei, elementare Grundlagen der selbständigen Lebensführung zu erhalten. Sie leisten auch einen wichtigen Beitrag zur Verhinderung der Entstehung neuer Funktionseinbußen und gesundheitlicher Störungen, die ihrerseits auf die Mobilität rückwirken und somit einen Prozess befördern, der in eine weitgehende Abhängigkeit von pflegerischer Hilfe führt.“ (S. 21 der Entwurfsfassung von 2014)
Eine Mobilisation fördert die Bewegungsfähigkeit von Klienten/Bewohnern. Sie umfasst
- zum einen gezielte Bewegungsübungen, damit der Betroffene wieder in die Lage versetzt wird, selbstständig aufzustehen und sich zu bewegen;
- zum anderen dient die Mobilisation dem Ziel, zusätzliche Probleme (Dekubitus, Thrombose, Kontrakturen etc.) zu verhindern.
Als professionell Pflegende fördern Sie die Mobilisation Ihrer Klienten/Bewohner also nach Kräften, indem Sie
- die Mobilität bzw. die Ursachen der Einschränkungen kennen und einschätzen können;
- Probleme, Wünsche und Ressourcen des Betroffenen kennen und einschätzen können;
- Maßnahmen zur Erhaltung und Förderung der Mobilität planen und koordinieren können;
- den Betroffenen/seine Angehörigen informieren, anleiten und beraten können;
- die Wirksamkeit und Angemessenheit der Maßnahmen überprüfen können.
- die Mobilität bzw. die Ursachen der Einschränkungen kennen und einschätzen können;
- Probleme, Wünsche und Ressourcen des Betroffenen kennen und einschätzen können;
- Maßnahmen zur Erhaltung und Förderung der Mobilität planen und koordinieren können;
- den Betroffenen/seine Angehörigen informieren, anleiten und beraten können;
- die Wirksamkeit und Angemessenheit der Maßnahmen überprüfen können.