pflegen-online: Herr Professor Schürgers, wie wirkt sich Mobbing psychisch auf die Betroffenen aus?
Georg Schürgers: Die Auswirkungen auf die betroffene Person können erheblich sein. Gerade Menschen, die besonders sensibel sind und Schwierigkeiten haben, sich aktiv zu verteidigen, geraten nicht selten in einen Zustand tiefster Verunsicherung ihres Selbst- und Leistungskonzepts. Im Sinne ihrer hohen Selbstkritik suchen sie die Schuld häufig bei sich selbst. Diese Wendung gegen die eigene Person fördert eine depressive Entwicklung, die zu längerer Arbeitsunfähigkeit führen kann.
Was bedeutet das auf körperlicher Ebene?
Aus psychosomatischer Sicht handelt es sich bei Mobbing um eine hohe chronische Stressbelastung, die auch körperliche Folgen haben kann. Hierzu zählen typischerweise Schlafstörungen, Konzentrationsschwierigkeiten und vielfältige vegetative Symptome, gegebenenfalls mit Bluthochdruck, Tinnitus und Schmerzzuständen. Aufgrund der Labilisierung des Gesamtbefindens kann es in der Folge zu vermehrten Fehlern kommen, die den destruktiven Kreislauf weiter fördern.
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Was können Betroffene tun, um sich selbst zu stabilisieren?
Sehr wichtig ist es, nicht zu lange in der Position des vermeintlich Schwachen und Hilflosen zu verbleiben, da dies die Entwicklung der beschriebenen depressiven Spirale weiter fördert. Unabhängig von Unterstützungsmöglichkeiten im betrieblichen Rahmen sollte die betroffene Person auf jeden Fall versuchen, ihre Probleme und Belastungen im privaten Bereich offen zu kommunizieren.
Abseits aller therapeutischen Möglichkeiten stabilisieren wir Menschen uns wesentlich durch das Gespräch mit vertrauten Bezugspersonen. Je nach Lebenssituation kann es auch schon in einem frühen Stadium hilfreich sein, eine externe Beratung und Unterstützung zu suchen.
Um in der Mobbingsituation dann auch wieder handlungsfähig zu werden: Was raten Sie Betroffenen?
Zunächst ist es wichtig, die belastenden Situationen genauer zu betrachten und sich kritisch zu fragen, wo mögliche eigene Anteile eine Rolle spielen können. Dabei sollte es nicht um eine Schuldzuweisung gehen, sondern um eine sachliche Analyse der Situation, um der oft hohen Emotionalisierung entgegenzuwirken. Dies ist in der Regel ohne externe Gesprächspartner nur schwer möglich. Ziel sollte es sein, eine stabile innere Haltung aufzubauen, die es dann auch möglich macht, strategisch und klug zu handeln.
Die wichtigsten Tipps von Georg Schürgers auf einen Blick:
- Selbstschutz aufbauen!
Eine innere Schutzhaltung aufbauen und Selbstabwertungen vermeiden.
- Gespräche nutzen!
Die Ereignisse im privaten Rahmen offen thematisieren und sich nicht zurückziehen.
- Situation versachlichen!
Die aufgetretenen Situationen kritisch reflektieren und versachlichen, gegebenenfalls mit professioneller Unterstützung von außen.
- Verbündete suchen!
Systematische und wiederholte destruktive Kommunikation frühzeitig ansprechen und Hilfe bei Kollegen, Vorgesetzten oder anderen betrieblichen Instanzen suchen.
Was genau ist Mobbing?
Mobbing ist eine Form destruktiver, verletzender Kommunikation. Charakteristisch sind die systematische und meist länger gehende Abwertung und Bloßstellung sowohl in der unmittelbaren Begegnung mit dem Betroffenen als auch hinter seinem Rücken. Oft gerät die Person in eine isolierte Position mit Gefühlen der Hilflosigkeit. (Prof. Dr. Georg Schürgers, Psychiater)
Zur Person
Prof. Dr. Georg Schürgers, Arzt für Psychiatrie, Psychosomatik, Psychotherapie und Psychoanalyse, hat beruflich häufig mit dem Thema Mobbing zu tun – unter anderem als Gutachter bei langer Arbeitsunfähigkeit, die eine der schwer wiegenden Folgen von systematischer Schikane sein kann. Er leitet den Bereich Gesundheit, Prävention und Rehabilitation an der Hochschule für Angewandte Wissenschaften Hamburg (HAW Hamburg) und berät als Coach (www.georgschuergers.de) Unternehmen zu den Schwerpunkten Stressmanagement und Mental Management sowie zum Umgang mit psychischen Krisen.
Interview: lin