Kunst und Kultur spielen im Altenheim St. Margaretha im idyllischen Siebengebirgsort Königswinter-Stieldorf seit langem eine wichtige Rolle. „Viele unserer Bewohner haben früher gern Ausstellungen und Konzerte besucht. Da sie das nicht mehr können, bringen wir beides zu ihnen“, erklärte mir ein ehemaliger Leiter der Einrichtung. Als Flötistin habe ich in den letzten Jahren an vielen Vernissagen zur Eröffnung einer Kunstausstellung und an Konzerten teilgenommen. Der Shutdown im März setzte all diesen Aktivitäten, die den Alltag der Bewohner bereicherten, ein jähes Ende - genauso wie den zahlreichen Gruppenangeboten, den gemeinsamen Mahlzeiten und dem unbeschwerten Beisammensein.
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Eine Mezzosopranistin ist auch dabei
Ich war in dieser Zeit in Gedanken oft bei den Bewohnern von St. Margaretha: Isolation auf dem Zimmer, keine Besuche von Angehörigen, keine Veranstaltungen, die Auflockerung in den Alltag bringen – wie traurig. Zeitungsberichte über Musiker, die vor Altenheimen Konzerte geben, brachten mich auf die Idee für ein kleines Open-Air-Konzert auch für die Stieldorfer Senioren. Gemeinsam mit einer befreundeten Mezzosopranistin stellten wir ein Programm für Flöte und Gesang zusammen, das von Vivaldi und Bach bis zu verschiedenen Segensliedern reichte. Die Leitung des Hauses gab schnell ihre Zustimmung, und so trafen wir Anfang Mai bei herrlichstem Sonnenschein im Garten des Hauses ein, wo uns bereits viele Bewohner erwartungsvoll entgegenblickten – natürlich mit dem gebotenen Sicherheitsabstand.
Jetzt gibt es jede Woche ein Open-Air-Konzert im St. Margaretha
Die erste Veranstaltung nach vielen Wochen der Isolation war nicht nur für die Senioren, sondern auch für uns etwas ganz Besonderes. Sehr bewegt hat uns die Reaktion unseres Publikums, das seine Freude über unsere Musik auf vielfältige Weise ausdrückte. Wir hatten noch nie so begeisterte Zuhörer!
Schnell war allen Beteiligten klar, dass es nicht bei einem Konzert bleiben sollte. So ist daraus eine Reihe von wöchentlichen Open Air Veranstaltungen mit vielen Mitstreitern und einem abwechslungsreichen Programm geworden. Es gab schon Volkslieder, Frühlingslieder, „kölsche Tön“ und auch eine Lesung mit Max und Moritz-Streichen von Wilhelm Busch.
Ab 1. Juli dürfen Angehörige unangemeldet zu Besuch kommen
Inzwischen hat sich auch das Leben in St. Margaretha wieder etwas normalisiert. Seit Mai ermöglicht das „Fenster der Begegnung“ das persönliche Gespräch mit den Angehörigen, die von Mitarbeitern angebotenen Kurse für kleine Gruppen konnten wieder beginnen. Ab dem 1. Juli dürfen Angehörige ohne Termin nachmittags zu Besuch kommen und auch viele Ehrenamtliche nehmen ihre Angebote wieder auf.
Manche Bewohner haben während des Besuchsverbots stark abgebaut
Ein Segen für die Bewohner, denn an manchen ist die Zeit der Isolation nicht spurlos vorbeigegangen. „Die Wochen fast ohne Kontakte habe bei meiner Schwiegermutter einen deutlichen Schub in der Demenz ausgelöst“, berichtete mir eine Bekannte. Für die Heimleitung ist diese Entwicklung jedoch eine schwierige Gradwanderung: Sie freuen sich, dass sie ihren Bewohner nun wieder mehr Sozialkontakte, Unterhaltung und damit mehr Lebensqualität ermöglichen könne, wissen aber gleichzeitig, dass Isolation der Risikogruppe der beste Schutz vor der Ansteckung ist.
Bewohner vor Covid, aber auch vor Tristesse schützen!
Der Balanceakt zwischen dem Kontaktbedürfnis des Einzelnen und dem Schutzauftrag für alle Bewohner stellt jede Heimleitung vor eine enorme Verantwortung. Die Reihe der Open-Air-Konzerte wollen wir auf jeden Fall bis zum Ende der warmen Jahreszeit fortsetzen und damit dazu beitragen, dass die Bewohner nicht nur vor Covid-19, sondern auch vor Tristesse und Langeweile bewahrt bleiben.
Autorin: Dagmar Ziegner
Dagmar Ziegner hat für pflegen-online vor kurzem auch über Mutter-Kind-Kuren geschrieben.