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Glücklicher Grossvater mit seinem Enkel

Demenz

Mit Marte Meo verstehen Sie Demenzkranke noch besser

Folgen Sie dem Blick - so lautet das Geheimnis von Marte Meo. Doch wie soll das funktionieren? Wir geben Ihnen einige praktische Beispiele

Montagmorgen in der Tagespflege: Herr Beyer ist gerade angekommen und schaut sich suchend um. Er leidet an einer mittelgradigen Demenz. Immer montags fällt es ihm schwer, sich zu orientieren. Wo ist er hier eigentlich? Was soll er hier? Heute haben die Mitarbeiterinnen ein besonderes Programm geplant: Sie wollen mit den Gästen einkaufen gehen. Frau Hoffmann, eine der Alltagsbegleiterinnen, geht auf Herrn Beyer zu: „Herr Beyer, wir wollen heute einkaufen gehen, ist das nicht toll?“ Herr Beyer schaut sie fragend an. Daraufhin fragt sie ihn noch einmal: „Wollen Sie nachher mitkommen? Sie können uns beim Tragen helfen!“ Jetzt dreht Herr Beyer sich unwirsch um und setzt sich auf einen Sessel in der Ecke.

Herr Beyer fühlt sich überrumpelt

Solche oder ähnliche Situationen passieren im Betreuungsalltag häufig. Die Mitarbeiterinnen in der Betreuung finden dann meistens eine gute Lösung und wissen intuitiv, wie sie beim zweiten Versuch Herrn Beyer ansprechen und motivieren können. Trotzdem ist es hilfreich, das ablehnende Verhalten von Herrn Beyer genauer zu betrachten. Was genau braucht Herr Beyer in dieser Situation? Was gibt ihm Sicherheit und Orientierung? Wann braucht er welche Unterstützung?

Herr Beyer braucht sanften Start in der Tagespflege

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Schauen wir uns nun die Situation noch einmal an. Herr Beyer kam am Montagmorgen in die Tagespflege und musste sich nach dem Wochenende wieder orientieren. Die Mitarbeiterin war offensichtlich mit den Gedanken schon einige Schritte weiter als er. Herr Beyer kann sich nicht mehr so schnell, wie früher, auf neue Situationen einstellen. Wenn er mit etwas beschäftigt ist, geht nichts anderes. Gerade angekommen in der Tagespflege braucht er Zeit, um sich wieder zurechtzufinden. Durch die Vorschläge von Frau Hoffmann fühlt er sich nur gestört. Ihm fehlen die Worte, um zu sagen, dass er noch Zeit braucht. Er ist aber noch fähig, sich suchend umzuschauen. Damit sendet er ein wichtiges Signal aus.

Frau Hoffmann folgt dem Blick von Herrn Beyer

Der Alltagsbegleiterin Frau Hoffmann wird auf diese Weise deutlich, dass sie Herr Beyer dort abholen muss, wo er sich gerade befindet. Deshalb macht sie nun eine kurze Pause, schaut ihn an und geht erneut auf ihn zu. Beim zweiten Versuch kommt nun Marte Meo ins Spiel: Frau Hoffmann sieht, dass Herr Beyer im Moment noch nicht aufnahmebereit ist. Sein suchender Blick verrät ihr, dass er sich orientieren muss. Er erlebt sich offensichtlich in einer Situation, die ihm irgendwo vertraut und gleichzeitig fremd ist. Frau Hoffmann geht auf ihn zu, lächelt ihn an und berührt ihn an der Schulter. Dabei hat sie ihn gut im Blick und sieht, dass er die Berührung zwar akzeptiert, sich aber immer noch suchend umschaut. Sie folgt seinem Blick. Auf diese Weise erfährt sie, was ihn beschäftigt. Jetzt gehen ihrer beiden Blicke zu dem gedeckten Tisch, auf dem schon das Frühstück wartet.

Herr Beyer lächelt Frau Hoffmann an

Da Herr Beyer das, was ihn beschäftigt, nicht mehr in Worte fassen kann, übernimmt dies nun Frau Hoffmann für ihn. „Ja, da wartet schon das Frühstück auf uns – wie jeden Morgen! Es gibt sogar leckere Brötchen, die mögen Sie doch so gerne!“ Bei diesen Worten entspannt sich Herr Beyers Gesicht, er lächelt Frau Hoffmann an. Jetzt kann sie ihn zum Tisch begleiten. Er setzt sich sofort hin und ist offensichtlich „angekommen“. Vom Einkaufen wird sie ihm später erzählen.

Er merkt, dass er bedeutsam ist

Was war jetzt anders? Frau Hoffmann zeigt ein gutes Gesicht und nimmt kurz Körperkontakt auf. So weiß Herr Beyer, dass er Vertrauen schöpfen kann. Als nächstes hat sie an Herrn Beyer angeschlossen. Sie ist nämlich seiner Aufmerksamkeit gefolgt. Und dafür hat sie etwas ganz Einfaches gemacht: Sie ist seinem Blick gefolgt und hat das benannt, was er gerade wahrnimmt. Der Blick eines Menschen verrät uns ganz viel darüber, woran er oder sie interessiert ist. Erlebt ein Mensch mit Demenz, dass seinem Blick gefolgt wird, dann erfährt er etwas Wichtiges über sich: dass er immer noch bedeutsam ist.

Das Fallbeispiel oben stammt aus einer Marte Meo Videoaufnahme. Die Mitarbeiterin hat in einem sogenannten Review in ihrer Trainingsgruppe eine Rückmeldung zu den hilfreichen Marte Meo Kontaktelementen, die besonders unterstützend für Herrn Beyer sind, erhalten.

Diese Marte Meo Elemente sind:

  • Gutes Gesicht - Immer wenn es darum geht, Vertrauen aufzubauen. Menschen mit Demenz erhalten die Botschaft: Ich bin liebenswert!
  • Gut Anschließen – immer wenn die Person mit Unterstützungsbedarf mit ihrer Aufmerksamkeit noch ganz woanders ist. Die Begleitenden greifen dann das Interesse kurz auf und benennen dies. Das hilft der Person, sich umzustellen und sie fühlt sich besser wahrgenommen.
  • Benennen – immer wenn etwas Neues geschieht oder etwas Besonderes passiert. Die Begleitenden geben so mit Worten Struktur und Orientierung und werden selber vorhersehbar.
  • Initiativen folgen – immer wenn die Betroffenen mit Demenz mit Worten oder in Mimik / Gestik eine passende Initiative zeigen. Wenn die Betreuenden folgen, vermitteln sie ihrem Gegenüber, dass er etwas beitragen kann.

Marte Meo: die Mikroelemente der Interaktion

Die Begründerin der Marte-Meo-Methode Maria Aarts aus den Niederlanden hat diese Elemente in den späten 70er und den frühen 80er Jahren herausgearbeitet. Sie bilden die Mikroelemente der menschlichen Interaktion ab. Sie beschreiben sehr präzise mit einer ganz einfachen, universellen Sprache, was genau die Person mit Unterstützungsbedarf braucht, um kooperieren zu können. Es gibt eine große Anzahl dieser Kontaktelemente, die wichtigsten gehen aus unserem Fallbeispiel hervor.

Höhere Mitarbeiterzufriedenheit

Inzwischen gibt es europaweit etliche wissenschaftliche Studien, die den Erfolg von Marte Meo in der ambulanten und stationären Pflege belegen: Die Arbeitszufriedenheit und -freude der Mitarbeiter steigt. Aus psychohygienischer Sicht tut ihnen die Methode gut, weil sie dadurch ihre eigenen Stärken spüren. Auch fühlen sich Bewohner beziehungsweise Klienten besser wahrgenommen, was zu einer Reduzierung von schwierigen Verhaltensweisen führt. Generell lässt sich feststellen: Marte Meo wirkt sich positiv auf die Kooperationsfähigkeit aller Beteiligten aus und trägt zu einer freundlicheren Atmosphäre im Hause bei.

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