„Nicht einmal während der Ölkrise und der Finanzmarktkrise sind die Preise für Kraftstoffe so stark gestiegen wie in den vergangenen Wochen. Das belastet Pflegeeinrichtungen enorm“, erklärte schon Anfang Mai Bernd Meurer, Präsident des Bundesverbandes privater Anbieter sozialer Dienste e. V. (bpa), und forderte Nachverhandlungen mit den Kassen, um die steigenden Energiekosten sofort geltend zu machen.
Was die Preisexplosion für mittelgroße Pflegedienste bedeutet
Ähnlich äußert sich die Caritas-Präsidentin Eva Maria Welskop-Deffaa gegenüber pflegen-online. Sie befürchtet, dass ambulante Pflegeleistungen eingeschränkt werden müssen, wenn die Dienste die Kosten nicht weitergeben können. „Das heißt beispielsweise konkret: Die Sozialstation Glashütte in Sachsen mit ihren 19 Fahrzeugen muss aktuell um die 4.000 Euro pro Monat mehr fürs Tanken ausgeben als noch im letzten Jahr, das sind beinahe 50.000 Euro im Jahr“, rechnet die Präsidentin vor.
Besonders ambulante Pflegedienste sind von der Explosion der Energiekosten hart betroffen. Dorothea Ullmann, Inhaberin des Pflegedienst Ammersbek nördlich von Hamburg, deren Mitarbeiterinnen mit 16 Fahrzeugen mobil unterwegs sind, spricht von einer „bitteren Pille“. „Wir müssen die erhöhten Energiekosten mit Einsparmaßnahmen an anderer Stelle versuchen aufzufangen“, sagt sie. „Denn erst im August werden die neuen Vergütungsvereinbarungen mit den Kostenträgern ausgehandelt. Dann können wir die steigenden Kosten in Rechnung stellen.“ Rückwirkend werde wohl nichts erstattet werden. „Die bis dahin aufgelaufenen Energiekosten werden bei uns hängenbleiben.“
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In Pflegeheimen gibt es ein ordentliches Einsparpotenzial
Was jetzt gefragt ist, sind sich schnell rechnende Energie-Einsparmaßnahmen. Wir fragten bei Magdalena Berberich, der stellvertretenden Institutsleiterin beim Steinbeis Forschungsinstitut für solare und zukunftsfähige thermische Energiesysteme nach, welche energiesparenden Maßnahmen am schnellsten wirken.
Für die Pflegeheime sieht sie durchaus ein gewisses Einsparpotenzial: „Leider gibt es nicht den einen Schalter, mit dem die Energiekosten kurzfristig gesenkt werden können. Aber mit vielen kleinen Maßnahmen lässt sich bis zu 15 Prozent Energie einsparen wie unsere Erfahrungen zeigen.“
Zu diesen vielen kleinen Schritten zählen:
- Heizungsanlage: „Einstellungen überprüfen, ob die Anlage gemäß der Außentemperatur geregelt wird und der Heizbetrieb im Sommer ausgeschaltet werden kann. Bei den Wartungsintervallen mit den Technikern besprechen welche energiesparenden Einstellungen es noch gibt.“
- Waschmaschinen/ Trockner / Spülmaschinen: „Immer mit voller Beladung und im passenden Programm betreiben. Anstelle von Trocknern, wenn möglich, die Wäsche klassisch zum Trocknen aufhängen.“
- Kühlschränke/Kühlräume: „Lagertemperaturen und Notwendigkeit der Kühlkapazitäten überprüfen. Zum Kühlen reichen 6 Grad aus, zum Gefrieren -18 Grad. Und: Sind die Türen dicht und die Beleuchtung nur nach Bedarf eingeschaltet?“
- Wasser: „Oft läuft das Wasser zu stark und zu lange, etwa bei der Körperpflege oder der Toilettenspülung. Und wer das Regenwasser auffängt, kann damit den Garten bewässern.“
- Lüftungs- oder Klimaanlage: „Die Einstellungen der Anlage auf die Wetterlage oder den Bedarf sollte überprüft werden“
- Lüften: „Ein oft unterschätztes Thema. Stoßlüften ist im Sommer und im Winter wichtig. Im Winter sollten die Heizkörper dabei zugedreht werden. Wer im Sommer richtig lüftet sperrt die warme Außenluft aus, erhöht den Komfort und kann, falls vorhanden, die Klimaanlage herunterfahren.“
- Verschattung: „Auch mit Rollos und Markisen kann der Komfort im Innenraum energiesparend gesteuert werden.“
- Aufzüge: „Schalten sich die Aufzüge automatisch ab, wenn sie längere Zeit nicht genutzt werden? Gleiches gilt für die Kabinenbeleuchtung: Schaltet sie sich bei Nichtbenutzung aus?“
- Licht: „Mit LED-Lampen, Bewegungsmeldern und Dämmerungsschaltern können Einspar-Potenziale realisiert werden“
- Elektrische Bürogeräte: „Computer, Drucker, Licht ausschalten, wenn sie nicht benutzt werden. Spart bis zu 40 Prozent Strom.“
Was Magdalena Berberich besonders wichtig ist: „Um Energie einzusparen muss Energie erst einmal zum Thema gemacht werden. Viele der genannten zehn Maßnahmen sind nur durch das Mitwirken und das energiebewusste Verhalten der Mitarbeitenden möglich. Wer Energieverbräuche regelmäßig erhebt und auswertet, kann außerdem Unregelmäßigkeiten feststellen und zielgerichtete Maßnahmen ergreifen.“ Dass in Pflegeheimen ein ungewöhnlich hohes Einsparpotenzial schlummert, zeigt dieser Vergleich: „Jeder Pflegeplatz im Heim verbraucht vier- bis sechsmal so viel Energie wie eine Person in einem Privathaushalt.“
Warum interessieren sich Heime erst jetzt für Energiekosten?
Wenn der Verbrauch so hoch ist: Warum hat sich im Management der ambulanten und stationären Pflege bisher niemand für das Thema Energie interessiert? Magdalena Berberich: „Aufgrund der Abrechnungsmodalitäten mit den Sozialkassen, führen Energieeinsparungen meist nicht dazu, dass die Einrichtungen mehr Geld zur Verfügung haben.“ Ihre Forderung: Energiesparen müsste belohnt werden und eingesparte Kosten sollten direkt den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern zugute kommen.
Düstere Aussichten für Pflegedienste
Weniger gute Nachrichten hat Magdalena Berberich für ambulante Dienste: „Hier lässt sich kurzfristig nur wenig einsparen, da der Großteil der Energiekosten für die Mobilität mit dem Auto anfällt. Im städtischen Bereich, wo überwiegend kurze Strecken zu den Patienten zurückgelegt werden müssen, kann vielleicht auf E-Bikes oder Fahrräder umgestiegen werden. Längerfristig natürlich auch auf E-Autos. Allerdings steigen die Stromkosten hier ja auch.“
Info-Portal für Nachhaltigkeit in der Altenpflege
Wer mehr zum Thema Energiesparen erfahren will: Solites hat mit dem Partner Wir Sind Altenpflege e.V. vor Kurzem das Online-Portal www.kombina.de eingerichtet, auf der sich Pflegende unter anderem über Nachhaltigkeit und Energieeffizienz in der Altenpflege informieren und austauschen können.
Text: Hans-Georg Sausse
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