Das Vier-Augen-Prinzip ist sicherlich das Sicherste bei der Medikamentengabe; es wird in einigen Ländern – etwa Großbritannien – auch tatsächlich praktiziert. In Deutschland hat es keine Tradition. Zeitmangel, so lautet meistens die Begründung. Wie sich die Medikamentensicherheit trotz allem verbessern lässt – das haben wir einen Krankenhausapotheker und Experten vom Aktionsbündnis für Patientensicherheit gefragt und Dutzende Tipps erhalten. Hier eine kleine Auswahl:
- Machen Sie sich beim Richten der Medikamente jedes Mal bewusst, dass jetzt Konzentration gefordert ist und Sie genau lesen müssen, was auf dem Etikett oder im Beipackzettel steht. Verlassen Sie sich nicht auf die Farbe des Etiketts oder die Größe der Flasche. „Das klingt zwar trivial, ist aber sehr wichtig“, sagt Dr. Michael Baehr, Leiter der Apotheke im Hamburger Universitätsklinikum Eppendorf (UKE).
- Halten Sie kurz inne, bevor Sie ein Medikament verabreichen. „Stop-Injekt Check“ wird diese simple Methode genannt, für die der Asklepios-Konzern 2021 mit einem Preis des Aktionsbündnisses Patientensicherheit prämiert wurde. „Die Kontrolle ist so wichtig, weil das, was gerichtet ist, nicht immer von dem gegeben wird, der es verabreicht“, erklärt Reiner Heuzeroth, Pflegefachperson und Klinischer Risikomanager im Asklepios-Konzern. „Unmittelbar, wenn ich am Patienten stehe, muss ich mich fragen: Ist das Frau Müller, die genau dieses Medikament bekommen soll – die Spritze muss dafür natürlich eindeutig beschriftet sein.“ Heuzeroth, der auch Beisitzer im Aktionsbündnis Patientensicherheit (APS) ist, glaubt, dass viele Pflegende, denen ein Fehler passiert, schon beim Verabreichen des Medikaments ein unsicheres Gefühl hatten. „In dem Moment selbst aber waren sie getrieben und sagten sich: ‚Wird schon stimmen.“
- Sorgen sie für ein ruhiges Umfeld. Im Vinzentius-Krankenhaus Landau ist die Pflegefachkraft abgeschirmt, etwa durch eine Milchglasfolie und zusätzlich durch den Hinweis: „Medikamente richten ist eine wichtige Aufgabe und erfordert unsere höchste Konzentration.“
- Gleichen Sie die Medikation immer mit der Original-Anordnung ab. Verzichten Sie im Medikationsprozess darauf, Anordnungen zu übertragen – gerade im Papier-Workflow passieren dabei zu viele Transkriptionsfehler. Auch kann es passieren, dass längst abgesetzte Medikamente weiterhin gegeben und neu angesetzte doch nicht verabreicht werden, weil das Übertragen beziehungsweise Ausstreichen vergessen wurde.
- Kontrollieren Sie die Medikamente noch einmal, bevor Sie sie dem Patienten geben. Lassen Sie Tabletten, wenn möglich in der Blisterpackung bis Sie beim Patienten sind.
- Wenn Sie eine Anordnung nicht lesen können, die Angabe zur Dosierung fehlt oder nicht entzifferbar ist: Fragen Sie nach!
- Sprechen Sie die Patienten bei der Medikamentengabe mit Vor- und Nachnamen an, kontrollieren Sie alternativ (oder zusätzlich), ob der Name auf dem Identifikationsarmband mit dem auf der Medikamentenschale übereinstimmt.
- Wiederholen Sie bei mündlichen Anordnungen (wie sie in der Praxis immer wieder vorkommen), den Namen des Patienten, das Medikament und die Dosierung. Das Vorgehen stammt aus der Luftfahrt und wird Call-back genannt.
Fehleranfällige Ablaufe unbedingt ansprechen!
Werden Sie beim Richten und Verteilen der Medikamente ständig abgelenkt? Ist die Anordnung unleserlich? Wird zum Richten nicht die originale Anordnung genommen, sondern die auf einen weiteren Bogen oder ein weiteres Formular übertragene Anordnung? Wenn gewisse Arbeitsschritte im Medikationsprozess fehleranfällig scheinen, ist es wichtig, dies anzusprechen. Das gilt auch für den Fall, dass die ärztliche Anordnung – egal ob in Krankenhaus, Pflegeheim oder im häuslichen Umfeld – nicht korrekt scheint
Autorin: Kirsten Gaede
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