Eigentlich muss er fürs Examen pauken. Doch der angehende Krankenpfleger kann sich kaum auf seine Unterlagen konzentrieren. Ständig muss er an die junge Auszubildende aus dem ersten Lehrjahr denken, die ihm mit ihrem Lächeln den Kopf verdreht hat. Soll er fragen, ob sie mit ihm einen Kaffee trinken geht?
Das ist 40 Jahre her, der frühere Pflegeschüler arbeitet mittlerweile als Stationsleitung der Allgemein-, Unfall- und Gefäßchirurgie im Krankenhaus der Barmherzigen Brüder Trier (BBT-Gruppe). Sein Schwarm von damals ist heute seine Ehefrau und auf derselben Station wie ihr Mann beschäftigt.
Paare sind auch in katholischen Krankenhäusern keine Seltenheit
Mit ihrer Beziehung gingen die beiden Pflegefachpersonen von Anfang an offen um, auch gegenüber ihrem Arbeitgeber. Der hatte damit nie ein Problem. „Wenn es zwischen Mitarbeitern funkt, ist das deren Privatsache“, sagt Dr. Peter-Felix Ruelius, Leiter des Zentralbereichs "christliche Unternehmenskultur und Ethik" der BBT-Gruppe. Einzige Regel: Die Beziehung oder auch eine spätere Trennung darf sich nicht negativ auf den Beruf auswirken.
Bei dem Ehepaar handelt es sich nicht um einen Einzelfall, berichtet Jörg Mogendorf, Pflegedirektor am Krankenhaus der Barmherzigen Brüder Trier. Auf eine genaue Zahl möchte er sich zwar nicht festlegen – doch sind ihm unter seinen rund 1.000 Pflege-Mitarbeitern mehrere bekannt, die eine Beziehung mit Kollegen führen. „Und ich weiß bestimmt nicht über alle Bescheid“, sagt er.
Warum sich Pflegekräfte und Ärzte häufiger am Arbeitsplatz verlieben
Wenn man bedenkt, wie viel Zeit Berufstätige an ihrem Arbeitsplatz verbringen, erscheint es nur logisch, dass zwischen Kollegen enge Bindungen entstehen – Freundschaften ebenso wie Liebesbeziehungen. Hinzu kommt, dass Pflegefachpersonen in ihrem Beruf häufig mit emotionalen Extremsituationen konfrontiert sind. „Versorgt man zusammen einen Notfall oder begleitet einen Sterbeprozess, entsteht eine ganz besondere Verbundenheit“, sagt Karla Kämmer. Die Organisationsberaterin im Gesundheits- und Sozialwesen, Karla Kämmer, plädiert dafür, dass sich verliebte Mitarbeiter auf unterschiedliche Stationen versetzen lassen – zumindest, solange die Gefühle noch ganz frisch sind. „Wenn sich auf einmal zwei Teammitglieder schmachtende Blicke zuwerfen, entsteht schnell eine Situation, in der sich andere ausgeschlossen fühlen. Das kann sehr unangenehm für die Kollegen werden.“ Kritisch sieht Karla Kämmer zudem Abhängigkeitsverhältnisse, etwa, wenn eine Stations- oder Einrichtungsleitung ein Verhältnis mit einer Pflegefachperson eingeht. „Da besteht immer das Risiko, dass jemand willkürlich bevorzugt oder benachteiligt wird“, betont die gelernte Fachpflegerin für Intensivpflege.
Sollte einer der Verliebten die Abteilung wechseln?
Kommt es zu einem Abteilungswechsel, findet es die Organisationsberaterin wichtig, dass nicht prinzipiell die Person auf der niedrigeren Karrierestufe geht. „Das würde in den meisten Fällen leider immer noch die Frau treffen“, so Kämmer.
Manchmal lässt sich die berufliche Trennung von Liebenden aber gar nicht so einfach umsetzen – so auch im Brüderkrankenhaus in Trier, einer Stadt mit rund 110.000 Einwohnern, wo zahlreiche Mitarbeiter bereits jahrzehntelang beschäftigt sind. Auf der Allgemein-, Unfall- und Gefäßchirurgie, wo neben dem Stationsleiter und seiner Frau noch ein weiteres Ehepaar tätig ist, klappt die Zusammenarbeit aber den Aussagen aller Beteiligten zufolge prima.
Die Sache mit dem Dienstplan …
„Alle verhalten sich überaus professionell“, sagt Pflegedirektor Jörg Mogendorf. Dazu gehöre selbstverständlich auch ein fairer Dienstplan, in dem die Frau der Stationsleitung ebenso häufig an Feiertagen arbeiten muss wie die anderen Kollegen. Bei der Urlaubsplanung kann es hingegen schon mal vorkommen, dass zwei verheiratete Vollzeitkräfte in den Sommerferien zeitgleich drei Wochen frei haben wollen. „Manche Paare mit schulpflichtigen Kindern möchten hingegen ihren Sommerurlaub lieber zeitversetzt nehmen, um die Betreuungslücke zu schließen – dadurch ist es uns bisher meistens gut gelungen, die Wünsche aller Mitarbeiter zu erfüllen“, so Mogendorf.
Das Beziehungsgeflecht innerhalb der Belegschaft der Trierer Klinik beschränkt sich indes längst nicht auf Partnerschaften. „Manchmal habe ich den Eindruck, ich bin einer der wenigen, die keine Verwandtschaft im Haus haben“, scherzt Mogendorf. Seine Erfahrung: „Während Paare häufig kein Problem damit haben, auf derselben Station im Einsatz zu sein, wollen Kinder von Mitarbeitern in der Regel sehr ungern mit einem Elternteil zusammen arbeiten.“
Autorin: Kati Imbeck
Der Artikel erschien zuerst im Magazin der Pflegekammer Rheinland-Pfalz