Einerseits bemühen sich Kliniken und diverse Initiativen Aussteiger (die stille Rerserve), für Einsätze in der Corona-Krise zu gewinnen. Andererseits ist jetzt häufiger von Kurzarbeit in der Pflege zu hören. Wie passt das zusammen?
Elektive Operationen abgesagt oder verschoben
Zunächst: Bundeskanzlerin Angela Merkel und die Ministerpräsidenten haben die Krankenhäuser aufgefordert, planbare (elektive), nicht absolut drängende Eingriffe wie endoprothetische Operationen aufzuschieben, um damit Platz zu schaffen für den erwarteten Anstieg bei den Covid-19-Patienten. Die meisten Kliniken haben also ihren OP-Betrieb reduziert (manchmal sogar eingestellt) und teilweise ganze Stationen leergeräumt, auf denen ab sofort separat Corona-Patienten behandelt werden könnten.
Experten rechnen nach Ostern mit Corona-Höchststand
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Doch die Zahl der Corona-Infizierten schwankt stark innerhalb Deutschlands. Während manche Klinik in München wegen zahlreicher Covid-19-Patienten augenblicklich niemanden mehr aufnehmen kann, ist die Lage in anderen Teilen Deutschlands, etwa Thüringen oder Mecklenburg-Vorpommern, noch recht entspannt. Laut Experten steht Deutschland erst am Anfang der Krise. Die Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI) rechnet nach Ostern mit einem Höchststand bei Covid-19-Patienten.
Auslastung selbst bei Vivantes teilweise bei nur 50 Prozent
Zurzeit fällt also in manchen Krankenhäusern weniger Arbeit für Ärzte und Pflegekräfte an - so liegt etwa die Auslastung bei Vivantes in Berlin, Deutschlands größtem kommunalen Klinikkonzern liegt teilweise bei nur etwa 50 Prozent, wie eine Sprecherin sagt. Außerdem gehen den Kliniken wegen der abgesagten Operationen Umsätze verloren (für die die Regierung in einem gewissen Rahmen Kompensationen angekündigt hat). So erstaunt es nicht, dass Kurzarbeit augenblicklich auch in den Kliniken ein Them ist.
Segeberger Kliniken Gruppe: Rehakliniken leiden besonders
Zum Beispiel bei der Segeberger Kliniken Gruppe, dem größten privaten Klinikunternehmen in Schleswig-Holstein mit rund 2.000 Betten an den Standorten Segeberg und Norderstedt: Man sei zwar noch „in Diskussion“ mit dem Betriebsrat, sagt Pressesprecher Robert Quentin. Aber da die geplanten Reha-Behandlungen in der Psychosomatischen Klinik bereits komplett abgesagt werden mussten, dürfte vermutlich „eine dreistellige Personenzahl“ von Kurzarbeit betroffen sein, neben Psychotherapeuten, Psychologen und Servicepersonal auch Pflegekräfte. „Umschichten in andere Bereiche geht hier generell nicht“, sagt Quentin.
Auslastung in Rehakliniken in Bad Waldsee hat sich halbiert
„Auch Städtische Rehakliniken beantragen Kurzarbeit“: so titelte jüngst die Schwäbische in Bad Waldsee. Die Kliniken sind mit 450 Mitarbeitern der drittgrößte Waldseer Arbeitgeber. Es sei „ein vorsorglicher Schritt“ in der Corona-Krise. Die Auslastung der Kliniken sei bis Ende März massiv auf die Hälfte zurückgegangen. Klinikdirektor Peter Blank bedauert dem Blatt zufolge, dass es den öffentlichen Unternehmen wie den Städtischen Kliniken derzeit noch nicht möglich sei, der negativen Entwicklung mit Hilfe von Kurzarbeit gegenzusteuern. Es sei hier „dringend notwendig, dass sich die Tarif-Vertragsparteien auf eine Öffnung einigen“. Man habe sich „trotzdem entschieden, Kurzarbeit zu beantragen“, um sich „vorsorglich alle Alternativen offenzuhalten“.
Schön Klinik: Ausgleich der Regierung reicht nicht
Auch der private Träger Schön Klinik – mit 14 Kliniken und 12 medizinischen Versorgungszentren in ganz Deutschland vertreten – rüstet sich für Kurzarbeit. „Rund die Hälfte unserer Betten in den Kliniken stehen leer“, schreibt Sprecherin Astrid Reining. Auch hier spielt die Absage geplanter Behandlungen die Hauptrolle, die Umsätze seien „deutlich zurückgegangen“. Man habe sich für eine finanzielle Erstattung durch die Bundesregierung engagiert, aber der Pauschalbetrag von 560 Euro sei nicht kostendeckend.
Schön Klinik stockt Kurzarbeit-Lohn auf 100 Prozent auf
„Um die Umsatzeinbußen abzufangen, erwägen wir, Kurzarbeit zu beantragen. 13 von 14 Standorte haben eine Vereinbarung unterzeichnet“, so die Sprecherin. Insbesondere patientenferne Bereiche seien betroffen. „Wo keine Patienten für geplante Operationen aufgenommen werden, braucht es beispielsweise auch keine Verwaltungskräfte, um deren Aufnahme vorzubereiten.“ Kurzarbeit werde aber „nur für Personal in Erwägung gezogen, das nicht für die Versorgung von Covid-19-Patienten nötig“ sei. Allerdings – und damit sei man in der Schön Klinik nach eigenen Angaben „die absolute Ausnahme“ – gebe es für die Mitarbeiter durch Kurzarbeit „keinerlei finanzielle Nachteile“, da man den Nettolohn freiwillig auf 100 Prozent aufstocke.
Kurzarbeit auch in Rehakliniken von Paracelsus
Auch die Paracelsus Kliniken bereiten sich auf Kurzarbeit vor. In einer ausführlichen Pressemitteilung bezieht sich das Unternehmen mit Sitz in Osnabrück sogar explizit auf die „Empfehlungen“ der Bundesanstalt für Arbeit, wonach „eine schwierige wirtschaftliche Entwicklung oder auch ein unvorhersehbares Ereignis Kurzarbeit – selbst im Krankenhaus oder einer Rehabilitationsklinik – unter erleichterten Bedingungen erforderlich machen“ könne. Eine solche Situation sei durch die Corona-Krise gegeben.
Paracelsus-Vorstand Siebert: undurchsichtige Lage ...
Vor diesem Hintergrund werde Paracelsus „vorsorglich“ Kurzarbeit für die Kliniken und Bereiche beantragen, die von der derzeitigen Ausnahmesituation besonders betroffen sind. Auf jeden Fall seien dies die meisten Reha-Kliniken. Patienten würden ihre geplante Reha absagen, die Folge seien leere Betten, die in absehbarer Zeit nicht belegt werden. Dafür erhalte man aber derzeit nur einen beschränkten finanziellen Ausgleich. Das Vorgehen sei mit dem Betriebsrat abgestimmt.
... und kalkulative Unsicherheit
Man habe „angesichts der in vielen Punkten undurchsichtigen Lage und der kalkulativen Unsicherheit keine andere Wahl“, betont Martin Siebert, Vorsitzender der Geschäftsführung von Paracelsus-Kliniken und ehemaliger Rhön-Vorstand. Personalchef Martin Schlie stärkt diese Position: „Die Materie ist komplex. Wir können nicht einfach abwarten.“ Man wolle sich in der Krise „nicht bereichern“, betont er, sondern es gehe „lediglich darum, die entstandenen Finanzierungslücken unverzüglich zu schließen“.
Paracelsus-Mitarbeiter in Bremen helfen im Klinikum Mitte aus
Unabhängig vom Thema Kurzarbeit gibt es für die Mitarbeiter in Bremen auch einen bisher ungewöhnlichen Weg: Hier übernimmt die Paracelsus-Klinik seit kurzem Patienten aus dem Klinikum Mitte, dem größten Krankenhaus in Bremen, das zum kommunlen Klinikverbund Gesundheit Nord (Geno) gehört, „um in der gestuften Versorgungskette Kapazitäten für potenzielle Corona-Patienten zu schaffen“, wie es bei Paracelsus heißt. Gleichzeitig werden Mediziner und Intensivpflegekräfte der Paracelsus-Klinik, ab etwa 6. April die Kollegen auf den Intensivstationen im Klinikum-Mitte unterstützen.
Autorinnen: Birgitta vom Lehn/Kirsten Gaede