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Pflege und Praxis

Krampfanfall: Was tun? Was dringend unterlassen?

Krampfanfälle treten längst nicht nur bei Epilepsie und Alkoholentzug auf – doch fast immer wie aus heiterem Himmel. Die folgenden 15 Dos und Don’ts helfen, den Notfall sicher zu bewältigen

Krampfanfälle sind häufiger, als man denkt. Etwa zehn von 100 Menschen haben im Laufe ihres Lebens mindestens einen Krampfanfall, so wird geschätzt. Dabei gibt es vielfältige Auslöser:

  • Schlafentzug
  • Fieber
  • Sauerstoffmangel
  • Alkoholentzug
  • flackernde Lichter, zum Beispiel in Filmen, bei Computerspielen oder in der Diskothek

Im Zusammenhang mit diesen Auslösern spricht man von einem Gelegenheitsanfall – und noch nicht von einer Epilepsie. . Um Epilepsie handelt es sich laut einer Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Neurologie (DGN), wenn

  • mindestens zwei epileptische Anfälle ohne erkennbare Auslöser im Abstand von mehr als 24 Stunden vorliegen
  • oder ein Anfall auftritt, bei dem es Hinweise für eine Neigung zu weiteren Anfällen gibt.

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Eine Epilepsie kommt häufiger vor, als man denkt. Laut DGN leiden etwa 0,5 bis 0,9 Prozent der Bevölkerung an einer Form der Epilepsie.

4 Arten von Anfällen: Aura, fokaler Anfall, generalisierter Anfall, Status Epilepticus

Ein Krampfanfall kann wenige Sekunden bis mehrere Minuten dauern. Verschiedene Anfallsarten können unterschieden werden:

  • Aura: Vor dem Krampfanfall kann ein „Vorgefühl“, eine sogenannte Aura, auftreten. Das können ein bestimmter Geruch oder Geschmack, ein Bauchkribbeln oder auch ein besonderes Gefühl sein.
  • Fokaler Anfall: Dieser beginnt in einem bestimmten Hirnbereich und der Anfall zeigt sich regional begrenzt. Zum Beispiel zuckt ein Arm oder das Sehen ist verändert. Manchmal kann ein Anfall fokal beginnen und sich dann auf das ganze Hirn ausweiten.
  • Generalisierter Anfall: Dieser erfasst das gesamte Gehirn. Es können Muskelzuckungen (klonische Anfälle), Muskelverkrampfungen (tonische Anfälle) oder beides auftreten. Bei einem tonisch-klonischen oder auch Grand-mal-Anfall stürzt die Person oft zu Boden und es kommt zu Krämpfen im ganzen Körper – oft zunächst tonisch, später klonisch – mit Bewusstlosigkeit. Es kann ein Atemstillstand auftreten (Patient wird blau), evtl. auch ein Zungen- oder Wangenbiss mit Schaum vor dem Mund und Urin- oder Stuhlabgang. Meist hört der Anfall nach wenigen Minuten auf, oft erinnert sich die Person später nicht an ihn (Amnesie).
  • Status epilepticus: Der Anfall dauert länger als fünf Minuten oder es tritt eine Serie von Anfällen auf. Ein Status epilepticus ist lebensbedrohlich, da das Gehirn nicht mehr ausreichend mit Sauerstoff versorgt wird. In der Folge können Herz und Lunge versagen. Ein Status epilepticus muss immer medikamentös unterbrochen werden.

Bei Epilepsie ist in der Regel eine medikamentöse Behandlung mit Antiepileptika nötig. Die Therapie dauert mindestens zwei Jahre, oft auch lebenslang.

Das sollten Sie im Krampfanfall tun

  • Lassen Sie die krampfende Person zur Sturzprophylaxe zu Boden gleiten und polstern Sie den Kopf mit einem Kissen ab, um ihn vor Verletzungen oder Stößen zu schützen.
  • Räumen Sie Gegenstände aus dem Weg und sichern Sie die Atemwege. Dazu können Sie die Person am besten in Bauch- oder Seitenlage positionieren, wenn das möglich ist.
  • Bewahren Sie die Ruhe und sprechen Sie beruhigend auf den Patienten ein.
  • Benachrichtigen Sie immer einen Arzt, wenn der Krampfanfall a) erstmalig auftritt, b) länger als zwei Minuten dauert, c) zu einer Serie von Anfällen führt, d) mit Verletzungen einhergeht.
  • Lassen Sie sich von ihren pflegerischen Kollegen unterstützen. Diese können bei bekannter Epilepsie zum Beispiel die Bedarfsmedikation vorbereiten oder den Arzt informieren.
  • Beobachten Sie den Krampfanfall genau, damit Sie später Dauer, Uhrzeit, Ablauf und Besonderheiten exakt dokumentieren können.
  • Stoppen Sie dazu am besten die Zeit ab Beginn des Krampfanfalls – in Notsituationen kann das Zeitgefühl leicht aus dem Takt geraten.
  • Bringen Sie nach dem Anfall die Person in die stabile Seitenlage, bis sie ihr Bewusstsein wiedererlangt hat (Aspirationsprophylaxe).
  • Entfernen Sie bei Bedarf Erbrochenes und führen Sie die Mund- und eine Körperpflege durch, zum Beispiel bei unkontrolliertem Urin- oder Stuhlabgang.
  • Kontrollieren Sie den Mundraum auf Zungen- oder Wangenbiss, sorgen Sie für Ruhe und überwachen Sie Vitalzeichen und Bewusstsein engmaschig.

Fehler, die es bei einem Krampfanfall zu vermeiden gilt 

  • Lassen Sie die Patientin oder den Patienten nicht allein. Wenn Sie Unterstützung von Ihren Kollegen brauchen, gehen Sie nicht aus dem Zimmer, sondern rufen Sie um Hilfe.
  • Halten Sie die krampfende Person keinesfalls fest, damit sie Sie oder sich selbst nicht verletzt.
  • Schieben Sie ihr keinen Beißkeil in den Mund, wie es früher empfohlen wurde. Dadurch können Lippen, Zähne und Gaumen verletzt werden.
  • Flößen Sie der Person keine Flüssigkeiten oder Arzneimittel oral ein. Hier besteht das Risiko einer Aspiration.
  • Geben Sie nicht zu schnell Medikamente gegen den Krampfanfall. In der Regel beginnt ein Krampfanfall plötzlich und hört nach wenigen Minuten von allein auf.
  • Wichtig: Laut der Leitlinie der DGN sollte eine Akutmedikation gegen den Krampfanfall erst bei länger dauernden Anfällen oder Anfallsserien erfolgen (s. u.). Ein epileptischer Anfall, der maximal zwei Minuten dauert, kann nicht medikamentös unterbrochen werden.

Was tun im Status epilepticus?

Laut der Leitlinie „Status epilepticus im Erwachsenenalter“ der DGN muss jeder epileptische Anfall, der länger als fünf Minuten anhält, als Status epilepticus bezeichnet und behandelt werden. Das gilt auch, wenn mehr als zwei aufeinanderfolgende Anfälle innerhalb von mehr als fünf Minuten auftreten, ohne dass die Person ihren neurologischen Ausgangszustand vor dem Krampfanfall wiedererlangt.

Zu medikamentösen Akuttherapie empfiehlt die Leitlinie eine i.v.-Injektion zur Krampfunterbrechung mit: Lorazepam, Clonazepam, Midazolam oder Diazepam, wenn ein i.v.-Zugang vorliegt.

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Allerdings haben viele Patienten in der Situation des Krampfanfalls keinen Zugang liegen. Und wegen der Aspirationsgefahr ist keine orale Medikamentengabe möglich. Daher empfiehlt die DGN bei fehlendem i.v.-Zugang zum Beispiel Midazolam intramuskulär per Applikator oder intranasal (als Einzelgabe) zu verabreichen. Alternativ zu Midazolam kann auch Diazepam rektal oder Midazolam bukkal (in die Wangentasche) gegeben werden.

Wichtig ist im Status epilepticus vor allem, dass die Vitalparameter sichergestellt werden und die krampfende Person vor Selbstgefährdung geschützt wird. Eine Intubationsbereitschaft muss immer gesichert sein. Das ist vor allem für den Rettungsdienst wichtig, der das Zielkrankenhaus auswählt.

Text: Brigitte Teigeler

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