Die mutige Entscheidung hatte der Mainzer Landtag getroffen, als er das Landesgesetz über Wohnformen und Teilhabe (LWTG) ab 1. März 2016 änderte: Fortan sollten die Beratungs- und Prüfbehörden, die Ex-Heimaufsichten, beratender und partnerschaftlicher mit Heimbetreibern umgehen, und die Einrichtungen selbst mehr Qualitätsverantwortung tragen. Damit folgen die Rheinland-Pfälzer einem Credo, das unter Qualitätsmanagern, Betreibern und Fachleuten immer mehr Anhänger findet: „Qualität lässt sich nicht in Betriebe hineinprüfen.“ Heimprüfer im Bundesgebiet dagegen halten es – laut dem Freiburger Fachjuristen Thomas Klie – noch zu oft mit dem alten Leninschen Grundsatz: „Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser.“
Klie lobt Heime in Rheinland-Pfalz
Nach wie vor gibt es pro Jahr rund 120 Anlassprüfungen nach Beschwerden von Heimbewohnern oder Angehörigen durch die vier Beratungs- und Prüfbehörden. Das zuständige Landesamt für Soziales, Jugend und Versorgung und das Sozialministerium in Mainz zeigen sich insgesamt zufrieden: „Der Beratungsansatz stärkt eine Vertrauenskultur zwischen Heimen und Landesamt. Die Betreiber sprechen offener und initiativ ihre Probleme an und bitten unsere Behörden um Ratschläge“, sagt der Präsident des Landesamtes Detlef Placzek. Langfristige werde so eine bessere Qualität erreicht. Die Behörden sehen sich als Unterstützer der rund 500 Alten- und Pflegeheime, betreute Wohngruppen, Hospize, Kurzzeitpflegen und Seniorenresidenzen im Saarland – etwa bei der Wahrung von Selbstbestimmung und Teilhabe der Bewohner, bei neuen Konzepten, Fehlervermeidung, Gefährdungseinschätzung und Konflikte vor Ort schlichten.
Dieses neue Denken würdigt auch Branchenkenner Klie: „Ein Großteil der Heime für Menschen mit Pflegebedarf oder Behinderung in Rheinland-Pfalz macht einen guten Job, bemüht sich eigenverantwortlich in guter Qualität um gute Lebensbedingungen für Menschen in den Einrichtungen.“ Damit stünden Heime nicht länger im „Generalverdacht der fehlenden Qualitätsfähigkeit“. Qualitätsbewusste Betreiber setzten heute darauf, die Menschenrechte ihrer Bewohner zu achten und die Expertenstandards in der Pflege einzuhalten.
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„Die Welt“: Schlechtestes Preis-Leistungsverhältnis
Allerdings funktioniert das beratungsorientierte Vorgehen der Behörden nur mit kooperationswilligen Heimbetreibern. „Einrichtungen, die das in ihre Qualitätsverantwortung gesetzte Vertrauen missbrauchen oder bei denen keine Vertrauensbasis besteht, werden weiterhin anlassbezogen geprüft“, berichtet Placzek.
Unabhängig davon kontrolliert der Medizinische Dienst der Krankenversicherung (MDK) Rheinland-Pfalz dennoch alljährlich die Qualität von 90 Prozent der Alten- und Pflegeheime. Die MDK-Ergebnisse haben 2016 einigen Wirbel hervorgerufen. „Die Welt“ und das Recherchenetzwerk Correctiv berichteten, dass die Heime in Rheinland-Pfalz bundesweit das schlechteste Preis-Leistungs-Verhältnis hätten. Bei 80 Prozent der dortigen Heime hätte der MDK pflegerische Mängel festgestellt: bei der Ernährung und Flüssigkeitsversorgung, beim Umgang mit Schmerz- und Inkontinenzpatienten, bei der Wundversorgung und Medikamentengabe. Demgegenüber stünden Kosten bei Pflegestufe 3 von durchschnittlich 3.453 Euro (Eigenanteil über 1.800 Euro).
Prompt wiesen die Mainzer Sozialministerin Sabine Bätzing-Lichtenthäler (SPD), die Pflegegesellschaft der Träger und Verbände die Kritik als zu pauschal und irreführend zurück. Über die fragwürdigen MDK-Pflegenoten könne man Heimqualität in den Bundesländern nicht vergleichen. Die Reporter hätten nur wenige von vielen Prüfkriterien ausgesucht und allgemeine Schlüsse daraus gezogen. Selbst der Geschäftsführer des Medizinischen Dienstes des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen (MDS), Peter Pick, schaltete sich ein: „Es ist falsch, aus jedem festgestellten Mangel zu schließen, dass die Qualität eines Heims insgesamt mangelhaft ist.“ Die Journalisten hätten das zum Teil verkürzt mit sorgsamer zu prüfenden Einzeldaten dargestellt.
Bald verschärfter Pflege-TÜV
Sehr wohl bestätigte der MDS-Geschäftsführer die Einschätzung vieler Fachleute: Die bis heute geltenden Pflegenoten für Heime und ambulanten Pflegedienste sind für Verbraucher noch nicht aussagekräftig genug. Ihre bundesweit zu über 70 Prozent sehr guten und guten Noten „geben die MDK-Prüfergebnisse nur unvollständig und beschönigend wieder“.
Inzwischen hat der Gesetzgeber mit dem Pflegestärkungsgesetz II die Weichen für einen schärferen Pflege-TÜV gestellt: Neue wissenschaftlich fundierte Messverfahren zur Ergebnisqualität in der Pflege soll der neue Qualitätsausschuss bundesweit 2018 für Heime und 2019 für Pflegedienste vereinbaren. Sie sollen die heutigen Pflegenoten ablösen.
Autor: Uwe Lötzerich